Venezuela

Venezolanische Währungspolitik in der Diskussion

Staatshaushalt wird kurzfristig saniert. Verluste für internationale Unternehmen

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Venezolanische Währungspolitik in der Diskussion
Wirtschaftskabinett der Regierung Chávez

Caracas. Die Entscheidung der venezolanischen Regierung, die Landeswährung Bolivar Fuerte gegenüber dem US Dollar abzuwerten und einen gesonderten Kurs für "nicht notwendige Importgüter" einzuführen, sorgt international für kontroverse Diskussionen. Vertreter der Opposition nannten den Schritt "drastisch" und "enorm". Der Oppositionspolitiker Antonio Ledezma erklärte, die Leidtragenden der Abwertung seien die einfachen Leute. Er bezeichnete den Schritt als "Roten Freitag" in Anspielung auf die plötzliche Währungsabwertung im Jahr 1983. Die damals regierenden Christdemokraten hatten den Bolivar an diesem Tag um 400 Prozent abgewertet, was als "Schwarzer Freitag" in die Geschichte einging. Bis 1994 verlor die Landeswährung sagenhafte 6.000 Prozent. Alleine in der Amtszeit des Christdemokraten Caldera von 1994 bis zum Amtsantritt der Regierung Chávez fiel der Wechselkurs von 79 Bolívar pro US Dollar auf 577 Bolívar pro US Dollar. Dies entsprach einer Abwertung um 590 Prozent.

Tragweite der Maßnahme umstritten

Jorge Giordani, Minister für Planung und Entwicklung, wies die Vergleiche mit dem "Schwarzen Freitag" zurück. Weder handele es sich um eine "starke" Abwertung, noch sei dies ein angemessener Vergleich. Für die Produkte des Grundbedarfs wie Nahrungsmittel, Gesundheit, Bildung und Industrieimporte seien ausreichend Dollarmittel zum niedrigeren Kurs verfügbar, es gebe keinerlei Rechtfertigung für Preiserhöhungen.

Tatsächlich dürfte der Wert des Bolivar Fuerte deutlich unter dem nun geltenden Kursverhältnis liegen. Auf dem venezolanischen Schwarzmarkt wird beispielsweise ein Dollar gegen 6 Bolivar getauscht. Mit dem nun geltenden dualen Wechselkurs wurde der Bolivar um 21 Prozent für Güter des Grundbedarfs und um 100 Prozent für andere Importgüter abgewertet. Die venezolanische Regierung nimmt damit mittelfristig bewusst entsprechende Preissteigerungen in Kauf. Allerdings setzt die Maßnahme darauf, dass die Preise für venezolanische Produkte im Ausland fallen und aus dem Ausland importierte Güter eine weniger starke Konkurrenz auf dem Binnenmarkt darstellen.

Einnahmen aus dem Ölverkauf in Bolivar verdoppelt

Der wesentlichste Effekt der Abwertung dürfte darin bestehen, dass die Einnahmen aus dem Erdölverkauf, die etwa die Hälfte des venezolanischen Staatshaushaltes ausmachen, ihren Wert in der Landeswährung nun verdoppelt haben. Damit saniert das Land kurzfristig seine Finanzen. In Folge der weltweiten Finanzkrise sind die Einnahmen aus dem Ölexport Venezuelas um etwa 45 Prozent zurückgegangen. Zudem lagen die Rohölpreise 2008 fast ein Jahr lang unter dem Preisniveau, an dem sich der Staatshaushalt des Landes orientierte. Mit der Abwertung erhält die sozialistische Regierung also einen größeren finanziellen Spielraum, den sie unter anderem zur Weiterführung ihrer Sozialprogramme nutzen wird. Außerdem kündigte Präsident Hugo Chávez am Wochenende an, einen Sonderfonds für Industrieinvestitionen zu gründen, der für das Jahr 2010 etwa 1 Millarde US Dollar für die produktive Entwicklung im Inland vergeben soll.

Stärkerer Verbraucherschutz

An den ersten beiden Werktagen dieser Woche ging die Organisation für Verbraucherschutz (Indepabis) in mehreren Bundesstaaten gegen Geschäfte und Unternehmen vor, die ihre Preise plötzlich erhöht hatten. Bei Indepabis sind seit der Ankündigung der neuen Wechselkurse über 600 Beschwerden von Kunden eingegangen. Nach Berichten der venezolanischen Presse wurden mindestens 30 Unternehmen für jeweils einen Tag geschlossen, darunter auch die Filialen der Handelskette Éxito. Im Bundestaat Zulia beteiligten sich Mitglieder der unabhängigen Stadtteilräte an den Kontrollen. Der Minister für Handel, Eduardo Samán, wies darauf hin, dass Preisanhebungen nach den geltenden Gesetzen mit höheren Produktionskosten gerechtfertigt werden müssen. Dies sei nicht gegeben, wenn Unternehmen Produkte zum alten Wechselkurs importiert hätten. Firmen und Unternehmen, die unbegründete Preissteigerungen vornehmen, drohte Samán mit drastischen Geldstrafen.

Verluste für ausländische Unternehmen

Ein Verlierer der Kursanpassung steht hingegen schon fest: Mehrere internationale Firmen, die in Venezuela aktiv sind, mussten am Dienstag ihre Gewinnerwartungen reduzieren und wurden an den Börsen abgestuft. Nach einem Bericht der Financial Times betraf dies unter anderem die spanische Telefongesellschaft Telefónica und die amerikanischen Konsumgüterkonzerne Clorox und Kimberley-Clark. Die betreffenden Unternehmen hatten ihre hohen Gewinne aus dem venezolanischen Markt in Bolivar Fuerte angelegt und wurden somit ebenfalls abgewertet.

Höherer Verwaltungsaufwand und Korruptionsanreiz

Ebenfalls muss sicher davon ausgegangen werden, dass die Maßnahme den staatlichen Verwaltungsaufwand für Devisengeschäfte und -vergabe deutlich erhöht. Alleine die Durchführung der Preiskontrollen in den letzten beiden Tagen demonstriert, dass sich der so genannte "freie Markt" nur mit drastischen Maßnahmen davon abhalten lässt, sich Gewinnchancen entgehen zu lassen. Damit steht ein Ziel der Regierung Chávez - der Bürokratieabbau - weiter hinter der notwendigen wirtschaftlichen Stabilisierung zurück. Zudem liegt die Opposition wahrscheinlich richtig mit ihrer Aussage, dass das System der doppelten Wechselkurse einen Anreiz für Betrug und Korruption darstellt. Dass ein großer Teil der alten Beamtenschar in Venezuela als Anhänger der Opposition gelten müssen, macht das Problem nicht einfacher. Als in den 1980er Jahren ein doppelter Wechselkurs galt, verschwanden durch einfaches Umdeklarieren von Handelsgütern schätzungsweise 60 Milliarden US Dollar.


Bildquelle: ABN