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OAS unterstützt Dialog in Venezuela

Vorstoß von Almagro auf Anwendung der "Demokratie-Charta" gescheitert. Scharfe Kritik aus Bolivien, Ecuador und Nicaragua. Großdemonstration in Caracas

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Musikgruppe auf dem Podium am Präsidentenpalast Miraflores. Transparent: "Für die Unabhängigkeit und gegen die Einmischung der OAS"
Musikgruppe auf dem Podium am Präsidentenpalast Miraflores. Transparent: "Für die Unabhängigkeit und gegen die Einmischung der OAS"

Washington. In der Debatte um die angespannte Situation in Venezuela haben sich die 34 Mitgliedsländer der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) am Mittwoch für eine politische Lösung ausgesprochen. Sie nahmen damit zugleich Abstand von einem Vorstoß des OAS-Generalsekretärs Luis Almagro, der Sanktionen gegen die sozialistische Regierung des südamerikanischen Landes gefordert hatte. Nach einer fast zehnstündigen Debatte im Ständigen Rat der OAS einigten sich alle Delegationen auf einen Aufruf zum Dialog zwischen Regierung und Opposition.

Der Beschluss wird als schwerer Rückschlag für Almagro gewertet, der seit seinem Amtsantritt im Mai vergangenen Jahres die Regierung von Präsident Nicolás Maduro mehrfach heftig angegriffen hat. Der OAS-Generalsekretär hatte zu Wochenbeginn einen 132-seitigen Bericht vorgelegt, der maßgeblich Vorwürfe der venezolanischen Opposition gegen Maduro aufgreift. Unter Bezug auf Artikel 20 der Interamerikanischen Demokratie-Charta beantragte er eine Sitzung des Ständigen Rates der OAS, um "die Unterwanderung der verfassungsmäßigen Ordnung" in Venezuela zu diskutieren und Strafmaßnahmen zu beschließen. Damit hätte Venezuela unter anderem aus der OAS ausgeschlossen werden können.

Bei der Aussprache am Mittwoch wurde Almagro, der persönlich nicht an der Sitzung teilnahm, nur noch von Paraguay unterstützt. Doch auch dessen Delegation stimmte am Ende für die Resolution. Selbst die gegenüber Venezuela kritischen Mitgliedsstaaten mit rechtsgerichteten Regierungen, darunter Argentinien, wandten sich offen gegen das Ansinnen des Generalsekretärs.

Hintergrund der Abstimmung ist eine schwere wirtschaftliche und politische Krise in Venezuela. Die Parteien des oppositionellen Bündnisses Tisch der demokratischen Einheit (MUD) versuchen, ein Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Maduro durchzusetzen und erheben zahlreiche massive Vorwürfe gegen die Regierung.

Die Mitgliedsstaaten betonen in dem Beschluss das Prinzip "der Respektierung des Nicht-Eingreifens in die inneren Angelegenheiten der Staaten und dass jeder Staat das Recht hat, ohne äußere Einmischungen sein politisches, ökonomisches und soziales System zu wählen und sich in der ihm gemäßen Form zu organisieren". Ausdrücklich wird auch die Initiative der ehemaligen Präsidenten José Zapatero (Spanien), Leonel Fernández (Dominikanische Republik) und Martín Torrijos (Panama) unterstützt, bei Gesprächen zwischen Regierung und Opposition zu vermitteln.

Ecuadors Außenminister Guillaume Long zeigte sich mit dem Ergebnis zufrieden. Es sei gut, dass sich die 34 OAS-Staaten für den Dialog zwischen den Konfliktparteien in Venezuela ausgesprochen hätten, "ohne Sanktionen oder Drohungen und in Anerkennung der Souveränität Venezuelas".

Die venezolanische Außenministerin Delcy Rodríguez bezeichnete das Abstimmungsergebnis als Sieg. Man danke den Staaten der Region, dass sie "den Rechtsstaat in Venezuela, die Souveränität und die Demokratie unterstützt haben".

Almagros Antrag war zuvor von mehreren Politikern und zahlreichen Künstlern, Intellektuellen sowie sozialen und politischen Organisationen der Region scharf kritisiert worden. Ecuadors Staatschef Rafael Correa sagte gegenüber der Presse, der OAS-Generalsekretär sei seit geraumer Zeit "desorientiert" und handle auf eigene Faust. Für sein Vorgehen gebe es keine Mehrheiten in Lateinamerika. Boliviens Präsident Evo Morales twitterte, Almagro solle sich nicht "zum Instrument des Interventionismus gegen das revolutionäre Volk Venezuelas" machen und die OAS-Vertreter der Regierung von Nicaragua protestierten gegen den Versuch, "Venezuela zu isolieren".

In einem offenen Brief werfen rund 500 Kulturschaffende und über 100 soziale Bewegungen Lateinamerikas Almagro vor, bei Destabilisierungsversuchen der "Bolivarischen Revolution" mitzuwirken. Er prangere eine angebliche Diktatur in Venezuela an – und schweige zugleich zu realen gravierenden Menschenrechtsverletzungen, wie zum tausendfachen Verschwindenlassen in Mexiko, Morden an Aktivisten in Kolumbien und Honduras, Rassismus gegen Afroamerikaner in den USA oder gegen Indigene in Chile und Massenentlassungen unter der neuen Regierung in Argentinien.

In der venezolanischen Hauptstadt zogen am Mittwoch zehntausende Menschen, vor allem Jugendliche, unter dem Motto "Für die Unabhängigkeit und gegen die Einmischung der OAS" durch das Stadtzentrum zum Präsidentenpalast Miraflores, wo sie von Maduro empfangen wurden. Der Präsident appellierte an die Jugend des Landes, "die Errungenschaften der Bolivarischen Revolution" zu verteidigen und zu verbreiten und betonte die Bedeutung ihres Bewusstseins und Engagements, "um den Angriffen der Rechten entgegenzutreten".

Für Samstag haben Regierungsanhänger zu weiteren landesweiten Kundgebungen und Demonstrationen "zur Verteidigung der nationalen Souveränität und für das Recht auf Frieden" aufgerufen.