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Kuba und Fidel Castro: "Spätestens 2018 muss sich eine neue Generation beweisen"

Der Historiker Michael Zeuske über Kuba, Fidel Castro und die bisherige Bilanz der Kubanischen Revolution

Herr Zeuske, in den vergangenen Jahren hieß es immer mal wieder, Fidel Castro sei gestorben. Die Nachricht war immer falsch. Nun ist der Revolutionsführer im Alter von 90 Jahren tatsächlich tot. Wird sein Ableben die Geschicke des Landes verändern?

Ich will zunächst sagen, dass ich um Fidel Castro trauere. Auf Kuba wird sich kurzfristig politisch nichts ändern. Was längerfristig passiert hängt eher von der Ökonomie, vom Geschick Raúl Castros in Bezug auf die Reformen ab und natürlich von den USA – und da sind wir ja alle nicht sehr optimistisch.

Dennoch hieß es lange Zeit, nach Fidel Castro werde sich Kuba verändern. Wie ist der Übergang nach 2006 gelungen, als sich der Revolutionsführer aus der aktiven Politik zurückzog?

Auch wenn es viele, die vorschnell "Diktator" rufen, es nicht gerne hören: Das von Fidel Castro geschaffene Herrschaftssystem ist bemerkenswert flexibel angesichts der vielen Jahrzehnte Feindschaft der mächtigsten Macht der Welt – von Obama bekanntlich als "Fehler" bezeichnet. Zudem ist der Machtübergang zu Raúl Castro gut gelungen. Spannend wird es erst 2018, wenn überhaupt kein lider histórico, keine historische Führungspersönlichkeit mehr an der Macht ist. Dann muss sich eine neue Generation beweisen.

Fidel Castro war also bis zu seinem Tod weiter präsent und hatte Einfluss auf die Politik?

Ja, sicher, wieweit im Einzelnen muss durch Historisierung und Analyse des kubanischen Herrschaftssystems erforscht werden.

Mit einer 52-jährigen Amtszeit war Fidel Castro der am längsten regierende Staatschef der Welt. Wie hat dies die politische Kultur in Kuba bestimmt und wie wirkt diese epochale Herrschaft nach?

Es gibt das Beispiel eines lateinamerikanischen, wenn auch kleinen Landes, in dem eine soziale Revolution und ein Sozialstaat auch unter härtesten Bedingungen existieren und überleben können. Kuba ist sicherlich kein Wirtschaftsmodell im Lehrbuchformat der neoklassischen Wirtschaftswissenschaften, aber einen solchen langen Atem in grundlegenden sozialen Fragen kann man anderen Anführern und Rednern nur wünschen – und gut reden konnte Fidel Castro ja auch noch.

Welches moralische Erbe hinterlässt Fidel Castro?

Das mit Persönlichkeit, Charisma und Grundüberzeugung Politik über lange Zeit und unter härtesten Bedingungen gestaltbar ist. Ich wiederhole: gestaltbar. Und dass "soft power" und "das Beispiel soziale Revolution" extrem wirksam sein können.

Im politischen Kontext wird Castro entweder vergöttert oder verteufelt. Wie urteilt ein Historiker?

Ich kann es nur noch einmal sagen: Das von Fidel Castro und Raúl Castro sowie einer Reihe anderer Akteure geschaffene Herrschaftssystem muss historisiert werden und unter den konkreten historischen Umständen der jeweiligen Zeit beurteilt werden. Und unter unterschiedlichen Perspektiven, von denen die innerkubanische – von "oben" und "unten" – und die Perspektiven aus Lateinamerika sowie den USA, also aus den Amerikas, sicherlich die wichtigsten sind. Wichtig ist auch die Perspektive aus der nichteuropäischen Welt, etwa aus Südafrika, China, Russland, etc.

Erklärt sich so der generell unterschiedliche Blick auf die Person Fidel Castro von Lateinamerika und Europa aus?

Ja

Wird angesichts der Politisierung, aber auch des symbolischen Gewichts der historischen Persönlichkeit Castros eine vorbehaltslose Debatte um sein Lebenswerk möglich sein?

Sie wird nur schwer möglich sein, sondern von Interessen und vom Erfolg oder Misserfolg der Entwicklung auf Kuba geprägt sein. Obwohl sich die Berichterstattung fast wie auf Befehl nach der Obama-Annäherung im "Westen" verändert hat, sollte man den "Diskursen" privater Meinungsmacher wenig trauen.

Seiner berühmten Verteidigungsrede 1953 sagte Fidel Castro, die Geschichte werde ihn freisprechen. Lässt sich das Urteil bereits fällen?

Die Geschichte ist noch im Gange. Und verschärft sich zurzeit offensichtlich wieder.

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