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Brasilien: "Solange wir leben, werden wir ihr Vermächtnis verteidigen"

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Angehörige von Marielle Franco und Anderson Gomes bei der Urteilsverkündung im Gericht von Rio de Janeiro
Angehörige von Marielle Franco und Anderson Gomes bei der Urteilsverkündung im Gericht von Rio de Janeiro

Rio de Janeiro. Anielle Franco, die Ministerin für die Gleichstellung ethnischer Gruppen in Brasilien und Schwester von Marielle, hat zur Verurteilung der Mörder ihrer Schwester erklärt: "Wir fühlen weiter eine Leere in der Brust. Doch solange wir leben, werden wir das Vermächtnis von Marielle und Anderson hochhalten."

Sechseinhalb Jahre nach dem Mord an der brasilianischen Stadträtin und Menschenrechtsaktivistin Marielle Franco hat ein Gericht in Rio de Janeiro zwei Täter verurteilt. Die ehemaligen Militärpolizisten Ronnie Lessa und Élcio de Queiroz wurden zu langen Haftstrafen verurteilt.

Lessa hatte gestanden, von einem Auto aus die tödlichen Schüsse abgegeben zu haben. Beim Prozess war er per Videocall zugeschaltet. Die Angehörigen seiner Opfer bat er um Vergebung. Dies würde "eine Last" von seinen Schultern nehmen. Queiroz hatte den Wagen gefahren und laut Lessa erst am Tag des Attentats erfahren, wer Opfer werden würde.

Richterin Lucia Gliche verurteilte die beiden geständigen Mörder Lesse zu 78 Jahren Haft und Queiroz zu 59 Jahren Gefängnis. Außerdem müssen sie den Angehörigen der Opfer eine Pension zahlen. Nicht nur die 38-jährige schwarze Soziologin und Feministin Marielle Franco, auch Anderson Gomes, ihr Chauffeur, war in Rio de Janeiro am 14. März 2018 mit Salven aus Maschinenpistolen hingerichtet worden.

Glioche sagte bei der Verlesung des Urteils, dass die Brutalität des Mordes an Franco und Gomes eine Lücke in der Gesellschaft hinterlasse. Und: "Das Urteil gibt keine Antwort auf die Frage: Wer hat den Mord an Marielle Franco angeordnet?" Die Gerechtigkeit, "auch wenn sie manchmal blind, ungerecht und fehlerhaft ist", werde am Ende alle treffen, betonte sie.

Nach der Urteilsverkündung am 31. Oktober gab es im Gericht Applaus. Die Angehörigen der beiden Opfer umarmten sich im Gerichtsaal und brachen teilweise in Tränen aus. Mônica Benicio, die Witwe Marielle Francos, sagte: "Das Urteil kann keine Gerechtigkeit herstellen, aber es ist wichtig als ein Pfeiler des Landes." Ihre Frau sei wegen ihrer Prinzipien hingerichtet worden und weil sie kämpfte: "Marielle lebt weiter als Ideal."

Marielle Francos Schwester Anielle betonte: "Die Menschen im Land müssen aufhören, es als Normalität anzusehen, wenn Menschen in Brasilien fallen und sterben. Wir suchen weiter nach Gerechtigkeit. Es bleibt eine Frage, wer sich diesen Mord ausgedacht hat. Wer konkret Auftraggeber war und wer für dieses Verbrechen das Geld bezahlt hat."

Laut Ronnie Lessa war der Hintergrund der Exekution, dass Marielle Franco bei den Begehrlichkeiten um Landtitel in der Peripherie von Rio de Janeiro "ein Stein im Weg" gewesen sei.

Ágatha Arnaus, die Witwe von Anderson Gomes, erklärte, wie schwierig es war, die Entschuldigung der Angeklagten zu hören. "Wir wussten bereits, dass sie Mörder sind. Aber wir haben Ex-Parlamentarier und Ex-Polizeichefs, die zur Rechenschaft gezogen werden müssen. Sie haben Geld für die Tat ausgegeben, anstatt sich um die Bevölkerung zu kümmern. Ihr Tod wurde mit unserem Geld angeordnet", sagte sie.

Die Angehörigen der Opfer signalisierten, sie würden direkt weiterkämpfen – jetzt für eine Verurteilung der Auftraggeber des Verbrechens. Die geständigen Täter haben drei Personen aus Rio de Janeiro beschuldigt, als Auftraggeber und Mentoren an dem Verbrechen beteiligt zu sein: Die Brüder Domingos und Chiquinho Brozio sind frühere Parlamentsabgeordnete. Rivaldo Barbos ist ein Ex-Polizeichef. Die drei Männer sitzen in Untersuchungshaft und warten auf ihren Prozess.

Die Gerichtsverhandlung gegen mutmaßliche Mitbeteiligte und Auftraggeber des Mordes an der Feministin Marielle Franco wird am Obersten Brasilianischen Gericht (STF) in der Hauptstadt Brasília stattfinden.