Peru: Protestwelle gegen Regierung hält an

Transportarbeiter:innen und junge Menschen der Generación Z demonstrieren im Zentrum Limas. Zusammenstöße mit Polizei und zahlreiche Verletzte

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Bei den Protesten wurden 26 Personen verletzt, darunter acht Reporter:innen
Bei den Protesten wurden 26 Personen verletzt, darunter acht Reporter:innen

Lima. In der Hauptstadt von Peru haben letztes Wochenende erneut junge Menschen sowie Transportarbeiter:innen gegen Gewalt, Perspektivlosigkeit, Straflosigkeit und die Rentenreform protestiert.

Die Demonstrationen begannen damit, dass Busfahrer:innen und Schaffner:innen zu einem 48-stündigen Streik aufriefen und in den frühen Morgenstunden am Samstag wichtige Straßenkreuzungen blockierten. Anschließend zogen sie in Richtung des Kongressgebäudes. Sie trugen Plakate mit Aufschriften wie "Lasst uns ohne Angst arbeiten" und "Nein zum Tod, nein zur Erpressung".

Laut der Nationalen Vereinigung für die Integration von Transportunternehmen wurden seit Jahresbeginn im Großraum Lima 46 Busfahrer:innen ermordet. In ganz Peru hat sich die Sicherheitslage 2025 deutlich verschlechtert. 1.508 Morde und 18.535 Erpressungen wurden zwischen Januar und August registriert, ein Anstieg um 12,6 bzw. 29,3 Prozent verglichen mit dem Vorjahr.

Im Laufe des Tages schlossen sich Hunderte Personen der dezentralen Organisation Generación Z, die sich vorrangig aus jungen Menschen zusammensetzt, den Transportarbeiter:innen an. Ein Student und Teilnehmer erklärte, dass er jeden Tag sehe, wie Kriminelle die Busfahrer:innen erpressen würden und die Polizei nichts dagegen unternehme: "Die gleichen Polizist:innen, die zu Dutzenden anwesend sind, um uns zu unterdrücken, wenn wir demonstrieren, verschwinden, wenn man sie um Hilfe bittet, um gegen die Kriminellen vorzugehen".

In der Nähe des Kongressgebäudes eskalierte die Situation, als Demonstrierende und staatliche Sicherheitskräfte aufeinandertrafen. Nach Medienberichten setzte die Polizei Tränengas und Gummigeschosse ein, die Protestierenden warfen Feuerwerkskörper und Steine.

Auf Videos ist zu sehen, wie ein älterer Mann, der sich gerade vom Geschehen entfernt, von einem Polizisten mit einem Schlagstock ins Gesicht geprügelt wird und stark zu bluten beginnt. Die Polizei veröffentlichte eine Aufnahme, die zeigt, wie ein Polizist offenbar mit einem Molotowcocktail beworfen wird.

Am Sonntag kam es zu weiteren Protesten und Auseinandersetzungen. Insgesamt sollen 26 Menschen an dem Wochenende verletzt worden sein. Laut dem Journalistenverband ANP wurden acht Reporter:innen verletzt, sieben davon durch die Sicherheitskräfte. Außerdem nahm die Polizei sechs Personen fest.

Die Demonstrationen und Zusammenstöße in Lima häufen sich in den letzten Wochen. Bereits an den Wochenenden vom 13. und vom 20. September eskalierten Proteste im Zentrum der peruanischen Hauptstadt (amerika21 berichtete).

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Neben der Sicherheitslage ist die Reform des Rentensystems ein zentraler Auslöser der Proteste. Volljährige sollen dadurch dazu verpflichtet werden, in die Rentenkassen einzuzahlen. Deren vorzeitige Auszahlung, zum Beispiel in Notfällen, wird hingegen eingeschränkt. Kritisiert wird, dass von der Reform vor allem die privaten Rentenfonds profitieren sollen.

Generación Z fordert die Rücknahme der Reform. Bislang haben die Proteste und der Druck der letzten Wochen bewirkt, dass einzelne Elemente gestrichen wurden, zum Beispiel die obligatorische Mitgliedschaft für Selbstständige. Eine vollständige Rücknahme ist jedoch offenbar nicht geplant. Viele junge Peruaner:innen sehen in der Reform eine weitere Belastung in einer ohnehin schon angespannten wirtschaftlichen Situation.

Hinzu kommt das umstrittene Amnestiegesetz. Polizist:innen und Militärs, die während des internen bewaffneten Konflikts (1980-2000) Verbrechen begangen haben, sollen dadurch Straffreiheit erhalten (amerika21 berichtete). Ausgenommen sind lediglich Fälle von Terrorismus und Korruption. Viele Peruaner:innen haben daher den Eindruck, dass der Staat zunehmend autoritärer agiert und seine Verbrechen nicht gesühnt werden.

Die Zustimmungswerte der Regierung sind massiv gefallen. 93,8 Prozent der Bevölkerung lehnen die Amtsführung von Präsidentin Dina Boluarte ab, wie eine aktuelle Umfrage der peruanischen Gesellschaft für Markt- und Meinungsforschung ergab.

Ramiro Escobar, Experte für internationale Beziehungen, sieht einen Zusammenhang der aktuellen Entwicklungen in Peru mit anderen Bewegungen auf der Welt. Ihm zufolge wird die Generación Z von den Ereignissen in Nepal inspiriert, wo die Gen-Z Proteste im Sommer die Regierung zu Fall gebracht haben.

Die Verbindung zu anderen Protestbewegungen ist auch symbolisch erkennbar. Die Generación Z verwendet als Erkennungsmerkmal eine Piratenflagge aus dem Manga und Anime One Piece, die unter anderem auch bei Demonstrationen in Nepal, Indonesien, Frankreich, Marokko, Madagaskar und Paraguay zum Einsatz kam.

Omar Coronel, Sozialforscher an der Päpstlichen Katholischen Universität von Peru, geht jedoch davon aus, dass die Proteste in Peru deutlich massiver werden müssten, um die Regierung zu stürzen. Das sei jedoch "noch nicht geschehen, auch weil nach den Todesfällen von 2023 viele Menschen immer noch Angst haben, zu protestieren". Hinsichtlich der Wahlen im kommenden Jahr hält Coronel die derzeitigen Proteste dennoch für einen "Schlüsselpunkt".