Auf den ersten Blick klingt die Argumentation der Regierung Chávez bestechend: Wie in Europa soll auch in Venezuela der Staat das Recht haben, über Sendefrequenzen für Fernsehsender zu entscheiden und privaten Medienunternehmen Lizenzen auch einmal nehmen können. Das Aus für RCTV folge dieser Logik. Ein seichter Unterhaltungskanal, zudem Sprachrohr der rechten Opposition, wird angeblich durch einen öffentlichen Fernsehsender à la BBC ersetzt.
Leider ist das nicht einmal die halbe Wahrheit. Denn schon seit Jahren erweisen sich die Medienmacher um Hugo Chávez als unfähig, den kommerziellen Telenovela-Sendern in Venezuela eine vernünftige Alternative entgegenzusetzen. Der staatliche Kanal acht ist politisch genauso einseitig wie seine privaten Pendants. Von Regierungsbürokraten bevormundet wird auch der staatliche geförderte "Basiskanal" Vive TV. Gute Unterhaltungssendungen sind auf beiden Mangelware. Wäre die Entscheidung gegen die Erneuerung der Lizenz für RCTV nach einer breiten, kontrovers geführten Debatte über Kultur und Kommerz in einer öffentlich kontrollierten Medienlandschaft gefallen - es wäre womöglich wenig gegen sie einzuwenden. Doch da sie in bekannter Manier von Chávez angeordnet und von seinen Gefolgsleuten umgesetzt wurde, schadet sie tatsächlich der Pressefreiheit. Und damit der bolivarischen Revolution selbst.
Chance auf Erfolg hat ein "Sozialismus des 21. Jahrhunderts" nämlich nur, wenn das Recht auf die Äußerung abweichender, selbst reaktionärer Meinungen erhalten bleibt. So jedoch werden die Medienmacher jeglicher Coleur eingeschüchtert und zu Selbstzensur getrieben. Oder zu Stillhalteabkommen mit der Regierung, wie sie Medienzar Gustavo Cisneros und andere bereits praktizieren. In dem Maße, wie der Spielraum für Kritik an den Mächtigen geringer wird, wuchern Willkür und Korruption weiter. Venezuela ist einer medialen Gleichschaltung nähergerückt, die fatal an die real gescheiterten Sozialismen des 20. Jahrhunderts erinnert.