Putschversuch in Ecuador (2)

Motivierte die Polizei der Schutz eigener Interessen oder eine antidemokratische Grundhaltung?

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Avenida Maria de Jesus: Die Bevölkerung harrt bis zur Befreiung Correas mit Barr
Avenida Maria de Jesus: Die Bevölkerung harrt bis zur Befreiung Correas mit Barrikaden und Feuern aus

Die offizielle Begründung der am 30. September 2010 in Ecuador gegen die Regierung von Präsident Rafael Correa putschenden Polizeieinheiten waren angebliche Kürzungen im öffentlichen Sektor. Hintergrund bildet hier das am Mittwoch zuvor verabschiedete Gesetz zur Neuregelung des öffentlichen Dienstes (Ley Orgánica de Servicio Público).

Konflikt und Darstellung

Die Fernsehkameras zeigten aufgebrachte Polizisten und Polizistinnen, die sich über die Kürzung ihrer Zuschläge beschwerten. Jeder zweite Satz enthielt aber unmittelbar ein “Abajo Correa” – nieder mit Correa.

In den westlichen Medien, bis hinein in linke Veröffentlichungen, wurden in den ersten Berichten über den Putschversuch, die opponierenden Polizeieinheiten als Höhepunkt einer Protestbewegung bezeichnet. Die Lage, so hieß es, sei spontan eskaliert. Das ist schlichtweg falsch. Es gab keine Protestbewegung. Weder gab es einen Vorlauf bei der Polizei, weder bei den Angestellten der Flughäfen noch sonstigen Sektoren des öffentlichen Dienstes.

Auch die partiellen Widersprüche in Bezug auf die Umgestaltung der Lehre, das Eingreifen in das bisherige System der Universitäten, hat mit dem neu verabschiedeten Gesetz zur Neuregelung des öffentlichen Dienstes reichlich wenig zu tun.

Der Disput um das neue Gesetz

Das Ley Orgánico de Servicio Publico ist Teil eines Gesamtprozesses der Umgestaltung des Verwaltungsapparates, das darauf abzielt, einerseits Transparenz herzustellen, die Löhne andererseits zu heben und anzugleichen. Auch die Korruption soll durch diese Maßnahmen zurückgedrängt werden. Über Jahrzehnte durch Vetternwirtschaft und mangelnde Bezahlung entstandene Privilegien sollen abgeschafft werden. Sie waren Ergebnis eines korrupten Staatsapparates, der untransparent und unverantwortlich mit seinen eigenen Angestellten umgegangen ist.

In Bezug auf die 42.000 Polizisten und Polizistinnen, deren Arbeitstätten parallel zu denen des Militärs und der Feuerwehr neu strukturiert werden soll, bedeutet dies die Abschaffung von Sonderzuschlägen. Betroffen sind “Weihnachtskörbe” und Spielzeugzuschläge für die Kinder der Sicherheitskräfte.

Dies geschieht vor dem Hintergrund einer im Schnitt 102-prozentigen Steigerung der Einkommen von Militär, Feuerwehr und Polizei seit 2006. Während ein in den Dienst eingetretener Polizist als Grundgehalt 160 Dollar erhielt und der Durchschnittsverdienst 2006 bei 355 Dollar lag, verdienen Polizistinnen und Polizisten heute im Durchschnitt 886 Dollar. Die höheren Ränge sind hier nicht mit eingerechnet, sie verdienen wesentlich mehr. Der gesamte Polizeiapparat wurde zudem erneuert. Das reicht vom Fuhrpark, über Kleidung, Büroausstattung, Einführung moderner Computersysteme und neuen Waffen. Insgesamt wurden in den letzten vier Jahren 114 Millionen US-Dollar in den Polizeiapparat investiert.

Hinzu kommen zweifelhafte Privilegien. Zieht ein Beamter um, garantiert ihm der Staat eine Wohnung und Unterstützung für die gesamte Familie. Auch in Fällen von Ermittlungen gegen Polizeibeamte wegen Übergriffen oder juristischer Vergehen, wird ihnen ein bezahlter Anwalt zur Verteidigung zur Verfügung gestellt. Angesichts bestehender Korruption und mangelndem demokratischen Bewusstsein sind al dies höchst zweifelhafte Privilegien.

Kaum eine andere Berufsgruppe ist in den letzten Jahren derart privilegiert behandelt worden. Unterm Strich wurde nicht nur strukturell zugelegt, sondern das individuelle Einkommen verdoppelt und das System der undurchsichtigen so genannten Zulagen abgeschafft.

Wie erklärt sich der Widerstand?

Rafael Correa sprach in seiner Ansprache am Samstag von einer “grupo malo”, einer “bösen Gruppe” innerhalb der 42.000 Polizisten. Er hob hervor, dass 99 Prozent der Polizei aus guten Beamten bestünde und lediglich ein Prozent als regierungsfeindlich einzustufen sei. Während des Putschtages habe er die aufgebrachten Polizisten immer wieder gefragt, ob sie denn das Gesetz kennen und gelesen hätten. Sie hatten es nicht gelesen, so die einheitliche Antwort. Für Correa ein Beleg der Manipulation.

Auch wenn Correa von der Beteiligung von Polizeieinheiten, Militäreinheiten und Akteuren aus rechten Kreisen um dem Ex-Präsidenten Lucio Gutiérrez sowie ausländischen Unterstützern sprach, erklärt dies nicht vollständig die Haltung der aggressiv auftretenden Polizei.

Es ist vielmehr davon auszugehen, dass eine entsprechende sozialpolitische Haltung im Polizeiapparat Hintergrund für die sinnfreie Interpretation des Gesetzes und das Einspannen in Putschpläne ist. Auf eben diese antidemokratische Grundhaltung und völlig fehlendes Unrechtsbewusstsein ist zurückzuführen, dass die überwiegende Mehrheit der Polizisten auf der Straße war. Auch die verinnerlichte Korruption dürfte ein wesentlicher Grund sein, das Gesetz kippen zu wollen –  trotz Verdoppelung des Gehaltes.

Eine derartige Aufrüstung des Polizeiapparates und seiner Infrastruktur ohne begleitende bildungspolitische Maßnahmen mit dem eindeutigen Ziel der Demokratisierung und der Schaffung eines anderen Bewusstseins im Sinne der “Revolucion Ciudadana” kann am Ende für die Regierung Correa selbst zum Stolperstein werden. Correa findet sich dann eben in jener Situation wieder, in der die von ihm zur Verfügung gestellten Waffen, gegen ihn gerichtet werden. Es ist also spätestens nach dem Putschversuch vom vergangenen Donnerstag an der Zeit, auch auf das Bewusstsein der Sicherheitskräfte einzuwirken.

Letzte Meldungen sprechen davon, dass die gesamte Führungsspitze, darunter sechs hohe Generäle der Polizei, abgesetzt wurden Die Staatsanwaltschaft ließ drei an dem Putsch beteiligte Oberste zunächst verhaftet. Alle drei gehören dem Regimiento Quito 1 an, in dem der Aufstand begonnen hat.