Gewerkschaften in Brasilien gegen Kürzungspolitik von Dilma Rousseff

Wegen geplanter Kürzungen und Reformen von Sozial- und Arbeitsgesetzen könnten die Gewerkschaften der Präsidentin ihre Unterstützung entziehen

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Gewerkschafter vom Dachverband CUT bei einer Demonstration in São Paulo gegen die Kürzungspolitik
Gewerkschafter vom Dachverband CUT bei einer Demonstration in São Paulo gegen die Kürzungspolitik

Brasília. Die drei führenden Gewerkschaftsverbände Central Única dos Trabalhadores (CUT), Força Sindical und União Geral dos Trabalhadores (UGT) drohen der Regierung von Präsidentin Dilma Rousseff die Unterstützung zu entziehen, sollte sie den Weg der strikten Haushaltskonsolidierung auch im Jahr 2016 fortsetzen.

Als Ende Dezember 2015 der unternehmerfreundliche Finanzminister Joaquim Levy durch den Minister für Planung und Haushalt, Nelson Barbosa, ersetzt wurde, zeigten sich Gewerkschaften und soziale Bewegungen optimistisch, dass die Regierung die geplanten Kürzungen bei Sozialversicherung und Altersvorsorge überdenken würde. Barbosa war bereits in den Jahren 2008 bis 2010 als Staatssekretär im Finanzministerium tätig und gilt als Befürworter staatlicher Interventionen und Kredite als probates Mittel zur Ankurbelung der Wirtschaft.

Doch bereits in seiner Antrittsrede kündigte er an, den eingeschlagenen Weg der Haushaltskonsolidierung mit all ihrem Beiwerk an Kürzungen sowie die Bekämpfung der Inflation fortzuführen. Barbosa erklärte gegenüber ausländischen Investoren die Senkung der Staatsverschuldung zu seinem obersten Ziel, um so die Märkte zu beruhigen. Erst danach könne man die Investitionen erhöhen, so der Minister.

Die nicht einsetzende Abkehr von den Kürzungen und die nun angekündigten Reformen von Sozial- und Arbeitsgesetzen befremden die Gewerkschaften. "Barbosa vertrat stets eine aktivere wirtschaftspolitische Rolle mit öffentlichen Investitionen und Krediten. Mich wundert, dass er nun die Sozial- und Arbeitsmarktreformen verteidigt. Er will dem Markt einen Gefallen tun, doch erweist sich dies als Eigentor", so Miguel Torres, Präsident der Metallarbeitergewerkschaft von São Paulo.

Sérgio Nobre, der Generalsekretär der CUT, deutet die aktuelle wirtschaftspolitische Linie der Regierung Rousseff ebenfalls als riskant. Er hoffe, dass sie nicht den Fehler begehe, Reformen des Arbeitsgesetzes "während eines so schwierigen Momentes durchzuführen". Auch die sozialen Bewegungen kritisieren vor allem den schlechten Zeitpunkt für die geplanten Reformen. Aktuell sei der Kongress unternehmerfreundlich dominiert, so der Sprecher der Vereinigung sozialer Bewegungen (CMP - SP), Raimundo Bonfim.

Sollte die Regierung die Reformen durchsetzen, drohen Gewerkschaften und soziale Bewegungen damit, Rousseff die Unterstützung zu entziehen. Die Präsidentin weiß um deren Bedeutung für ihren Machterhalt, denn das laufende Verfahren zu ihrer Amtsenthebung erfährt derzeit von einem großen Teil der brasilianischen Bevölkerung Zustimmung. Erst am 16. Dezember hatten dagegen CUT, Landlosenbewegung (MST) und die Schülervereinigung (UNE) landesweit über 100.000 Menschen zur Unterstützung Rousseffs auf die Straßen mobilisiert.

Gleichzeitig begrüßen CUT, Força Sindical und UGT die Anhebung des Mindestlohnes zum Jahreswechsel von 788 auf 880 Reais. Die von der Arbeiterpartei (PT) geführte Regierung hatte die Erhöhung des Mindestlohns um 11,6 Prozent durchgesetzt. Von dieser Erhöhung profitieren 40 Millionen Arbeiter und Rentner. "Das heizt die Wirtschaft in den kleinen Gemeinden an und senkt die Zinsen", so Raimundo Bonfim.

Eine Kehrtwende der Wirtschaftspolitik impliziert der erhöhte Mindestlohn jedoch keinesfalls. Denn weder ist der Abtritt Joaquim Levys als Rücktritt, noch der Wechsel im Finanzministerium als Abkehr von einer unternehmerfreundlichen Politik zu werten. Vielmehr übernimmt Levy demnächst den Posten des Finanzdirektors der Weltbank. Seit geraumer Zeit beansprucht Brasilien eine leitende Funktion bei der Finanzinstitution in Washington.