Angriff auf indigene Rechte: Kongress in Brasilien lehnt Veto Lulas gegen Marco Temporal ab

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Protest für indigene Rechte vor der Abstimmung im Kongress in Brasilien am Donnerstag
Protest für indigene Rechte vor der Abstimmung im Kongress in Brasilien am Donnerstag

Brasília. Der Nationalkongress von Brasilien hat das Veto von Präsident Luiz Inácio Lula da Silva gegen die Bestimmung zur Festlegung eines Zeitrahmens für die Demarkierung indigener Gebiete (Marco Temporal) abgelehnt. Bei einer gemeinsame Abstimmung im Kongress stimmten 321 Abgeordnete dagegen, 137 dafür, während es unter den Senatoren 53 Gegenstimmen und nur 19 Ja-Stimmen gab.

Die mit dem Veto belegten Abschnitte werden nun in das Gesetz 14.701/23 aufgenommen. In diesem ist der Marco Temporal festgelegt. Er besagt, dass indigene Völker nur Anspruch auf die Demarkierung ihrer Gebiete haben, wenn diese am 5. Oktober 1988, dem Tag der Verkündung der Verfassung, nachweislich von ihnen besiedelt wurden.

Diese Neuregelung berücksichtigt jedoch nicht, dass zu diesem Zeitpunkt bereits Völker aus den historisch von ihnen besiedelten Landstrichen vertrieben worden waren. Der Oberste Gerichtshof hatte das Gesetzesvorhaben im September daher als "verfassungswidrig" eingestuft: Artikel 231 der Verfassung gebietet den Schutz der indigenen Gebiete und sieht ein dauerhaftes und exklusives Nutzungsrecht für die Gemeinschaften vor.

Es wird erwartet, dass Organisationen, die indigene Bewegungen vertreten, nun beim Obersten Gerichtshof (STF) eine Verfassungsklage gegen das Gesetz einreichen werden.

Die Abgeordnete Célia Xakriabá und andere Parlamentarier der Regierung wiesen darauf hin, dass der Gesetzentwurf bereits Ende Oktober vom Obersten Gerichtshof für verfassungswidrig erklärt wurde. Neun der elf Richter entschieden damals zugunsten der indigenen Völker und erkannten an, dass die Verfassung kein zeitliches Kriterium für die Gültigkeit der Demarkationen vorsieht. Die einzigen, die sich für den Marco Temporal aussprachen, waren die beiden von Jair Bolsonaro ernannten Mitglieder des Gerichts, Nunes Marques und André Mendonça. Xakriabá bezeichnete die Aufhebung des Vetos als "Niederlage für die Menschheit".

Luis Ventura Fernández, Vizepräsident des Indigenen Missionsrates (CIMI), sagte, dass die Organisationen, die berechtigt sind, beim STF eine Verfassungsklage einzureichen, diese Entscheidung "in den nächsten Stunden oder Tagen" treffen werden. Er argumentierte, dass das Gesetz Rechtsunsicherheit für die indigenen Gebiete bringe und das Überleben der indigenen Völker bedrohe.

Luis Ventura Fernández, Vizepräsident des Indigenen Missionsrates (CIMI), führte aus, dass die Aufhebung der Vetos "die Rolle der gesetzgebenden Gewalt im heutigen Land" widerspiegle. "Der Marco Temporal ist verfassungswidrig. Das ist eine Tatsache. Das hat der Oberste Gerichtshof bereits festgestellt. Die Exekutive hat ihn ebenfalls für verfassungswidrig erklärt, als sie gegen Teile davon ihr Veto einlegte. Es gibt also keinen Spielraum für eine gegenteilige Entscheidung des Kongresses. Damit steht der Nationalkongress außerhalb der Verfassung", erklärte er gegenüber Brasil de Fato.

Ende September billigten die Parlamentarier den Gesetzentwurf. Am 20. Oktober sanktionierte Lula ihn, legte jedoch 34 Vetos gegen zentrale Artikel ein (amerika21 berichtete).

Beibehalten wurden einige Passagen, wie etwa der Teil, der der Bundesregierung die Möglichkeit gibt, indigenes Land zu übernehmen, um es für Zwecke des öffentlichen Interesses und der Landreform zu nutzen. Ein weiterer Punkt war der Nicht-Kontakt mit isolierten indigenen Völkern. Der Kongress hatte zuvor beschlossen, dass der Staat diese Art von Kontakt herstellen kann. Die Regierung Lula argumentierte jedoch, dass die Verfassung diese Möglichkeit nicht vorsieht. Nun wurde dieses Argument akzeptiert.

Die Abgeordneten und Senatoren respektierten in einer gemeinsamen Sitzung auch das Veto des Präsidenten gegen die Möglichkeit, gentechnisch veränderte Lebensmittel in Umweltschutzgebieten anzubauen. Das Veto gegen die Entschädigung von Eigentümern landwirtschaftlicher Betriebe, die sich mit indigenem Land überschneiden, wurde ebenfalls aufrechterhalten.