Kohle, Killer und Korruption

Kritische Rezension eines Briefes des Schweizer Bergbaukonzerns Glencore zu seinem Engagement in Kolumbien

ivan_glasenberg.jpg

Glencore-Chef Ivan Glasenberg (am Mikrophon), hier bei der Verleihung des Jahrespreises für "Unternehmerischen Mut" der Financial Times im März 2013
Glencore-Chef Ivan Glasenberg (am Mikrophon), hier bei der Verleihung des Jahrespreises für "Unternehmerischen Mut" der Financial Times im März 2013

Das Agieren der fünf multinationalen Bergbaukonzerne, in deren Händen sich der Steinkohleabbau in Kolumbien befindet, ist äußerst umstritten. Massenvertreibungen, Vorteilsnahme aus paramilitärischer Gewalt, die massive Ausbreitung von Atemwegserkrankungen, äußerst konfliktreiche Beziehungen zu Gewerkschaften sind nur einige der Probleme, die nationale und internationale Nichtregierungsorganisationen (NGO) und zum Teil auch staatliche Behörden in dem südamerikanischen Land den Konzernen vorwerfen.

Zu der Gruppe von Unternehmen gehört auch die Prodeco Group, eine Tochterfirma des Schweizer Unternehmens Glencore, der seit den Neunzigerjahren in Kolumbien tätig ist. Glencore ist laut Wikipedia die weltweit größte im Rohstoffhandel tätige Unternehmensgruppe und einer der weltweit größten Bergbaukonzerne.

Kurz nachdem amerika21 einen Beitrag über den kritischen Bericht der Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien (ask) und der kolumbianischen Organisation Pensamiento y Acción Social (Pas) "Shadow Report on the sustainibility of Glencores Operations in Colombia" veröffentlicht hatte, meldete sich der Schweizer Konzern, um "beide Seiten der Geschichte" zu beleuchten.

Der Bericht enthalte "eine Vielzahl von unrichtigen oder unvollständigen Informationen, die von den Autoren falsch interpretiert oder aus dem Kontext herausgenommen wurden", heißt es in dem an amerika21 gesendeten Schreiben. 

Die multinationale Bergbaufirma weist die Vorwürfe des "Schattenberichts" in Form von Antworten zurück, die sich an den fünf Kapiteln der Ask- und Pas-Studie orientieren. Das Schreiben fasst dabei eine längere, vom Konzern online gestellte spanische und englische Replik zusammen. 

Kapitel 1: Förderabgaben und Steuern

"Die Prodeco Group hat stets Förderabgaben und Steuern bezüglich jeder fälligen Konzession vollständig und im Einklang mit den anwendbaren kolumbianischen Gesetzen geleistet", schreibt Glencore in der deutschen Version. Staatliche und journalistische Quellen bestätigen jedoch die Vorwürfe von Ask und Pas zu den unkorrekten Zahlungen von Steuern und Förderabgaben. 

Beispielsweise fand die kolumbianische Rechnungsaufsichtsbehörde, dass allein im Jahr 2010 dem Staat Zahlungen von über 20,2 Milliarden Pesos aufgrund der Aufteilung des Betriebs eines Glencore-Abbauprojekts in drei Tochterfirmen entgingen: Carbones de la Jagua (CDJ), Consorcio Minero Unido (CMU) und Carbones El Tesoro (CET). Zusammen bauen sie im Departamento Cesar mehr als drei Millionen Tonnen Kohle ab. Oberhalb dieser Grenze muss eine Firma in Kolumbien per Gesetz zehn Prozent auf ihre gesamte Produktion als Förderabgabe zahlen. Produziert sie weniger als drei Millionen Tonnen, muss sie nur fünf Prozent zahlen, wie es CDJ, CMU und CET tun, weil ihr individueller Kohleabbau jeweils unter den drei Millionen Tonnen liegt.

Dabei handelte es sich in Wirklichkeit "um nur eine Firma", kritisiert der Gouverneur von Cesar, Luis Monsalvo. Alle hätten dieselbe Verwaltung, bezahlten Rechnungen mit denselben Bankkonten, teilten sich das Personal und die Betriebsausstattung. Doch gegen die Entscheidung des Arbeitsministeriums, sie zu einer Unternehmenseinheit zu erklären, hat Glencore Einspruch erhoben.

Allein die Anmeldung dieser Firmen als Teile einer Unternehmensgruppe, was eine andere Rechtsfigur als die Unternehmenseinheit ist, lief nicht einwandfrei. In seiner längeren Replik auf Seite sechs schreibt Glencore, sie hätten die Unternehmen als Gruppe "ordnungsgemäß" im Dezember 2011 angemeldet. Allerdings führte der Konzern die Registrierung erst durch, nachdem er eine diesbezügliche Anfrage von der Unternehmensaufsichtsbehörde bekommen hatte und mit circa einem Jahr Verspätung, das heißt ein Jahr nachdem CDJ, CET, CMU und Prodeco von der durch den Konzern geschaffenen Holding Damila S.A.S. gekauft wurden. Laut dem Gesetz hätte Glencore die Zusammengehörigkeit der Firmen und ihr Abhängigkeitsverhältnis von Damila innerhalb von 30 Tagen nach dem Kauf anmelden müssen. 

Glencore musste daraufhin eine Buße in Höhe von 500 Millionen Pesos (circa 200.000 Euro) zahlen.

Die Nichtanmeldung als Unternehmensgruppe hätte ein komplexes Manöver von Verkäufen, Wiederaufkäufen und künstlichen Verschuldungen vervollständigen können, das dem Konzern Steuern im Wert von 1,5 Milliarden US-Dollar gespart hätte, enthüllte die Zeitschrift Semana im Jahr 2013. 

Sprecher der Firma sagten gegenüber Semana damals, sie hätte sich "immer innerhalb des Gesetzes bewegt". Über diesen Vorfall sagte der Leiter der Steuerbehörde Juan Ricardo Ortega: "Es gibt Sachen, die legal sein mögen, aber unmoralisch sind. Sie haben in diesem Fall die kolumbianische Gesetzgebung missbraucht und die Frage ist, ob es richtig ist, alles zu tun, solange die anderen es nicht sehen".

Doch die Verantwortung für die unkorrekten Zahlungen von Steuern und Förderabgaben liegen nicht alleine beim Konzern, sondern oft bei den Behörden selbst. So haben im Jahr 2010 der Minister für Minen und Energie und zwei Funktionäre des geologischen Instituts auf Wunsch von Prodeco den Vertrag zum Abbau in der Mine Calenturitas in Cesar ohne Durchführung der vorgeschriebenen Untersuchungen geändert. Die Änderungen haben die Förderabgaben Prodecos für 2010 um 52 Milliarden Pesos gesenkt. Deshalb hat der kolumbianische Rechnungshof im Mai eine Buße von 60 Milliarden Pesos (circa 24 Millionen Euro) angeordnet, welche die drei Funktionäre und Prodeco gemeinsam zahlen mussten.

Bemerkenswert fand der Rechnungshof auch, dass zwischen 2008 und 2012 der von Prodeco bei der Exportbehörde angegebene Exportumsatz 65 Prozent des bei der Unternehmensaufsichtsbehörde deklarierten Bruttoumsatzes betrug. Beide Werte sollten jedoch gleich sein. Relevant für die Abrechnung der Umsatzsteuer ist allerdings der Exportumsatz. Eine andere Unstimmigkeit zwischen Steuererklärung und Bilanz fand der Rechnungshof bezüglich des Jahres 2010. In demselben Jahr hat Glencores Filiale Carbones de la Jagua (CDJ) bei der Steuererklärung um 20,1 Milliarden Pesos (circa acht Millionen Euro) höhere Umsatzkosten als bei der Unternehmensaufsichtsbehörde angegeben. Dies kann CDJ steuerliche Vorteile gebracht haben.

Kapitel 2: Arbeitsbedingungen

In dem deutschen Schriftstück versichert Glencore, die Prodeco Group gewährleiste den Arbeitsschutz der Mitarbeiter und Auftragnehmer und habe "strenge Richtlinien und Verfahren zur Risikobewertung und Risikomanagement an jedem ihrer Standorte". Im Juni 2014 verhängte das kolumbianische Arbeitsministerium jedoch Geldstrafen gegen zwei Glencore-Tochterunternehmen wegen Verstößen gegen die kolumbianischen Arbeitsschutzgesetze. So sind Carbones de la Jagua (CDJ) und Consorcio Minero Unido (CMU) aufgefordert worden, 277,25 Millionen bzw. 215,6 Millionen Pesos zu zahlen. Grund dafür seien die "nicht würdigen Bedingungen" unter denen die Angestellten der Firmen arbeiten müssten, wie der lokale Radiosender Radio Guatapurí informierte. Arbeiter mit gesundheitlichen Beschwerden seien "dem unbarmherzigen Wetter" und der durch den Bergbaubetrieb verursachten Luftverschmutzung ausgesetzt worden, was eine Verschlimmerung ihrer Krankheiten mit sich bringen könnte, heißt es im Beschluss des Ministeriums.

Dass Kohlestaub von Kohletagebau Lungenerkrankungen wie Pneumokoniose, Störungen im Blutgefäßsystem und sogar Krebs verursachen, wird von zahlreichen ausländischen Studien belegt. Darauf weist dezidiert der Rechnungshof hin.

Tatsächlich hat die Gewerkschaft der Metallindustrie Sintraime mindestens 457 arbeitsbedingt kranke Angestellte von CDJ und CMU registriert

Laut der Vereinigung der kranken Arbeiter des Projekts La Jagua Asotrecaj sind 60 Prozent ihrer 1.500 Mitglieder wegen ihrer Jobs krank geworden. Der Senator der Partei Polo Democrático, Jorge Robledo, sprach ebenso von 700 kranken Mitarbeitern des Unternehmens Cerrejón, das im Departamento La Guajira tätig ist und zu einem Drittel der Prodeco Group gehört.

Darüber hinaus mangele es beim Kohleabbau in La Jagua an Maßnahmen zum Arbeitsschutz, beklagt der Vorsitzende von Asotrecaj, Germán Albor. So litten die Verantwortlichen für das Abpumpen des verseuchten Wassers an Hautkrankheiten, sowie viele Bediener von schweren Maschinen an Wirbelsäulenerkrankungen und Hörverlust. Oft drohe den mit Wasser unterversorgten Tagebauarbeitern, dass sie unter den extrem hohen Temperaturen der Region in Ohnmacht fallen, sagte der zweite Vorsitzende von Sintraime, Rafael de la Hoz.

In dem an amerika21 geschickten deutschen Dokument weist Glencore – laut eigener Auffassung – rekordverdächtige arbeitsbedingte Arbeitszeitausfälle von 0,53 je Million Arbeitsstunden vor. In der spanischen Version erwähnt die Firma auch, dass die Gesamtzahl aller erfassten Unfälle für das letzte Jahr 2,4 je Million Arbeitsstunden sei. Die Gewerkschaft Sintramienergética warf allerdings im Jahr 2010 allen Kohleunternehmen vor, viele Arbeitsunfälle nicht als solche anzuerkennen. Ask und Pas deuten dies als Versuch, die Statistiken zu beschönigen.

Viele Unfallopfer oder arbeitsbedingt Kranke ließen sich nicht krank melden, versicherte die Gewerkschaft, weil dabei ein Entlassungsrisiko bestehe. Auch die Unfallversicherungsdienstleister (ARPs) hätten wenig Interesse, Fälle von arbeitsbedingten Erkrankungen und Unfällen anzuerkennen, um Kosten zu sparen, sagte der Senator Jorge Robledo. Der Parlamentarier geht von mehr als 900 Arbeitsunfällen bei der Prodeco Group zwischen 2001 und 2011 aus. Diese Zahl ist niedriger als bei anderen Bergbaukonzernen wie der US-amerikanischen Drummond, aber dennoch beträchtlich.

Bezüglich des Verhaltens von Glencore zur Vereinigungsfreiheit betont der Konzern in dem deutschen Dokument, es stehe "jedem Mitarbeiter frei, sich einer Gewerkschaft anzuschließen. Allerdings haben sich rund 80 Prozent der Mitarbeiter der Prodeco Group dafür entschieden, nicht-gewerkschaftlichen Abkommen beizutreten". 

Tatsächlich bilden die Gewerkschaftsangehörigen eine Minderheit in der Prodeco-Belegschaft. Die Kommuniqués von Sintramienergética deuten in dieser Hinsicht auf Druck seitens Glencore zur Verhinderung der Ausbreitung gewerkschaftlicher Organisierung hin. 1999, kurz nach der Gründung dieses Arbeiterverbandes, sei es Prodeco durch die Androhung von Entlassungen gelungen, dass 90 Prozent der Gewerkschafter aus Sintramienergética austraten, schrieb der führende Gewerkschaftsfunktionär Henry Ayala Gualdrón im Jahr 2008. 

Außerdem habe die Firma im Rahmen eines "kollektiven Pakts" den Arbeitern, die nicht zur Gewerkschaft gehörten, Sonderleistungen angeboten. 

Ähnliches sollte sich in den darauffolgenden Jahren wiederholen. So auch im Jahr 2011, als 350 Arbeiter sich der Gewerkschaft angeschlossen hatten. Laut Sintramienerética soll zum einen die Tochterfirma CMU jedem, der der Gewerkschaft beitrat, den Essenszuschlag gestrichen haben. Zum anderen soll Prodeco jedem 3.000 US-Dollar angeboten haben, der einen neuen "kollektiven Pakt" unterschreibt.

Laut Gesetz dürfen sich nur diejenigen Arbeitnehmer "kollektiven Pakten" anschließen, die nicht Mitglied der Gewerkschaft sind. Die Anerkennung dieser Rechtsfigur in Kolumbien ist jedoch von der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) mit der Begründung kritisiert worden, dass sie die Gewerkschaften beziehungsweise die Konsolidierung von Tarifverträgen schwächt.

Ebenso sind über 100 Arbeiter von Prodecos Subunternehmen Operarios Mineros del Cesar (OMC) im Jahr 2007 entlassen worden, nachdem sie sich der Gewerkschaft angeschlossen hatten. Die Firma versicherte damals, dass die wegen des Vorfalls streikenden Arbeitnehmer und ihre Familien "friedlich" die Einrichtung von CMU verlassen haben, doch die Aufstandsbekämpfungseinheit ESMAD hat die meisten Protestierenden mit Gewalt hinausgeworfen. 25 von ihnen wurden verletzt. Später nahm Prodeco 20 der entlassenen Arbeiter in CDJ auf.

Der "Schattenbericht" weist darauf hin, dass bislang 67 Klagen gegen die Prodeco Group von ihren Arbeitern erhoben worden sind. 46 befänden sich in der Untersuchungsphase, davon sechs wegen vorenthaltenen Lohnzahlungen, 14 wegen Verletzungen des Tarifvertrags, neun wegen Verletzung des Vereinigungsrechts, neun wegen Einschüchterung und 14 wegen Nichtzahlung der sozialen Abgaben.

Kapitel 3: Umwelt

Glencore schreibt, dass die Bergbauaktivitäten der Prodeco Group "im Einklang mit dem kolumbianischen Recht Umweltmanagementplänen unterliegen, die von der kolumbianischen Umweltbehörde genehmigt und überwacht werden". Die Umweltbehörden sind allerdings in Kolumbien umstritten. Die regionalen Vertretungen haben eine lange Geschichte von Korruptionsfällen. Zudem vergibt die nationale Umweltbehörde ANLA innerhalb von sechs Monaten Lizenzen anhand von Studien, die die Unternehmen selbst durchführen. In Kolumbien nennt man sie deshalb Express-Lizenzen und die Behörde verfügt über wenig Personal, um seriöse Bewertungen der Studien durchzuführen.

In diesem Sinne hat der Rechnungshof 72 Befunde zu defizitären offiziellen Kontrollen, sowie Verstößen der Bergbaufirmen gegen Umweltrichtlinien im Departamento Cesar erstellt. 25 davon beziehen sich auf das Jagua-Projekt der Prodeco Gruppe. Auch in der Mine Calenturitas, westlich von La Jagua, soll Prodeco die genehmigten Grenzen des Bergbauprojekts ohne Erlaubnis der Behörden strapaziert haben. Die ANLA schrieb der Firma daraufhin vor, die Aktivitäten in den betroffenen Abschnitten der Mine auszusetzen.

In der deutschen Antwort auf den "Schattenbericht" stellt Glencore richtig, dass im Calenturitas-Fluss keine Giftmüllablagerung nachgewiesen worden sind. In La Jagua hingegen, wo sich Flüsse befinden, die später in den Calenturitas fließen, weist der Rechnungshof auf zahlreiche Umweltschutzmaßnahmen hin, die Prodeco nicht eingehalten hat: zum Beispiel den Aufbau von ausreichenden Wasserbecken zum Auffangen von Bergbausedimenten, Aktionen zur Verhinderung des Kontakts zwischen Bergbauabfällen und dem Grundwasser des Flusses Tucuy sowie eine vorschriftsmäßige Wasserbehandlung.

Ebenso erwähnt Glencore in dem deutschen Schriftstück, dass die Prodeco Group "mehr als 800.000 Bäume gepflanzt" hat "und nahezu 16.000 Tiere gerettet und umgesiedelt hat" und dass im Jahr 2014 "mehr als 850 Hektar Land rehabilitiert" wurden. Der Rechnungshof klagt jedoch über das Fehlen einer zeitnahen Rekultivierung zerstörter Naturräume durch Prodeco im Projekt La Jagua (Befund H57.D57). 

Weiterhin versichert der Schweizer Konzern in der englischsprachigen Replik, dass Prodeco zwischen 2010 und 2014 keine Geldsanktionen im Zusammenhang mit Umweltverstößen bekommen hat. CMU, CDJ und CET sind aber am 9. Mai 2014 wegen der nicht genehmigten Abholzung eines Waldstücks für den Bau einer Straße und einer Brücke mit einer Geldbuße von 130.454.016 Pesos (circa 50.000 Euro) sanktioniert worden.

Zur Aufzählung der Maßnahmen zur Verminderung von Staubemission, die Glencore laut eigenen Angaben in Kolumbien durchführt, gehört die Pflanzung "von Vegetation, die als Staubbarriere dient." Der Rechnungshof fand allerdings heraus, dass Prodeco in La Jagua die sogenannten "lebenden Barrieren", nämlich Vegetationsreihen gegen Winderosion, nicht gepflanzt hat, wie es vereinbart worden war (Befund H50.D50). 

Glencore schreibt, sein Überwachungssystem zur Kontrolle der Luftverschmutzung "übertrifft bei weitem die kolumbianische Industrienorm." Der Rechnungshof weist hingegen auf die Nichterfüllung der abgemachten Maßnahmen gegen Luftverschmutzung (Befund H47.D47) durch CMU, CDJ und CET hin. Die Luftqualität hätte sich nicht verbessert, wie es im Plan zur Reduzierung der Luftverschmutzung vorgesehen war. Dies sei gravierend, weil die Zone durch die Weltgesundheitsorganisation als "extrem kontaminiert" klassifiziert wurde.

Die Messungen der regionalen Umweltbehörde des Departamento Cesar (Corpocesar) zeigen außerdem, dass die Luftverschmutzung um die Minen der Prodeco Group internationale Grenzen überschreitet. Zum Beispiel ist der Jahresmittelwert von Schwebstaub (Total Suspended Particles TSP) in La Jagua seit 2012 75 Mikrogramm pro Kubikmeter (µg/m3). 75 Mikrogramm ist die Grenze, ab der die Luftverschmutzung von der US-Umweltbehörde Environmmental Protection Agency (EPA) und Ländern wie Mexiko, Nicaragua und Peru für gesundheitsschädlich gehalten wird. In Kolumbien wurde diese Grenze auf 100 µg/m3 festgesetzt. Noch gefährlicher ist der lungengängige Feinstaub (PM2.5). In La Jagua ist der Jahresmittelwert von PM2.5 seit 2013 höher als 15 µg/m3, der von der EPA festgelegten Maximalgrenze. In Kolumbien gilt erst ein Wert von 25 µg/m3 als gesundheitsschädlich.

Offensichtlicher werden die Auswirkungen der Luftverschmutzung in den Untersuchungen der lokalen Ombudsmannstelle von Cesar. Diese berichtet über 22 Krankheiten, die sie mit dem Bergbau in Verbindung bringt. Im Jahr 2013 sind im Krankenhaus von La Jagua 5.900 Patienten mit Atemwegserkrankungen gemeldet worden. Von Januar bis Oktober 2014 waren es 2.400 Patienten. Es handelt sich dabei unter anderem um Lungenentzündung, Husten, Erstickung, Asthma, Bronchitis, Pneumokoniose, Erkrankungen wegen Siliziumdioxid, Bluthochdruck, Lungenkrebs, schwere Magenerkrankungen, Bronchiektasie, Neuropathie, Schlafapnoe-Syndrom und Nasennebenhöhlenentzündung. Deshalb haben 7.000 Einwohner im Jahr 2014 eine gemeinsame Klage gegen Drummond, Prodeco und Colombian Natural Resources wegen persönlichen Schadens, Schaden an den Bodenschätzen und Umweltverschmutzung erhoben. 

Kapitel 4: Umsiedlung von Gemeinden

Aufgrund der Bergbauaktivitäten im Departamento Cesar sind die drei Gemeinden El Hatillo, Boquerón und Plan Bonito zwangsweise umgesiedelt worden. Verantwortlich für die Umsiedlungsprozesse sind laut einer im Jahr 2010 verabschiedeten Regierungsverordnung die Hauptbergbauunternehmen der Region, nämlich Drummond, Prodeco und Colombian Natural Resources. Ask und Pas werfen Prodeco vor, die gesetzten Fristen nicht eingehalten zu haben. Bisher sind nur die Einwohner von Plan Bonito umgesiedelt worden.

In der englischen Antwort auf den Schattenbericht wendet Glencore ein, dass solche Umsiedlungen mehr Jahre brauchen als die, die von der Regierungsverordnung festgesetzt wurden. Der Konzern will da auch richtig stellen, dass der Umsiedlungsbeschluss des Umweltministeriums nicht daraufhin erfolgte, dass die maximalen Luftverschmutzungswerte bereits übertroffen seien, wie Ask und Pas den Lesern glauben lassen wollten. Die Verordnung sei im Fall von El Hatillo und Boquerón eine "rein vorbeugende Vorsorgemaßnahme im Vorgriff auf eine Erweiterung der Bergbauaktivitäten in Zukunft", heißt es auch in dem deutschen Glencore-Dokument.

Liest man allerdings den genannten Beschluss (Nummer 970 von 2010), stellt man keine tendenziöse Deutung durch den "Schattenbericht" fest. Zwar erklärt das Umweltministerium auf Blatt 41 des genannten Beschlusses (Nummer 970 von 2010), dass die Umsiedlungen künftigen Lebens- und Gesundheitsschäden vorbeugen sollen, doch gleichzeitig wird erklärt, dass "die Zunahme des Kohleabbaus in Cesar die Schädigung der Umwelt als Folge der übermäßigen Luftverschmutzung mit sich gebracht hat". Ebenfalls liest man auf Blatt 50, dass die Minen La Francia, El Hatillo, Calenturitas, La Loma und El Descanso "zur Luftverschmutzung von Plan Bonito, El Hatillo und Boquerón beigetragen haben, wo es Werte über den von der kolumbianischen und internationalen Gesetzgebung zugelassenen Grenzen gibt". Es handelt sich also offensichtlich um mehr als "rein vorbeugende Vorsorgemaßnahmen".

Kapitel 5: Menschenrechte

Der "Schattenbericht" kritisiert, dass Glencore das Sonderbataillon zum Schutz der Energie- und Straßeninfrastruktur der 10. Brigade der Streitkräfte mitfinanziert, obwohl diese Militäreinheit in extralegale Morde an Zivilisten verwickelt war. Der Bericht erwähnt einige Fälle, bei denen mindestens 20 Offiziere und Unteroffiziere entweder verurteilt wurden oder die von der Justiz untersucht werden.

In seiner englischen Antwort deutet Glencore an, dass es selbstverständlich ist, Übereinkünfte mit dem kolumbianischen Militär zu haben. Zum einen, weil das Verteidigungsministerium im Schutz der Bergbauinfrastruktur eine Aufgabe von "nationalem Interesse" sehe und zum anderen, weil die Sicherheitskräfte dafür da seien, "Leben, Ehre, Güter, Rechte und Freiheiten aller Kolumbianer zu schützen", wie es die Verfassung festschreibe.

Dass die kolumbianischen Streitkräfte mehr als 4.500 Zivilisten ermordet haben, um sie als Guerillakämpfer zu präsentieren – was der Konzern selbst ohne Zahlenangaben in seiner englischen Replik anerkennt –, scheint die Sicherheitskräfte in seinen Augen nicht zu diskreditieren; auch nicht, dass zahlreiche nationale und internationale Menschenrechtsorganisationen und in einigen Fällen die kolumbianische Justiz auf die systematische Misshandlung der Zivilbevölkerung und die engen Beziehungen zum Paramilitarismus hingewiesen haben. 

Auch der Oberste Gerichtshof von Medellín äußerte im Jahr 2013 bei seiner Urteilsverkündung, dass "die Entstehung und Ausbreitung paramilitärischer Gruppen, nicht mit der Abwesenheit des Staats zusammenhängt. Im Gegenteil sind sie gerade dort geboren und aufgewachsen, wo der Staat und die Sicherheitskräfte anwesend waren, mit diesen Hand in Hand." 

Es ist schwer vorstellbar, dass ein großer ausländischer Investor diese Sachlage nicht kennt. 

Die Schweizer NGO MultiWatch befindet außerdem für problematisch, dass Glencore sich von den Todesdrohungen paramilitärischer Banden gegen die Kohlebergbaugewerkschaften nicht distanziert hat, obwohl die Paramilitärs sich in den Drohtexten ganz eindeutig in einer Fürsprecher-Rolle der Arbeitgeber, nämlich Glencore und anderer Bergbauunternehmen, zeigen. So bekamen Ricardo Machado, Vorsitzender von Sintramienergética, und Wilder Martínez, deren Ex-Schatzmeister, im Juni 2013 nach einer Arbeiterversammlung zu den Verstößen von Glencore gegen den Tarifvertrag und Umweltrichtlinien folgende SMS von der Miliz "Los Rastrojos": "Erneut verpassen diese machiavellischen Guerilleros den Arbeitern, die sich nur entwickeln und ihre Familien voranbringen wollen, eine Gehirnwäsche. Erneut hetzen sie die Arbeiter gegen die Unternehmen, die nichts anderes tun, als Wohlstand für ihre Arbeiter zu schaffen. Aber eure Stunde ist gekommen. Wir werden euch finden, egal wo ihr seid. Ricardo, du weißt schon, wo es dir weh tut, oder, Hurensohn? Und deinem Kamerad Wilder, wir hatten euch gewarnt und ihr habt nicht gehorcht, Bastarde, Guerilleros, wir wollen eine Zone ohne Plagen wie euch". 

Im August 2013 erklärten "Los Rastrojos" die Gewerkschaften des Energierohstoffsektors Sintramienergética, Funtraenergética und Sintraime zu militärischen Zielen, weil sie "den Fortschritt anhalten, den multinationale Unternehmen wie Glencore, Drummond, Pacific Rubiales, Anglo Gold Ashanti und andere fördern und der außerdem Wohlstand und Arbeit in die Regionen bringt, wo sie ihre Projekte haben". Im englischen Schriftstück schreibt Glencore, dass der Konzern vor kurzem die Behörden über Drohungen "bekannter Gruppen" gegen mehrere ihrer Arbeiter, die zur Gewerkschaften gehören, benachrichtigt hätte. Unklar ist, ob es sich dabei um neue Drohungen handelt und bei welchen Behörden in welcher Form die Benachrichtigung stattgefunden hat.

In dem Dokument betont Glencore, dass "die Prodeco Group ihre Führungskräfte und Mitarbeiter sowie die öffentlichen und privaten Sicherheitsdienstleister", "mit denen wir zusammenarbeiten, in Bezug auf Menschenrechte" schule. Trotzdem belasten den Konzern Enthüllungen des Berichts "El lado oscuro del carbón" (2014) der niederländischen NGO Pax. Nach Angaben des Berichts sollen die Bergbaufirmen Drummond und Prodeco zwischen 1996 und 2006 die ehemalige paramilitärische Organisation AUC mitfinanziert haben. 

Zitiert wird zum Beispiel die Aussage von Alcides Mattos Tabares, einem inhaftierten Ex-Kommandanten der paramilitärischen Einheit Juan Andrés Álvarez (JAA), auch "El Samario" genannt. Er versichert, dass Drummond, Prodeco und auch Carbones del Caribe Zahlungen an die JAA getätigt hätten. Ebenso erklärte der Häftling und Ex-Paramilitär Javier Ernesto Ochoa, bekannt als "El Mecánico", dass Drummond und Prodeco 800 Pesos pro abgebaute Tonne Steinkohle an die AUC gezahlt hätten. Laut einer gerichtlichen Aussage des Häftlings José Gélvez Albarracín, auch als ‚El Canoso" bekannt, der zwischen 1996 und 1998 für Prodeco in der Sicherheitsabteilung gearbeitet hat, soll Glencores Tochterfirma der AUC monatlich 40 Millionen Pesos bezahlt haben.

Es sollen mehrere Treffen zwischen den Prodeco-Sicherheitschefs Luis Ochoa und Manuel Gutiérrez und Paramilitär-Kommandanten beziehungsweise Sicherheitsleuten von Drummond stattgefunden haben. Dies bezeugen "El Canoso" und ein ehemaliger Kollege von ihm, dessen Namen im Pax-Bericht nicht erwähnt wird. "El Canoso" sprach ebenso von einem Nachrichtendienstbüro, wo Informationen über "Subversive und Gewerkschaftsaktivitäten" gesammelt wurden. Diese Art von Geheimdienststelle soll von Prodeco und Drummond eingerichtet, finanziert und vom kolumbianischen Militär geführt geworden sein.

Der Koordinator des Büros und Feldwebel der Armee, Carlos Baena, soll die gesammelten Informationen an die AUC weitergeleitet haben, damit die Paramilitärs Subversive eliminieren, die in der Mine oder in dem Gebiet aufgespürt worden waren. Der Ex-Kollege von "El Canoso" erklärte außerdem, dass die Handys der Gewerkschafter durch ein Abhörgerät, das es in der Mine gab, unter Aufsicht von Luis Ochoa abgehört wurden. Pläne zur Gründung einer neuen Gewerkschaft hätten dank der so abgeschöpften Informationen sabotiert worden können. Die Quelle soll außerdem aufgeschnappt haben, wie Ochoa und Baena Morde an Menschen organisiert beziehungsweise den Paramilitärs aufgetragen hätten.

In einem Interview der Autoren von "El lado oscuro del carbón" sagte der Ex-Sicherheitschef von Prodeco: "Wir hatten gute Beziehungen zu Jorge 40‘", der Ex-Chef des Bloque Norte der AUC war und heute in den USA inhaftiert ist. "Wir haben uns in den Militärzeremonien getroffen, zu denen wir immer eingeladen waren", führte Gutiérrez aus. 'Jorge 40' hätte sich Prodeco durch den in den Ruhestand versetzten Armeehauptmann Mario Rodríguez genährt. Rodríguez soll mit Prodeco gearbeitet und viele Kontakte zu den Behörden sowie zu den damals entstandenen paramilitärischen Gruppen gehabt haben, erklärte Gutiérrez weiter. Allerdings haben Gutiérrez und Ochoa versichert, dass Prodeco nicht mit den Paramilitärs zusammengearbeitet, sondern eine eigene bewaffnete Sicherheitseinheit aufgebaut hätte.

In einer Replik auf Pax schrieb Glencore, dass viele Informationen des Berichts falsch seien. Die Firma streitet komplett ab, die Paramilitärs finanziert zu haben. Sie erwähnt unter anderem, dass den Aussagen von "El Canoso" nicht zu trauen sei, weil er ein inhaftierter Krimineller ist. Diesen Brief findet man auch im "El lado oscuro del carbón" oder in der englischen Version "The Dark Side of Coal".

Gegen Prodeco sind bisher keine Untersuchungen in die Wege geleitet worden. Joris Van de Sandt, einer der Autoren des Pax-Berichts, sagte gegenüber Deutschlandfunk: "Viele der Aussagen legen nahe, dass die Kohlekonzerne die Paramilitärs finanziert haben. Die Aussagen sind so detailliert, dass wir sicher sind, dass dort etwas sehr Ernstes vonstattenging. Wir glauben, dass eine Zusammenarbeit bestanden hat, aber solange es kein Urteil gibt, ist es juristisch natürlich schwer zu sagen, dass das auch 100 Prozent so war."

In Kolumbien bleibt der Kohlebergbau nun aufgrund der fünf hier wiedergegebenen Punkte der Diskussion sehr umstritten. Obwohl die direkt betroffenen Gemeinden, Menschenrechtsorganisationen, NGOs, Umweltaktivisten, Gewerkschaften und Aufsichtsbehörden über mangelnde Steuergelder, eine gewerkschaftsfeindliche Politik, Umwelt- und Gesundheitszerstörungen und Menschenrechtsverstöße klagen, setzen die kolumbianische Regierung und die Bergbaufirmen die Ausweitung der Kohleproduktion unverändert fort. Hauptkäufer der Kohleproduktion von Drummond und Prodeco sind europäische Stromversorger. EON, GDF Suez, EDF, Enel, RWE, Iberdrola und Vattenfall kaufen 70 Prozent der Kohleproduktion beider Konzerne.

Für Prodeco bleibt ihr Betrieb in Kolumbien ein wichtiger Beitrag für die Ökonomie des südamerikanischen Landes: "Wir sind stolz auf unsere lange Anwesenheit in Kolumbien, auf den Beitrag, den wir für die Bevölkerung und die Wirtschaft leisten konnten, auf unser Bestreben, eine Kraft für positive Veränderungen zu sein, und auf unsere Rolle als aktiver Teilnehmer an dem Umwandlungsprozess, der heute in Kolumbien stattfindet".