Brasilien / Politik

Rechte im Parlament von Brasilien positioniert sich gegen Präsidentin Rousseff

Über 80 Prozent des rechten BBB-Blocks stimmten gegen Rousseff. Konflikte wegen Waffenpolitik, Agrarpolitik und Einfluss von Evangelikalen

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Tumultartige Szenen bei der Abstimmung über das Amtsenthebungsverfahren gegen Präsidentin Rousseff in der Abgeordnetenkammer von Brasilien
Tumultartige Szenen bei der Abstimmung über das Amtsenthebungsverfahren gegen Präsidentin Rousseff in der Abgeordnetenkammer von Brasilien

Brasília. Bei der Abstimmung für ein Amtsenthebungsverfahren gegen Dilma Rousseff in Brasilien haben überdurchschnittlich viele Abgeordneten des parlamentarischen BBB-Blocks ("Bala, Bíblia e Boi", etwa: "Patrone, Bibel und Ochse") aus Waffenlobby, Evangelikalen sowie Agrarlobbyisten gegen die Präsidentin gestimmt. Rund 82 Prozent der 187 Vertreter des überparteilichen BBB-Blocks der politischen Rechten sprachen sich am 17. April für eine Absetzung der Präsidentin aus, während im gesamten Abgeordnetenhaus mit 367 von 513 Abgeordneten eine Zweidrittelmittelmehrheit für das Verfahren votierten.

Für den Fall der Übernahme der Amtsgeschäfte durch den bisherigen Vizepräsidenten Michel Temer von der konservativen PMDB haben diese oppositionellen Gruppen bereits mehr Mitspracherecht verlangt und ihre Forderungen an eine neue Regierung gestellt. Dazu gehören vor allem die Liberalisierung des Waffengesetzes, ein stärkerer Einfluss evangelikaler Positionen in Gesetzesvorhaben und Änderungen bei der Vergabe von Land an Indigene.

Ende Oktober 2015 stimmte das Abgeordnetenhaus für ein neues Waffengesetz, das den Besitz und Handel von Waffen erheblich erleichtern sollte. Das Gesetz sah zudem die Verringerung des Mindestalters für den Besitz von Schusswaffen von bisher 25 auf 21 Jahre vor und sollte Vorbestraften und Angeklagten den Waffenbesitz erlauben, was nach geltendem Recht nicht möglich ist. Ebenso müssten die Waffenbesitzer nicht mehr wie bisher alle drei Jahre ihren Waffenschein erneuern. Die Erlaubnis wäre unbegrenzt gültig gewesen. Dilma Rousseff legte damals aber ihr Veto ein.

Von einer neuen, rechts geführten Regierung erwartet der Sprecher des Blocks für Öffentliche Sicherheit im Parlament, Alberto Fraga (DEM), dass das Waffengesetz verabschiedet wird. "Wir wissen, dass es im Abgeordnetenhaus durchkommt. Nun müssen wir mit Michel (Temer) sprechen, damit es positiv beschieden wird", so der frühere Leutnant der Militärpolizei.

Auch die Evangelikalen im Parlament erwarten im Falle der Übernahme durch Vizepräsident Temer mehr Gehör und Unterstützung für ihre Anliegen. "Wir haben ihn bereits aufgesucht und empfohlen, dass er eine offizielle Gesprächsebene zwischen der Regierung und dem BBB-Block schafft", so Sóstenes Cavalcante von der rechtsgerichteten DEM. Die fehlende Kommunikation zwischen den PT-Regierungen und den Evangelikalen im Parlament sei einer der gröbsten Fehler der vergangenen Jahre gewesen, begründet Cavalcante nun das Abstimmungsverhalten seiner Gefolgsleute. Gerade einmal während der ersten zwei Regierungsjahre unter Luiz Inácio Lula da Sila, 2003 bis 2005, sei es zu Gesprächen gekommen. Danach hätte die PT die ideologische Konfrontation gesucht. Laut dem DEM-Politiker ist der Druck bekannter evangelikaler Prediger auf die Abgeordneten für die hohe Zustimmung zur Amtsenthebung entscheidend gewesen.

Die Vertreter von Agrarindustrie und Großgrundbesitz machten ebenfalls ihre Erwartungen deutlich. Der Koordinator des Blocks für Agrar- Viehwirtschaft, Jerônimo Goergen (PP), forderte Vizepräsident Temer auf, die "Hähne für die Programme zu schließen", die der Landlosenbewegung zugutekommen. Zudem soll das Parlament künftig für die Landvergabe an Indigene zuständig sein. Damit soll die Entscheidungsmacht von der bisher verantwortlichen, eher indigenenfreundlichen Bundesbehörde Funai  auf das Parlament übertragen werden.

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