Kolumbien / Venezuela

Chávez' Fehlkalkulation

Kommentar von Gerhard Dilger (taz) zu den Spannungen zwischen Kolumbien und Venezuela

Was den Umgang mit Kolumbiens Präsident Álvaro Uribe betrifft, hat Hugo Chávez schon länger den politischen Riecher verloren. Seine bombastische Aufforderung an die Venezolaner, sich auf einen Krieg vorzubereiten, ist dafür nur das jüngste Beispiel. Dennoch: So schnell wird wohl aus dem kalten Krieg der Autokraten kein heißer.

In der Analyse stimmt Chávez' Argumentation: Das vor elf Tagen unterzeichnete Militärabkommen zwischen Kolumbien und den USA stellt in der Tat eine Provokation für das sich emanzipierende Lateinamerika dar. Die Chance, die Luftwaffenbasis Palanquero zu nutzen, sei eine "einzigartige Möglichkeit", Operationen in einer "kritischen Region" durchzuführen, deren "Sicherheit und Stabilität ständig durch Anti-US-Regierungen bedroht sind", heißt es in einer Kongressvorlage des Pentagon. Letzte Woche gab Bogotá zudem bekannt, dass US-Truppen künftig auch zivile Flughäfen nutzen dürfen.

Indem Uribe vor zwei Jahren Chávez mit einem Mandat für Gespräche mit der FARC-Guerilla ernannte und wenig später kühl wieder entautorisierte, kränkte er seinen Kollegen zutiefst. Seitdem läuft der Venezolaner verbal Amok - und ist dadurch zum wichtigsten Helfer für Uribes zweite Wiederwahl im kommenden Jahr geworden. Zusammen mit den FARC hat Chávez der demokratischen Linken Kolumbiens die Basis entzogen und die Achse Washington-Bogotá zusammengeschweißt.

Innenpolitisch mag sein Kalkül aufgehen, aber eben nur kurzfristig: Säbelrasseln taugt fast immer auch zur Ablenkung von Blößen in der Wirtschaftspolitik, grassierender Korruption oder der Beschneidung demokratischer Freiheiten. Leider gilt all dies aber auch für den Krieg in Kolumbien.

Für die Regionalmacht Brasilien wird der Disput zu einer weiteren diplomatischen Herausforderung. Die Vermittlung, die Präsident Lula letzte Woche anbot, mag zunächst die Wogen glätten - langfristig scheint jedoch das Kalkül der Strategen in Washington aufzugehen. Für den Geopolitiker Chávez ist das fatal.


Der Kommentar basiert auf einer Veröffentlichung in der taz - die tageszeitung. Diese finden Sie hier.