Washington. Die Interamerikanische Menschenrechtskommission (CIDH) und das Büro für Südamerika des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte prangern die schleppenden Fortschritte bei der Demarkation indigener Gebiete in Brasilien an.
In einem gemeinsamen Appell betonen sie, dass diese Verzögerungen die Gewalt gegen indigene Gemeinschaften befeuern würde. Sie fordern den Staat eindringlich dazu auf, den Prozess zu beschleunigen, um der anhaltenden Rechtsunsicherheit und damit der Eskalation von Gewalt Einhalt zu gebieten.
Der Staat müsse dringend Maßnahmen ergreifen, um die Demarkation und Titulierung indigener Gebiete sicherzustellen. Zudem müsse das Recht auf kollektives Eigentum respektiert werden, ohne dabei die These der Stichtagsregelung Marco Temporal anzuwenden. Diese Stichtagsregelung ist eine rechtliche Interpretation, die besagt, dass indigene Völker nur Anspruch auf Land haben, das sie am Tag der Verkündung der brasilianischen Verfassung, dem 5. Oktober 1988, tatsächlich bewohnt haben.
Die beiden internationalen Organisationen gaben ihre Erklärung ab, nachdem in den letzten Monaten vermehrt Berichte über Übergriffe von Privatpersonen und Ordnungskräften auf indigene Gemeinschaften in Brasilien eingegangen waren. Die Situation habe zur "Zwangsvertreibung von Gemeinschaften und zum Tod mehrerer ihrer Mitglieder geführt, die ihr Land verteidigten", heißt es darin.
Die Anführer:innen des Volkes der Pataxó Hã-Hã-Hãe, Lucas Santos de Oliveira und Maria de Fátima Muniz de Andrade, sowie Neri Ramos da Silva, ein junger indigener Mann vom Volk der Guaraní Kaiowá, wurden zwischen Dezember 2023 und September 2024 getötet.
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Nach Angaben der Behörden wurde diese Welle der Gewalt durch das Gesetz Nr. 14.701 verschärft, das den Marco Temporal endgültig rechtlich etablieren soll. Kritiker:innen sagen, dass damit 500 Jahre Landraub einmal mehr legalisiert werden sollten.
Der Kongress verabschiedete das Gesetz im Oktober 2023 trotz eines Vetos der Exekutive und einer anfänglichen Erklärung der Verfassungswidrigkeit. Die endgültige Entscheidung des Obersten Gerichtshofs über die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes steht jedoch noch aus.
In diesem Zusammenhang erinnern die CIDH und das UN-Menschenrechtsbüro an die besondere Bindung der indigenen Völker an ihre Territorien und an die Verpflichtung der Staaten, ihre Menschenrechte zu gewähren: "Indigene Völker haben das Recht auf besonderen Schutz ihrer physischen, psychischen und kulturellen Integrität, einschließlich des Schutzes ihrer Kultur, ihres Territoriums und ihres Selbstbestimmungsrechts, sowie das Recht auf ein Leben frei von Gewalt, Diskriminierung und Ausbeutung."
Folglich müsse Brasilien sofortige und wirksame Maßnahmen ergreifen, um Handlungen zu verhindern, zu untersuchen und zu bestrafen, die die Unversehrtheit der indigenen Gemeinschaften bedrohten, unabhängig davon, ob sie von Dritten oder von Vertreter:innen des Staates verübt würden.
Dies müsse zusätzlich zu Schutzmaßnahmen für indigene Gemeinschaften geschehen, die unmittelbar bedroht sind, so die Organisationen.