El Salvador

El Salvador wird sozialdemokratisch

FMLN-Kandidat Mauricio Funes gewinnt Präsidentschaftswahl

Die Angstkampagne der rechten Regierung verfehlte ihr Ziel. Erstmals seit Ende des Bürgerkrieges 1992 erlebt El Salvador am Sonntag einen Machtwechsel. Nach Auszählung von 92 Prozent der Stimmen, lag die ehemalige Guerilla Nationale Befreiungsfront Farabundo Martí (FMLN) knapp, aber uneinholbar vorne. 51,27 Prozent der Wählerinnen und Wähler gaben dem populären FMLN-Kandidaten Mauricio Funes ihre Stimme. Rodrigo Ávila erreichte für die seit 20 Jahren regierende Nationalistische Republikanische Allianz (ARENA ) 48,73 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag nach vorläufigen Angaben der Obersten Wahlbehörde (TSE) bei etwa 61 Prozent, größere Unregelmäßigkeiten wurden bisher nicht bekannt.

Der noch amtierende Präsident Elias Antonio Saca muss die Präsidentenschärpe nun am 1. Juni dieses Jahres an Funes übergeben. Dieser hatte sich bereits nach Bekanntgabe erster Teilergebnisse zum Sieger erklärt. Stunden später erkannte Ávila die Niederlage an, gratulierte seinem Kontrahenten und kündigte eine "konstruktive und wachsame" Opposition an.

Wiederaufbau des Landes

Anhängerinnen und Sympathisanten der FMLN feierten den Erfolg als Aufbruch in eine neue Ära. "Von jetzt an beginnt ein neues Kapitel in der Geschichte El Salvadors", jubelte der künftige Vizepräsident Salvador Sánchez Cerén. "Wenn die Verwirklichung eines Regierungswechsel historisch ist, wird es auch meine Amtsführung sein", bestätigte Mauricio Funes das Urteil in seiner Siegesrede. Er sprach sich für ein friedliches Zusammenleben aller Salvadorianer und Salvadorianerinnen aus, bekräftigte aber, primär den unter Armut und Ausgrenzung leidenden Teil der Bevölkerung begünstigen zu wollen. Das politische und wirtschaftliche System solle jedoch bestehen bleiben. "Ich will eine dynamische, effiziente und wettbewerbsfähige Wirtschaft aufbauen", stellte Funes klar. Den privatwirtschaftlichen Unternehmen bot er eine Allianz an und stellte auch der ARENA einen Dialog in Aussicht.

So historisch der Erfolg der FMLN ist, so begrenzt dürfte ihr politischer Spielraum in den kommenden Jahren ausfallen. Zunächst wird El Salvador, das wirtschaftlich stark von äußeren Einflüssen abhängt, mit den Folgen der Wirtschaftskrise konfrontiert sein, die zu einem Rückgang von Investitionen und der privaten Geldsendungen aus dem Ausland führen dürfte. Das Wahlergebnis offenbarte zudem die hohe Polarisierung in der salvadorianischen Gesellschaft. Mit fast 50 Prozent der Stimmen im Rücken wird ARENA eine starke Opposition darstellen. Da die FMLN im Parlament nicht über die absolute Mehrheit verfügt, ist sie ohnehin auf Kompromisse angewiesen.

Mit dem Bürgermeisteramt in San Salvador gewann die ARENA im vergangenen Januar auch noch das wichtigste politische Amt außerhalb der Regierung. Jede kleine Änderung des Status Quo wird der ehemalige Journalist Funes darüber hinaus gegen die privaten Medien des Landes durchsetzen müssen, die sich in ihrer Mehrheit eindeutig FMLN-feindlich positionieren.

Außenpolitische Dimensionen

Bei den politischen Kräfteverhältnissen in El Salvador bleibt dem 49-jährigen, der sich bereits im Wahlkampf als Sozialdemokrat präsentierte, somit nichts anderes übrig, als Kompromissbereitschaft zu zeigen. Auch dem linken Flügel der Partei, der den Vizepräsidenten Sánchez Cerén stellt, dürfte klar sein, dass sie ohne Funes die Wahlen wohl nicht gewonnen hätten.

Die ARENA hatte gegen den angesehenen FMLN-Kandidaten ohne Guerilla-Vergangenheit wenig in der Hand, weswegen die Schmutzkampagne dieses Mal weitgehend ins Leere lief. Dennoch dürfte Funes zukünftige Politik die eigene Partei vor große Herausforderungen stellen. Viele an der FMLN-Basis stellen das bestehende politische und wirtschaftliche System radikal in Frage. Funes hingegen möchte punktuelle Reformen. Er wird sich also zwischen dem Druck aus den eigenen Reihen und einer starken rechten Opposition behaupten müssen.

Die USA verlieren im wirtschaftlich eng mit dem Norden verbundenen Zentralamerika nach Nicaragua und Honduras unterdessen erneut einen bedingungslos Verbündeten. Auch wenn Funes betonte, an den guten Beziehungen zum nördlichen Nachbarn festhalten zu wollen, besteht nun die Chance zu einem Ausbau der bisher spärlichen Beziehungen zu anderen zentralamerikanischen und südamerikanischen Ländern.

Der venezolanische Präsident Hugo Chávez kündigte in seiner TV-Sendung "Aló Presidente" am gestrigen Sonntag bereits an, die Beziehungen zu El Salvador unabhängig vom Wahlausgang ausbauen zu wollen. Mit dem noch amtierenden Präsidenten Saca sei die nicht möglich gewesen, da er "Druck aus Washington erhielt". Chávez äußerte sich auch zum Wahlkampf der ARENA. Diese hatte die FMLN teilweise als Marionette von ihm dargestellt und unbelegte Behauptungen über Wahlkampffinanzierung aus Venezuela aufgestellt. "Bis heute habe ich mich nicht einmal zum Thema der Wahlen in El Salvador geäußert, aber dort gelte ich als dritter Kandidat", sagte Chávez. Diese Strategie der Rechten sei "dumm und absurd".