San Salvador. Nach neuen Informationen der Internet-Zeitung El Faro soll Präsident Nayib Bukele bereits lange vor seinem Amtsantritt mit kriminellen Banden Absprachen getroffen haben.
Bukele hingegen greift internationale Menschenrechtsorganisationen an und beschuldigt sie, nicht am Ende des Konflikts interessiert zu sein. Er schrieb in einem Post auf X, dass "ein Land in Frieden, ohne Tote, ohne Erpressung, ohne Blut, ohne tägliche Leichen, ohne Mütter, die um ihre Kinder weinen, weder für Menschenrechtsorganisationen noch für die globalistischen Medien, noch für die Eliten profitabel ist".
Er reagierte mit seinem Tweet auf eine aktuelle Recherche von El Faro. Journalisten hatten im Januar mit zwei Bandenführern der Barrio 18 Revolucionarios gesprochen, die ausführlich über die seit Jahren anhaltenden Absprachen mit der Regierung Bukele berichteten. Die Aussagen hätten die Recherchen von El Faro über einen Pakt der Regierung mit den Banden bestätigt.
Es ist das erste Mal, dass Bandenführer, die maskiert an den Verhandlungen mit Regierungsvertretern in Hochsicherheitsgefängnissen beteiligt waren, vor einer Kamera über die Absprachen berichteten, die Bukele ermöglichten, die Macht im Land zu übernehmen.
Demnach begannen die Absprachen mit Bukele 2014/2015, als er, damals noch Mitglied der FMLN, als Bürgermeister von San Salvador kandidierte und gewählt wurde. Carlos Cartagena López alias Charli, einer der interviewten Bandenführer, benennt konkret Personen, die bis heute mit Regierungsaufgaben betraut sind, als Verbindungspersonen zwischen Bukele und den illegalen Banden. Als Gegenleistung für den Wahlsieg als Bürgermeister habe es circa 250.000 US-Dollar gegeben, verteilt auf zwei Banden.
Ein weiterer Bandenchef mit dem Alias Tasmania erklärte: Wer sich nicht an die Anweisungen bei der Stimmabgabe gehalten habe, hätte mit Ermordung rechnen müssen. Die Banden unterstützten dann auch die Präsidentschaft Bukeles.
Während der Covid-Pandemie kontrollierten die Banden die Ausgangssperren und die Verteilung von Lebensmitteln. Die Mordrate sank aufgrund der Absprachen schon seit einigen Jahren. Dafür ließ die Polizei die Banden in Ruhe bzw. sie wurden rechtzeitig vor Razzien gewarnt. Verhielt sich ein Bandenmitglied gegen die Vereinbarungen, wurde es von der Bande selbst bestraft.
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Die Anweisung der Regierung habe lediglich gelautet: "Wo es keine Leiche gibt, gibt es kein Verbrechen". Die Zahl der Verschwundenen wird von der Regierung seit 2019 geheim gehalten.
Dieser Pakt sei im März 2022 zerbrochen, worauf die Regierung mit dem seither andauernden Ausnahmezustand reagiert habe.
Charli berichtete, dass er zwar verhaftet, aber aufgrund eines Anrufs "von oben" aus der Haft entlassen worden sei und das Land verlassen konnte. Tasmania sagte, dass er von einem Regierungsbediensteten selbst nach Guatemala gebracht worden sei. Auf die Frage, warum sie sich jetzt gegenüber der Presse äußern, sagen sie, die Regierung stelle sich überall als Bollwerk gegen die Bandenkriminalität dar, vergesse dabei aber, dass es die Banden gewesen seien, die sie überhaupt an die Regierung gebracht hätten.
Nach der Veröffentlichung, so El Faro, habe die Generalstaatsanwaltschaft Haftbefehle gegen die Journalisten des Berichts vorbereitet. Außerdem seien sie seitdem mehrfach in den sozialen Medien diffamiert und angegriffen worden – auch von Regierungsvertretern.
Der Journalistenverband Apes und mehrere Menschenrechtsorganisationen forderten am Dienstag Auskunft von der Generalstaatsanwaltschaft und prangerten öffentlich die Einschränkungen der Pressefreiheit an. Bereits im April 2023 verlegte El Faro seinen Hauptsitz nach Costa Rica, um sich vor zunehmenden Einschränkungen der Pressefreiheit zu schützen.
Am 30. April 2025 verlängerte das Parlament von El Salvador den seit dem 27. März 2022 andauernden Ausnahmezustand zum 38. Mal um weitere 30 Tage. Dieser Ausnahmezustand, der vordergründig zur Bekämpfung krimineller Banden und zur Reduktion der Mordrate im Land dienen soll, führte zu mehr als 85.000 willkürlichen Verhaftungen und zu einer zunehmenden Kriminalisierung derjenigen, die sich für die Rechte von unschuldig Inhaftierten und Verschwundenen einsetzen.