Was steht bei den Wahlen in Ecuador auf dem Spiel?

Die Entwicklung nach der aktuellen Amtszeit von Präsident Rafael Correa wird Auswirkungen auf die gesamte Region haben

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Plakate aus dem Wahlkampf in Ecuador
Plakate für die Kandidaturen von Lenin Moreno, Cynthia Viteri und Guillermo Lasso aus dem Wahlkampf in Ecuador

In Ecuador wird das Wahljahr 2017 in Lateinamerika und der Karibik eingeleitet: Am kommenden 19. Februar werden dort Präsidentschaftswahlen stattfinden, die für die gesamte Region von entscheidender Bedeutung sind.

Der "Correismus" – wie die von Präsident Rafael Correa1 angeführte Bewegung wegen der erreichten Veränderungen im Leben von Millionen Menschen gemeinhin genannt wird – vertreten vom Doppelgespann Lenín Moreno 2 und Jorge Glas3, setzt auf die Kontinuität der "Bürgerrevolution", die seit Januar 2007 von der Regierung aus einen wahren Epochenwandel eingeleitet hat.

Am 3. Januar begann die Wahlkampagne. "Die Zukunft ist nicht aufzuhalten", lautet die Hauptparole von Moreno und legt damit besonders Wert auf die Errungenschaften des "gewonnenen Jahrzehnts". Diese Formulierung stammt aus Argentinien und beschreibt dort die Errungenschaften unter der Regierung von Cristina Fernández de Kirchner.

Die gegen Rafael Correa gerichtete konservative Opposition schmückt sich derweil mit der Idee des "Wandels", inspiriert durch die Kampagne von Macri4 , der die Stichwahl erzwang und die Wahl unter dem Motto von "Verändern wir" und vagen Versprechungen gewann, die in einem Jahr Regierungszeit nicht erfüllt worden sind. So nutzt der Banker Lasso5 den nicht sehr kreativen Slogan "Machen wir uns auf für den Wandel", während Viteri6 von einem "positiven Wandel" spricht. Wie man sieht, "argentinisiert" sich die Kampagne, kaum dass sie begonnen hat.

Das Ziel des Correismus ist konkret: Moreno soll über 40 Prozent und einen Abstand von zehn Prozentpunkten zu seinem nächsten Gegner erreichen, um eine Stichwahl zu verhindern.

Dieses Szenario ist mögliches, betrachtet man das positive Image des ersten Vizepräsidenten Correas und der Regierungsführung der Bürgerrevolution, dazu genommen noch die wachsende Zersplitterung der Opposition. Fürs Erste und über die Parolen hinaus stützt sich die Opposition einzig auf das Anprangern von Korruptionsfällen – Petroecuador7 und Odebrecht8 – welche die Regierung selbst schon festgestellt hatte. Der Fall des brasilianischen Bauunternehmens, der die regionale Politik erschüttert, ist der sinnbildlichste, um dies zu erläutern: Die Alianza País- Regierung hat Odebrecht im Jahr 2008 des Landes verwiesen, dies war der einzige konkrete Präzedenzfall in Lateinamerika. Was Petrorcuador angeht, war Correa sehr überzeugend und entschieden: "Das Land kann sicher sein, dass diese Korruption niemals geduldet wird. Hier wird es weder Straflosigkeit noch Vergebung oder Vergessen geben, mit den Ressourcen des Volkes kann nicht gezockt werden."

Sowohl Alianza País wie auch ihre Verbündeten in der Vereinten Front sind mit einer komplexen Herausforderung in der aktuellen Regionalpolitik konfrontiert: eine sorgfältige und effiziente Nachfolge im Rahmen der national-populären, progressiven und linksgerichteten Regierungen in der Region zu erreichen, unter der Prämisse, ohne ihren wichtigsten politischen Anführer und Kader, Rafael Correa, an die Urnen zu gehen. Die Erfahrungen in Brasilien und Argentinien zeigen die konkreten Schwierigkeiten, die am meisten geschätzten Personen dieser politischen Räume zu ersetzen. Bolivien versucht dies zu vermeiden, indem Evo Morales Ayma 2019 erneut aufgestellt werden soll, wie der Kongress der Bewegung zum Sozialismus kürzlich entschieden und vier konkrete Möglichkeiten dafür erörtert hat.

Ein Sieg des Correismus im ersten Wahlgang könnte eine Neubelebung des kontinentalen national-populären, progressiven und linksgerichteten Raumes nach zwei Jahren bedeuten, in denen die Rechte auf allen möglichen Wegen wieder die Initiative ergriffen hat, einschließlich eines institutionellen Putsches in Brasilien. Cristina, Lula9 und Lugo10, drei Ex-Präsidenten, die in ihren Ländern immer noch eine hohe Akzeptanz in der Bevölkerung genießen, hoffen auf gute Nachrichten vom Correismus: dieser kontinentale Raum muss einen raschen Wahlsieg vorweisen, als Form der Repositionierung gegenüber der laufenden konservativen Restauration. Weiter im Norden haben Danilo Medina (Dominikanische Republik)11 und Daniel Ortega (Nicaragua)12 dies unlängst bereits getan.

Macri und Temer13 wünschen sich derweil sehnlich eine erzwungene Stichwahl, die zu einer größeren Unsicherheit mit einer stärkere Polarisierung angesichts einer eventuell zweiten Wahlrunde führen könnte. Die Erklärungen von Viteri bezüglich eines möglichen Ausstiegs Ecuadors aus der Bolivarischen Allianz (Alba), falls er siegreich wäre, zeigen, dass es um antagonistische Projekte der regionalen Integration geht, so wie es auch in der Innenpolitik ist.

Wird Correa die Ausstrahlung bringen, die Alianza País in einem einzigen Wahlgang den Sieg ermöglicht? Werden Lasso oder Viteri es schaffen, eine Stichwahl zu erzwingen, was heute schwierig erscheint, aber, wenn es vollbracht würde, die Situation verändern könnte? Dies sind die beiden Fragen, die sich heute viele Analysten rund um das mögliche Ergebnis dieses Schlagabtausches machen, der von entscheidender Bedeutung sein wird. Derweil wird der Wahlkampf im verbleibenden Monat in der gesamten Region aufmerksam verfolgt.

  • 1. Der Wirtschaftswissenschaftler und linksgerichtete Politiker Rafael Correa war im November 2006 zum Präsidenten von Ecuador gewählt worden. Im April 2009 wurde er mit 51,99, im Februar 2013 mit 56, 9 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt. Eine erneute Kandidatur ist derzeit laut Verfassung nicht möglich. Zwar hat das Parlament im Dezember 2015 mit einer Verfassungsänderung die unbegrenzte Wiederwahl des Präsidenten, Vizepräsidenten und anderer Mandatsträger ermöglicht, es gilt aber eine Übergangszeit bis nach den Wahlen 2017. Diese Regelung hatte Correa selbst vorgeschlagen
  • 2. Lenín Moreno war von 2007 bis 2013 Vizepräsident Ecuadors. Anschließend war er als Sondergesandter für Behindertenpolitik und Barrierefreiheit der Vereinten Nationen tätig. Er ist Gründungsmitglied des Regierungsbündnisses Alianza País
  • 3. Jorge Glas ist derzeit Vizepräsident von Ecuador. Zuvor war er u.a. Minister für Telekommunikation und Informationsgesellschaft
  • 4. Der neoliberale Kandidat Mauricio Macri gewann im November 2015 die Stichwahl um das Präsidentenamt in Argentinien gegen Daniel Scioli von der peronistischen Frente para la Victoria (FpV). Macri trat für das konservative Bündnis "Cambiemos" (Verändern wir) an
  • 5. Guillermo Lasso ist Vorsitzender der neoliberalen Bewegung "Chancen schaffend" (CREO) und trat bereits bei den Präsidentschaftswahlen 2013 als Kandidat an
  • 6. Cynthia Viteri kandidiert für die Christlich-Soziale Partei (PSC). Sie unterhält enge Beziehungen zur Opposition gegen die sozialistische Regierung in Venezuela
  • 7. Nach Enthüllungen durch die Panama Papers stellte die Regierung Correa rasche Nachforschungen an und überführte eine Reihe von hohen Politikern der Opposition, aber auch aus den Reihen der Regierung der Korruption und Steuerhinterziehung. Im Zentrum der Verfahren steht eine Gruppe von Funktionären der staatlichen Erdölgesellschaft Petroecuador, die mit der ebenfalls staatlichen Raffinerie Esmeraldas zusammenhängt. Offenbar hat der frühere Direktor von Petroecuador, Alex Bravo, hohe Bestechungsgelder erhalten und über Konten der Raffinerie an andere Kollegen weiterverteilt. Bravo fungierte als eine Art "Schatzmeister" der Korruption, wie Correa erklärte. Nun ist er wegen Steuerhinterziehung und Vorteilsnahme im Amt angeklagt. Ein weiterer Angeklagter ist der frühere Energieminister Carlos Pareja Yanuzelli
  • 8. Das größte Bauunternehmen Lateinamerikas, Odebrecht, steht derzeit im Zentrum eines internationalen Bestechungsskandals: Das in 30 Ländern tätige Unternehmen soll ab 2001 in insgesamt zwölf Staaten von Angola bis Venezuela Regierungsmitarbeitern Schmiergelder bezahlt haben. An die 100 Projekte habe man sich auf diesem Weg gesichert. Ecuador hatte Odebrecht bereits 2008 wegen Unregelmäßigkeiten, schlechten Verhaltens und struktureller Fehler beim Bau eines Wasserkraftwerks des Landes verwiesen. Präsident Correa hatte damals eigens ein Dekret zu diesem Zweck erlassen. 2010 zahlte das Unternehmen 40 Millionen US-Dollar Kompensation die für beim Bau des Kraftwerks begangene Fehler
  • 9. Luiz Inácio Lula da Silva war von 2003 bis 2011 Präsident Brasiliens, eine erneute Kandidatur steht im Raum
  • 10. Fernando Lugo war vom 15. August 2008 bis zu seiner Absetzung durch das Parlament am 22. Juni 2012 Staatspräsident von Paraguay und plant eine erneute Kandidatur bei den Wahlen 2018
  • 11. Danilo Medina wurde am 15. Mai 2016 zum Präsidenten der Dominkanischen Republik wiedergewählt
  • 12. Daniel Ortega wurde am 6. November 2016 erneut zum Präsidenten von Nicaragua gewählt
  • 13. Michel Temer, seit dem parlamentarischen Putsch im August 2016 gegen Dilma Rousseff De-facto-Präsident Brasiliens
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