Staatliche Universitäten in Guatemala besetzt

Studierende kämpfen gegen geplante Privatisierung. Forderung nach mehr Mitbestimmung und Rücknahme von Gebührenerhöhungen

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Studierende in Guatemala wehren sich gegen Privatisierung: "Die Bildung des Volkes wird nicht verkauft, sie wird verteidigt"
Studierende in Guatemala wehren sich gegen Privatisierung: "Die Bildung des Volkes wird nicht verkauft, sie wird verteidigt"

Seit dem 1. August sind die staatlichen San Carlos-Universitäten (Universidad de San Carlos de Guatemala, USAC) im ganzen Land besetzt. Hintergrund sind drastische Erhöhungen der Gebühren. Studierende befürchten damit einen Schritt in Richtung der Privatisierung der öffentlichen Universität.

Interview mit Rolando, Carlos und Antonio* vom Colectivo Estudiantes Cunoc. Sie halten zusammen mit anderen die staatliche San Carlos-Universität in Quetzaltenango besetzt.

Was sind die Gründe für die Besetzung der Universität?

Rolando: Die Gründe sind vielfältig, ein zentraler Punkt ist aber die geplante Privatisierung der San Carlos Universität, der einzigen öffentlichen Universität. Die Universitätsleitung hat eine Erhöhung der Gebühren für jedes Examen von 50 auf 100 Quetzales beschlossen und die Kosten für notwendige Kurse vor Beginn des Studiums von 350 auf 1.000 Quetzales pro Kurs erhöht. Wenn man zum Beispiel fünf Kurse machen muss, sind das 5.000 Quetzales. Viele Studenten haben nicht die Möglichkeit, das zu bezahlen.

Carlos: Ein anderer Punkt ist ein Abkommen der Universitätsleitung mit der Industriekammer, dass Praktika in privaten Firmen gemacht werden sollen. Zum Beispiel werden Medizinstudenten dann ihre Praktika nicht mehr in öffentlichen Gesundheitseinrichtungen auf dem Land machen, wo der Bedarf am größten ist, sondern etwa im privaten Krankenhaus hier in Quetzaltenango.

Wie ist die Situation der Besetzer und was sind ihre Forderungen konkret hier für Quetzaltenango?

Rolando: Die Besetzung der San Carlos Universität hier in Quetzaltenango ist Teil des Kampfes, der Besetzungen überall im Land. Wie gesagt die zentrale Forderung ist das Nein zur Privatisierung, als Regional größtes Universitätszentrum sind wir an der Seite des Kampfes an der Universität in der Hauptstadt.

Wir in Xela haben noch eine Reihe Forderungen, zum Beispiel nach einer besseren Qualifizierung der Dozenten. Viele Dozenten unterrichten nicht in ihrem Fachgebiet und sind nicht ausreichend vorbereitet für ihren Unterricht. Des Weiteren fordern wir die Schaffung weiterer Studiengänge, zum Beispiel Fächer wie Geschichte, Sozialwissenschaft oder Politik fehlen hier völlig, dabei ist die Universität in Xela die zweitgrößte im Land.

Carlos: Auch wollen wir bessere Mitbestimmung etwa in der Frage der Universitätsleitung. Der aktuelle Rektor für Quetzaltenango ist seit acht Jahren Rektor, aber er wurde nie von den Studierenden gewählt.

Gibt es Unterstützung aus der Bevölkerung?

Rolando: Ja, es gibt viel Unterstützung, viele Personen solidarisieren sich, kommen hier an das Tor der Universität und bringen Lebensmittel vorbei. Die Mehrheit der Studierenden und auch der Dozenten unterstützt den Kampf, nicht alle, aber die große Mehrheit. Es gibt Veranstaltungen, Foren und Kulturveranstaltungen hier vor den Toren der besetzten Universität.

Und die Untersützung von Organisationen?

Rolando: Auch die ist gut, allen voran die Gewerkschaft der Arbeiter der Universität unterstützt uns sehr. Ein Vertreter des Menschenrechtsobmannes für Guatemala war die ersten Tage der Besetzung hier vor Ort und hat uns unterstützt.

Wie sehen Sie die Situation der Privatisierungen in Guatemala generell?

Carlos: Die Privatisierung der Bildung, Gesundheit etc. ist eines der zentralen Geschäfte heute in Guatemala. Seit Jahren betreiben alle Regierungen diese Politik. Die öffentliche Bildung und Gesundheit wird seit Jahren nicht mehr verbessert, um dann die Privatsierung als angeblichen Ausweg zu präsentieren. Neben großen Teilen in diesen beiden Bereichen ist auch die Strom- und Wasserversorgung seit langem privatisiert. Jetzt geht es um die staatlichen Universitäten, aktuell die Gebührenerhöhung und in ein paar Jahren dann wahrscheinlich die vollständige Privatisierung.

Gibt es Gespräche mit der Universitätsleitung und wie lange wollen Sie die Proteste fortsetzen?

Antonio: Wir setzen die Proteste fort, bis die Universitätsleitung die Gebührenerhöhung zurücknimmt. Bisher gab es keine direkten Gespräche, für die kommende Woche ist aber eines geplant.

Gibt es Repression gegen Sie, Drohungen von Seiten der Polizei?

Rolando: Bisher gab es keine Drohungen oder Konfrontrationen von Seiten der Polizei oder der Armee. Die San Carlos Universität hat einen Automiestatus und ist öffentliches Eigentum, das jetzt auf Beschluss der gewählten Gremien der Studierenden besetzt wurde. Zur Zeit versuchen sie eher, uns mit Desinformation zu schaden und auseinanderzubringen, aber das wird ihnen nicht gelingen, täglich sind wir besser organisiert.

Antonio: Aber wir kennen natürlich die Geschichte unseres Landes, wir wissen wie viele politisch aktive Studenten während des Bürgerkrieges ermordet wurden. Daher treten wir in der Öffentlichkeit zur Zeit auch nur maskiert auf. Die Repression in der Vergangenheit hat auch die Privatisierung gefördert, viele Leute hatten Angst vor der Repression und haben es deshalb vorgezogen, an einer privaten Universität zu studieren.

*alle Namen geändert