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Auseinandersetzung um Medien- und Kommunikationsgesetz in Ecuador geht in die nächste Runde

Der Versuch der rechten Regierung, das fortschrittliche Kommunikationsgesetz der "Bürgerrevolution" zu kippen, ist vorerst gescheitert

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Eine Mehrheit im Parlament stimmt für die Reform des bestehenden Kommunikationsgesetzes und gegen den Entwurf der Regierung Lasso
Eine Mehrheit im Parlament stimmt für die Reform des bestehenden Kommunikationsgesetzes und gegen den Entwurf der Regierung Lasso

Am 21. Juli 2022 stimmte Ecuadors Parlament über weitreichende Änderungen an der Gesetzgebung zu Kommunikation und freier Meinungsäußerung ab. Mit 75 Stimmen dafür, 21 dagegen und 30 Enthaltungen fand das von der linken Oppositionspartei Unes und des regierungskritischen Teils von Pachakutik unterstützte Minderheitsvotum aus der Kommission für Internationales und Mobilität eine Mehrheit im Plenum.

Marcela Holguín (Unes), eine der Proponentinnen machte deutlich, dass man es nicht wie von der Regierung unter Präsident Guillermo Lasso vorgesehen, mit einem neuen Gesetz zu tun habe, sondern mit einer Reform des bestehenden Kommunikationsgesetzes.

Zuvor hatten die Verbündeten der Regierung Lasso die Mehrheit im Parlament verfehlt, so dass über das Minderheitsvotum abgestimmt wurde. Über Twitter verlautbarte das Kommunikationssekretariat bereits die nachdrückliche Ablehnung der Regierung.

Der Fokus des von Lasso vorgelegten Entwurfs für das "Gesetz zur Meinungsfreiheit" lag auf der Selbstregulierung der Medien, berichtet die ecuadorianische Zeitung El Universo noch vor der zweiten Lesung. Der Staatssekretär für Kommunikation Eduardo Bonilla betonte, es sei das Ziel der Regierung, die Meinungsfreiheit zu stärken. Der regierungstreue Entwurf erhielt aber nur 55 Stimmen.

Der Soziologe und Medienexperte Hernán Reyes verfolgte Lassos Gesetzesvorhaben von Beginn an kritisch.

Bereits einen Tag nach seiner Amtsübernahme am 25. Mai 2021 habe Lasso eine Reform des Kommunikationsgesetzes vorgelegt. Ziel des schlecht vorbereiteten und diffusen Textes sei es gewesen, ein in der Praxis unwirksames Gesetz zu beschließen, erklärt er gegenüber amerika21. Hintergrund sei das Wahlversprechen gewesen, das Kommunikationsgesetz ersatzlos zu streichen. Dies sei nicht möglich, da die Verfassung ein solches Gesetz ausdrücklich vorschreibt.

Ziel des 2013 verabschiedeten Kommunikationsgesetzes war es in erster Linie, die Macht von Medienunternehmen zu beschneiden. Private Medienkonzerne und Oppositionspolitiker hatten das Gesetz der damals regierenden "Bürgerrevolution" von Beginn an bekämpft und als Gefahr für die Pressefreiheit bezeichnet. In ihrer Kritik wurden sie offen von der US-Botschaft in Ecuador unterstützt. Auch Reporter ohne Grenzen und die Interamerikanische Menschenrechtskommission äußerten sich kritisch.

 Soziale Bewegungen feierten hingegen das "Recht auf Kommunikation" (amerika21 berichtete). Mit dem Kommunikationsgesetz waren Vorgaben der 2008 in einer Volksabstimmung beschlossenen Verfassung nach zähen Debatten umgesetzt worden.

Heute wird das 2013 erlassene Kommunikationsgesetz kaum angewendet, da die Regierung die entsprechenden Bestimmungen außer Kraft gesetzt hat. Dennoch könnte es einer zukünftigen Linksregierung als Grundlage einer progressiven Medienpolitik dienen.

Mit dem Vorhaben, jene staatlichen Institutionen aufzulösen, die potenziell zu einer Demokratisierung der Kommunikation beitragen können, ist Lasso vorerst gescheitert. Ein konkretes Ziel Lassos war es auch, den ebenfalls 2013 geschaffenen Kommunikationsrat aufzulösen. Diesem Ansinnen hat sich das Parlament nun mehrheitlich entgegengestellt.

Bereits 2019 hatte das Parlament für die Initiative des damaligen Präsidenten Lenín Moreno für weitreichende Änderungen am Kommunikationsgesetz gestimmt. Die Definition von Kommunikation als Öffentliche Dienstleistung wurde zurückgenommen. Auch entfiel eine Reihe von Regulierungen und Prinzipien, zu deren Einhaltung die Medien bisher verpflichtet waren. Dazu gehörten die Verpflichtung, über Ereignisse von öffentlicher Relevanz zu berichteten, ebenso wie die Möglichkeit Betroffener, die Berichtigung von Falschmeldungen einzufordern.

Die Medienaufsichtsbehörde (Supercom) wurde aufgelöst. Diese von Carlos Ochoa geleitete Behörde verfügte über weitreichende Sanktionsmöglichkeiten.

Medienexperte Reyes macht aus seiner Kritik an der Rolle der Medienaufsichtsbehörde während der Bürgerrevolution indes kein Geheimnis. "Die Medienaufsicht hat häufig eher wie ein politischer Arm der Regierung agiert, als ihrer Rolle als Aufsichtsbehörde gerecht zu werden", erklärt er gegenüber amerika21. Zwar sei unbestreitbar, dass die sanktionierten Medien auch tatsächlich wiederholt gegen das Gesetz verstoßen hätten, das Vorgehen der Behörde sei aber häufig einer politischen Agenda im Sinne der Regierung gefolgt.

Dass regierungskritische Medien während der Amtszeit von Präsident Rafael Correa kaltgestellt worden seien, weist Reyes hingegen entschieden zurück. In Zeiten geschwächter politischer Parteien hätten die Privatmedien vielmehr immer offensichtlicher ihre Rolle als Sprachrohr der Opposition gegen die Bürgerrevolution eingenommen.

Scharfe Kritik und investigative Recherchen hat Lasso von den Privatmedien des Landes indes nicht zu befürchten.

"In der Praxis erfüllen die Privatmedien ihre Kontrollfunktion gegenüber den faktischen Machtzentren des Landes nicht. Sie agieren weiterhin als politische Akteure und sind Teil des Machtblocks, zu dem auch die Regierungen Moreno und Lasso gehören", gibt Reyes zu Protokoll.

Während der Protestwellen und Streiks gegen die Regierung Moreno im Oktober 2019, ebenso wie während der Proteste gegen die Lasso-Regierung im Juni 2022 haben sich die Privatmedien als Lautsprecher der jeweiligen Regierung hervorgetan. So wurde etwa die aus der Luft gegriffene Behauptung Lassos, dass die Proteste durch Drogenhändler finanziert worden seien, ungeprüft wiederholt. Dadurch wurde der Kriminalisierung der sozialen Proteste Vorschub geleistet.

Der bestehenden Gesetzgebung zum Schutz vor Diskriminierung zum Trotz, wurden von Regierungsseite und nahestehenden Medien rassistische Stereotype verbreitet, um die Proteste zu diskreditieren.

Aus den Reihen von Pachakutik und Unes gab es bereits in der ersten Lesung scharfe Kritik an dem Gesetzesvorhaben der Regierung. Nicht das Versprechen der Regierung Lasso, dass kein Kommunikationsmedium und kein Journalist mehr wegen Meinungsäußerungen und Kritik gegen Staat und Regierung belangt werden könne steht aus dieser Perspektive im Zentrum, sondern dass der Regierungsentwurf dem Missbrauch der weiterhin stark konzentrierten Medienmacht Vorschub geleistet hätte.

In ihrer Rede betonte die Unes-Abgeordnete Paola Cabezas, dass die Regierung gemeinsame Sache mit den Medienkonzernen mache. Das Gesetz leide an schwerwiegenden konzeptuellen Widersprüchen, wodurch das Recht der Bevölkerung auf Kommunikation in der Praxis unterlaufen werde. "Das Einzige was erreicht werden wird, ist, das Publikum ohne Schutz zu lassen, und mit dem Publikum ist das ecuadorianische Volk gemeint, die Bürger des Landes".

Durch die Zustimmung zum Entwurf der Opposition wird nun gewährleistet, dass sich Bürgerinnen und Bürger auch gegen falsche Behauptungen und Verleumdungen durch Medien wehren können. Ihre Rechte sollen zukünftig durch den Ombudsmann durchgesetzt werden. Die in der Verfassung verankerten Rechte auf Ansehen und Ehre bleiben geschützt.

Während die Zensur von Medien klar untersagt bleibt, können Journalisten und Medien bei Rechtsverstößen haftbar gemacht werden. Marcela Holguín wandte sich deutlich gegen Vorwürfe, dass es sich um ein Maulkorbgesetz gegen kritische Medien handele. Vielmehr sei es das Ziel der nun verabschiedeten Reform, in Zukunft weniger juristische Prozesse zu führen und dafür verstärkt auf Fortbildungen zu setzen.

Das im Kommunikationsgesetz 2013 enthaltene Ziel, die Lizenzen je zu einem Drittel an kommunitäre, private und öffentliche Medien zu vergeben, bleibt bestehen. Dem ist man jedoch bereits während der Bürgerrevolution kaum nähergekommen. "Lenín Moreno hat die bereits begonnenen Vergabeprozesse dann mit dem Ziel gestoppt echte Fortschritte zu verhindern, so dass heute immer noch etwa 90 Prozent der Sendefrequenzen in Hand der Privatmedien sind", kritisiert Reyes.

Der nun im Plenum verabschiedete Minderheitenbericht plädiere klar für eine Demokratisierung der Kommunikation durch eine gerechtere Verteilung der Frequenzen zugunsten von kommunitären und alternativen sowie öffentlich-rechtlichen Medien, erklärt Reyes nach dem Parlamentsbeschluss. Die Notwendigkeit aktiver Fördermaßnahmen zur Unterstützung von Bürgermedien aus benachteiligen Gemeinden, Gemeinschaften, Völkern und Nationalitäten wird betont.