Proteste gegen Entlassungen im Bildungswesen in Argentinien

Drohende Zerschlagung von Bildungsprogramm treibt Menschen auf die Straße. Regierung reagiert mit Ablehnung

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Schüler in Argentinien mit Laptops des Programms "Conectar Igualdad"
Schüler in Argentinien mit Laptops des Programms "Conectar Igualdad"

Buenos Aires. Am Mittwoch haben in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires hunderte Demonstranten kurzzeitig den Sitz des Bildungsministeriums in Buenos Aires blockiert, um den Erhalt des Bildungsprogramms "Conectar Igualdad“ zu erreichen. Außerdem forderten sie die Rücknahme der Entlassungen von 60 Kollegen und die Sicherung der Arbeitsplätze in anderen Sozial- und Bildungsprogrammen. Zu den Protesten hatte die Gewerkschaft der Staatsangestellten (ATE) aufgerufen, die seit der Wahl der neoliberalen Regierung von Präsident Mauricio Macri am 10. Dezember 2015 gegen die anhaltende Entlassungswelle im öffentlichen Dienst ankämpft. Laut einer jüngsten Erhebung des Umfrageinstituts Tendencias Económicas sind allein im Januar und Februar dieses Jahres über 100.000 staatliche Arbeiter und Angestellte vor die Tür gesetzt worden.

"Conectar Igualdad" war eines der Vorzeigeprojekte der Vorgängerregierung von Cristina Fernández im Bildungswesen. Ziel war es, allen Schülern und Lehrern weiterführender Schulen im gesamten Land einen Computer zur Verfügung zu stellen, die Lehrer entsprechend auszubilden und Vorschläge für die Integration von Computern in den Unterricht zu entwickeln. Seitdem das Bildungsprogramm per Präsidialdekret 2010 initiiert wurde, sind über fünf Millionen Rechner verteilt und knapp 1.500 geeignete Arbeitsräume an Schulen eingerichtet worden.

Die Demonstration am Mittwoch ist der vorläufige Höhepunkt im Kampf um die sozialstaatlichen Maßnahmen im Bildungswesen. Ende der vergangenen Woche wurde bekannt, dass das Bildungsministerium trotz gegenteiliger Ankündigungen des Präsidenten und seiner Administration beabsichtigt, das Programm "Conectar Igualdad" aufzugeben und damit rund 1.100 Angestellte vor die Tür zu setzen. Die Entscheidung war vom nationalen Koordinator des Programms, Javier Castrillo, über den Kurznachrichtendienst Twitter bekanntgegeben worden.

Tags darauf erklärte Bildungsminister Esteban Bullrich in einer Pressemitteilung, dass die 1.500 Beschäftigten des Programms im ganzen Land weiter ihrer Arbeit nachgingen. Er bestätigte gegenüber den Medien aber, dass die Arbeitsverträge von 60 Angestellten der nationalen Leitung von "Conectar Igualdad" und "Primaria Digital" des Ministeriums für Bildung und Sport nicht verlängert würden. Die beiden Programme liefen dennoch "völlig normal" weiter. Es habe aber auf der Führungsebene eine Umstrukturierung gegeben. Rodrigo Recalde, ATE-Vertreter im Ministerium, teilte mit, dass "Conectar Igualdad" in Zukunft in den Provinzen umgesetzt werden solle.

Javier Castrillo fragte sich im Gespräch mit der argentinischen Nachrichtenagentur Télam daher auch, wie dieses Programm weiter funktionieren solle, insbesondere wenn er und seine Kollegen der nationalen Koordination die Lehrer und Schüler in den Schulen nicht mehr unterstützen könnten. Für Castrillo ist daher sicher, "dass das Programm zumindest ausgesetzt wird". Darüber hätten ihn die Funktionäre unterrichtet, sagte Gewerkschaftsvertreter Recalde dem Radiosender La Patriada. Seit dem 10. Dezember bekämen Castrillo und seine Mitarbeiter bereits keine Arbeitsanweisungen mehr.

Einer Delegation der 300 Mitarbeiter, die am Freitag vergangener Woche vor dem Bildungsministerium mit Unterstützung von ATE eine Kundgebung gegen Bullrichs Personal- und Bildungspolitik abhielten und vom Minister Erklärungen verlangten, verweigerte dieser das Gespräch. Den 70 Entlassen ist das Ministerium bislang auch noch die Gehälter für Januar und Februar 2016 schuldig.

Die Vertreter der Regierung haben bis dato in ihren offiziellen Statements offen gelassen, ob die Programme privatisiert fortgeführt werden sollen oder nicht. Dies ist besonders deshalb pikant, weil Microsoft-CEO Satya Nadella Präsident Macri beim Wirtschaftsforum in Davos im Januar angeboten hatte, allen Schülern, Lehrern und Forschern in Argentinien das Office-Paket, das Betriebssystem Windows und seine virtuellen Speicherdienste gratis zur Verfügung zu stellen. Im Programm "Conectar Igualdad" wird bisher erfolgreich mit frei zugänglichen Open-Source-Betriebssystemen und -Software gearbeitet, die auf Linux basieren.