Brasília. Der Ethikrat des brasilianischen Abgeordnetenhauses hat mit einer Mehrheit von 15 zu einer Stimme für den Mandatsentzug des Abgeordneten Chiquinho Brazão entschieden. Er wird verdächtigt, in den Mord an der Stadträtin und Menschenrechtsaktivistin Marielle Franco verwickelt zu sein. Der geständige Mittäter Ronnie Lessa hatte Brazão belastet.
Der Rat folgte der Stellungnahme der Abgeordneten Jack Rocha, die als Berichterstatterin fungierte und die Möglichkeit hatte, die Annullierung oder die Aufrechterhaltung des Mandats von Brazão zu empfehlen. Sie argumentierte, dass Brazão Handlungen begangen habe, die mit dem "parlamentarischen Anstand" unvereinbar seien und daher den Verlust seines Mandats rechtfertigten. "Der Mord an Marielle Franco am 14. März 2018 war nicht nur ein brutaler Akt, sondern auch ein verheerendes Beispiel für geschlechtsspezifische politische Gewalt", betonte Rocha.
Die erste Kammer des Obersten Bundesgerichts (STF) hatte bereits im Juni einstimmig Anklage gegen die Drahtzieher des Verbrechens gegen Franco und ihren Fahrer Anderson Gomes erhoben. Unter den Angeklagten befinden sich der Abgeordnete Chiquinho Brazão, sein Bruder Domingos, ehemaliger Stadtrat des Rechnungshofes von Rio de Janeiro, und der ehemalige Chef der staatlichen Zivilpolizei, Rivaldo Barbosa. Die Angeklagten weisen jede Mitverantwortung an dem Mord zurück. Die beiden Brazão-Brüder befinden sich seit März in Haft.
Nur der Ex-Militärpolizist Lessa gestand dem STF per Videokonferenz, Franco getötet zu haben. Er behauptete zudem, die Brüder Brazão hätten ihn dafür angeheuert. Da ihm ein Grundstück im Westen Rio de Janeiros im Wert von 25 Millionen Reais ( etwa 4 Millionen Euro) versprochen worden sei, habe er sich zur Tat bereit erklärt.
Für STF-Richter Alexandre de Moraes enthält die Anklageschrift klare Hinweise auf eine Verbindung zwischen den Interessen einer kriminellen Organisation und dem Verbrechen. Die Brüder Brazão gehörten einer Miliz an, die an der Ermordung Francos beteiligt gewesen sein soll.
Die Tötung der Stadträtin soll auf eine Konfrontation zwischen ihr und Chiquinho Brazão zurückzuführen sein. Franco setzte sich gegen ein Gesetz zur Legalisierung von Land ein, das einer kriminellen Gruppe zugute kommen sollte. Sie sprach sich hingegen für den Bau von Sozialwohnungen aus.
Dreizehn Schüsse aus einer Maschinenpistole, die nur von Eliteeinheiten der Polizei verwendet wird, trafen das Fahrzeug, in dem die Franco, ihr Fahrer Gomes und Francos Pressesprecherin, die Journalistin Fernanda Chaves, unterwegs waren. Chaves überlebte das Attentat verletzt.
Der Mord an der Menschenrechtsaktivistin löste weltweit Empörung aus. Franco ist seitdem zu einem Symbol des schwarzen und feministischen Kampfes geworden.
Das Kassationsverfahren gegen Brazão vor dem Ethikrat durchlief mehrere Phasen, die sicherstellen, dass Abgeordnete, die Verstöße begehen, ordnungsgemäß untersucht und gegebenenfalls verurteilt werden.