Brasília. Der ehemalige brasilianische Präsident Jair Bolsonaro sieht sich in einem Strafprozess mit schweren Vorwürfen konfrontiert. Laut Anklage hatte er Kenntnis von einem Putschplan, der die Verhängung des Ausnahmezustands und die Verhaftung von Amtsträgern vorsah.
Zu Wochenbeginn wurden Bolsonaro und weitere acht Angeklagte von Alexandre de Moraes, Richter des Obersten Gerichtshofs, wegen des versuchten Staatsstreichs Anfang 2023 vernommen.
Der Ex-Präsident und seine mutmaßlichen Komplizen – darunter der ehemalige Direktor des Geheimdienstes, ein früherer Kommandant der Marine und vier Minister aus Bolsonaros Kabinett – werden von der Generalstaatsanwaltschaft beschuldigt, "verfassungswidrige Maßnahmen" geplant zu haben. Sie sollen versucht haben, das Ergebnis der Wahlen von 2022 zu kippen, die Amtsübernahme von Präsident Luiz Inácio Lula da Silva durch eine Militärintervention zu verhindern sowie Anschläge auf Lula und Richter Moraes geplant zu haben.
Im Zentrum der Ermittlungen steht die Aussage von Oberstleutnant Mauro Cid, einst Vertrauter Bolsonaros und mittlerweile Kronzeuge der Justiz. Cid verzichtete bei seiner Aussage auf sein verfassungsmäßiges Schweigerecht und belastet den ehemaligen Staatschef schwer. Bolsonaro hat demnach nicht nur Kenntnis vom geplanten Umsturz gehabt, sondern auch aktiv daran mitgewirkt, indem er an der Vorstellung des Putschplanes teilnahm und gezielt Änderungen vorschlug. Er soll die Festnahme von de Moraes beabsichtigt haben.
Das Ziel des Plans, so Cid, sei es gewesen, "soziales Chaos" zu provozieren, um gewaltsame Maßnahmen legitimieren zu können. Er gestand außerdem ein, dass es mehrere Zusammenkünfte zwischen Bolsonaro und Spitzenvertretern der Streitkräfte gegeben habe, bei denen über das Vorgehen bei einem möglichen Staatsstreich diskutiert wurde.
General Braga Netto, früher Verteidigungsminister, soll dabei als Verbindungsmann zwischen Bolsonaro und den Protestlagern von dessen Anhängern vor den Kasernen gedient haben.
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Der Ex-Präsident selbst weist alle Vorwürfe zurück. "Die Anklage ist unbegründet, Euer Ehren", sagte Bolsonaro zu Beginn seiner Anhörung. Er räumte zwar ein, dass es Demonstrationen und radikale Forderungen nach einer militärischen Intervention gegeben habe, doch habe er diese weder initiiert noch unterstützt. Die Protestlager vor den Kasernen bezeichnete er als "freiwillige Bewegung", mit der er keinen direkten Kontakt gehabt habe. Über deren Inhalte sei er lediglich durch Medienberichte informiert gewesen.
Die Ereignisse vom 8. Januar 2023, bei denen Unterstützergruppen Bolsonaros in Brasília den Platz der Drei Gewalten stürmten, spielte der Ex-Präsident ebenfalls herunter. Es habe keine Schusswaffen gegeben und es sei unsinnig, diese Aktionen als Putschversuch zu bezeichnen.
Die teilweise hohen Strafen gegen Beteiligte kritisierte er: "Ich kann bestimmte Strafen für Leute nicht verstehen, die kaum wussten, was sie damals taten."
Im weiteren Verlauf der Anhörung wies Bolsonaro auch die Kritik an seinen wiederholten Angriffen auf das Wahlsystem zurück. Er habe zwar Zweifel an der Sicherheit elektronischer Wahlurnen geäußert, jedoch mit der Absicht, zu warnen und nicht zu diskreditieren. Gedruckte Stimmzettel seien für ihn sicherer.
Die Verhöre markieren eine der letzten Phasen im Strafprozess. Ein Urteil wird für die zweite Jahreshälfte erwartet. Im Falle einer Verurteilung drohen Bolsonaro und seinen Mitangeklagten Haftstrafen von über 30 Jahren.