Argentinien: Militärs wegen Diktaturverbrechen angeklagt

Mindestens 204 Menschen wurden in das Geheimgefängnis El Vesubio in Buenos Aires verschleppt und gefoltert, einige von ihnen ermordet

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240 Menschen sollen in dem geheimen Gefängnis El Vesubio festgehalten worden sein
240 Menschen sollen in dem geheimen Gefängnis El Vesubio festgehalten worden sein

Buenos Aires. In Argentinien hat der zweite Teil des Strafprozesses gegen fünf ehemalige Militäroffiziere begonnen. Gustavo Adolfo Cacivio, Néstor Norberto Cendón, Federico Antonio Minicucci, Faustino José Svencioniss und Jorge Raúl Crespi stehen wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit während der letzten Militärdiktatur (1976-1983) vor Gericht.

Die Angeklagten sollen Verbrechen im Zusammenhang mit El Vesubio begangen haben – einem Gutshof nahe eines Autobahnkreuzes in Buenos Aires, der während der Militärdiktatur als geheimes Gefangenenlager und Folterstätte genutzt wurde. Néstor Norberto Cendón soll einer der Wächter und Folterer gewesen sein. Gustavo Adolfo Cacivio war einer der Leiter des Zentrums. Ihm gelang es, seine wahre Identität jahrelang hinter dem Spitznamen "Der Franzose" zu verstecken. Minicucci und Svencioni sollen als Anführer des dritten Regiments "General Belgrano" mit Sitz in La Tablada im Großraum Buenos Aires ebenfalls mit der Leitung des Lagers betraut gewesen sein. Der fünfte Angeklagte, Jorge Raúl Crespi, war als Geheimdienstchef der 10. Brigade der Infanterie auch für den Geheimdienst in der Zone zuständig, in der El Vesubio liegt.

Das Gerichtsverfahren schließt an ein vorheriges Verfahren gegen die fünf Angeklagten an, das im Juli 2011 beendet wurde. In dem neuen Verfahren sollen die Fälle von 204 während der Militärdiktatur entführten Personen aufgerollt werden, die in El Vesubio gefangen gehalten, gefoltert und teils getötet wurden. Die Ankläger sind in drei Gruppen zusammengefasst, wovon eine vom nationalen Sekretariat für Menschenrechte angeführt wird, die anderen beiden von Menschenrechtsorganisationen.

Zwei Themen brachte die Staatsanwaltschaft bei der ersten Anhörung vor. Zum einen möchte sie die Art der Anklage neu diskutieren. Die fünf Angeklagten sind bisher nur wegen Entführung und Folter angeklagt, jedoch nicht wegen der Ermordung von Gefangenen. Eine solche Anklage könnte eine lebenslange Haftstrafe für die fünf Militärs mit sich bringen. Zum anderen ging es um die gesundheitliche Situation des Angeklagten Crespi. Dieser hat seinen Wohnsitz in der nördlichen Provinz Corrientes und gab an, wegen gesundheitlicher Probleme nicht zur Gerichtsverhandlung anreisen zu können. Laut der argentinischen Zeitung Página/12 wurde Crespis Abwesenheit während der ersten Anhörung stark diskutiert. Der Richter Néstor Costabel ordnete daraufhin an, dass Crespis Gesundheitszustand nochmals von einem Gutachter der Gerichtsmedizin überprüft werden soll.

Eine der Klägerinnen, Ana Feldman, zeigte sich im Anschluss an die erste Anhörung zufrieden. Das Klima im Gerichtssaal sei in der zweiten Auflage des Gerichtsverfahrens weitaus entspannter und offener gewesen, auch die Richter erschienen ihr sehr aufrichtig. Feldman zeigt sich jedoch enttäuscht darüber, dass es noch nicht gelungen ist, die Militärs wegen Mordes anzuklagen. "Es wurden fünf Mordfälle von der Abteilung für Gerichtsanthropologie identifiziert. Einer davon ist meine Schwester Laura." Es könne nicht sein, so Feldman, dass man nach dem ersten Verfahren im Fall Vesubio ein zweites Verfahren mache, in dem weiterhin nicht über die Morde geredet wird.