Argentinien: Javier Milei vervollständigt sein Kabinett und kündigt "Stagflation" an

Wirtschaftsprogramm mit verheerenden Folgen für die verarmten Mehrheiten. Milei holt sich Zustimmung der USA für seine Pläne. Kein Beitritt zur Brics-Gruppe

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Milei und seine Vize Victoria Villarruel bei ihrer Bestätigung im Amt durch das Parlament am 29. November
Milei und seine Vize Victoria Villarruel bei ihrer Bestätigung im Amt durch das Parlament am 29. November

Buenos Aires. Kurz vor seiner Amtsübernahme am 10. Dezember hat Argentiniens gewählter rechter Präsident Javier Milei von der Partei La Libertad Avanza (LLA) weitere Schlüsselpersonen seines Kabinetts benannt und außen- und wirtschaftspolitische Grundlinien definiert.

Der Ökonom Luis Caputo wird dem Wirtschaftsministerium vorstehen. Der 58-Jährige, lange im Banken- und Finanzsektor (u.a. bei der Deutschen Bank) tätig, war unter Mauricio Macri (2015-2019) für ein Jahr Finanzminister und kurzzeitig Präsident der Zentralbank. Milei begründete seine Wahl mit dessen Fachwissen für Finanzreformen.

Laut Milei wird "ein Großteil des Haushaltsdefizits in der Zentralbank" mit Ausgabe der sogenannten Leliqs erzeugt. "Liquidity Letter" (Leliq) ist eine Anleihe oder ein Darlehen mit Laufzeit von 28 Tagen, die nur Banken zur Verfügung gestellt bekommen. Damit soll den Wirtschaftsakteuren mehr Liquidität verschafft werden, ohne die zirkulierende Geldmenge zu erhöhen. Der Zinssatz für Leliqs (derzeit mehr als 130 Prozent im Jahr) gilt als Referenz für andere Zinssätze, etwa für Unternehmens- oder Konsumkredite.

Nach Daten der Zentralbank belaufen sich die mit Leliqs angehäuften Schulden auf 14,2 Milliarden US-Dollar – mehr als zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Als Abhilfe hatte Milei im Wahlkampf die Abschaffung der Zentralbank und eine Dollarisierung der Wirtschaft angekündigt. Ob eine Parlamentsmehrheit dafür zustande kommt ist ungewiss.

Milei kündigte zugleich an, dass Argentinien als Folge seiner steuer- und finanzpolitischen Maßnahmen eine "Stagflation" (estanflación) erleben werde, mit "negativen Auswirkungen auf die Wirtschaft". Der Begriff beschreibt einen Rückgang der Wirtschaftstätigkeit mit zugleich beschleunigtem Preisanstieg, mit verheerenden Folgen für die verarmten Mehrheiten.

Um die Strukturreformen abzufedern, würden einzig im neuen Ministerium für Humankapital, das die Bereiche Bildung, Arbeit, Gesundheit und soziale Entwicklung vereinen soll, zusätzliche Ausgaben getätigt, um "die Not derjenigen einzudämmen, die aufgrund der wirtschaftlichen Maßnahmen in Schieflage kommen". Laut Milei wird die Inflation hoch bleiben, weil sie das Ergebnis der "von der bisherigen Regierung angerichteten Katastrophe ist". Sein Ziel sei es, die Ausgabe von Geld zu stoppen, "damit die Inflation in einem Zeitraum von 18 bis 24 Monaten beendet wird".

Er stellte vergangene Woche seine geplanten Reformen auch in Washington vor. Die US-Regierung habe diese "äußerst positiv" aufgenommen, sagte er anschließend. Milei betonte auch, er habe seine "historische Nähe zu den USA, Israel und dem Westen" zum Ausdruck gebracht.

Zuvor war bekannt geworden, dass die Ökonomin Diana Mondino neue Außenministerin wird. Im Oktober 2023 errang sie in der Stadt Buenos Aires ein Abgeordnetenmandat für LLA. Mondino äußerte die Hoffnung, dass bald das neue Abkommen zwischen dem Mercosur und der Europäischen Union unterzeichnet werde. Vorschriften für den Außenhandel müssten abgeschafft werden, denn "die Dollars gehören den Exporteuren und nicht der Zentralbank", so Mondino.

Sie versicherte zudem, dass Argentinien der Brics-Gruppe (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) "nicht beitreten" werde. Auf einer Konferenz des Argentinischen Industrieverbands sagte sie zur Begründung, dass sie und Milei "keine Vorteile" darin sehen.

Dem Sicherheitsministerium wird die konservative Politikerin Patricia Bullrich vorstehen. Die im ersten Wahlgang mit 23,8 Prozent Stimmanteil ausgeschiedene Bullrich wird damit wieder den Posten übernehmen, den sie schon unter Macri ausübte.

Zur Staatssekretärin für Bildung und Erziehung wird Milei die LLA-Abgeordnete Maria Eleonora Urrutia ernennen. Urrutia ist mit Hernán Büchi verheiratet, dem ehemaligen Wirtschaftsminister Chiles (1985-1989) und Kandidat von Augusto Pinochets Regierungspartei bei den Präsidentenwahlen 2021. Sie ist Juristin und hat sich als Leugnerin des Staatsterrorismus und der Verbrechen der Militärdiktatur hervorgetan.

So bezeichnete sie 2018 den Putsch von 1976 als "friedlichen Militäraufstand", der die "uneingeschränkte Unterstützung von allen politischen Parteien, Persönlichkeiten und Gruppen der Zivilgesellschaft aller Ideologien" gehabt habe. Sie bekräftigte gar, dass die Diktatur keine Verbrechen gegen die Menschheit begangen habe, "weil zum Zeitpunkt der Ereignisse keine Gesetze in Kraft waren, die Verbrechen gegen die Menschheit vorsahen".

Laut Urrutia gab es diese Verbrechen nicht, "weil es sich nicht um Angriffe auf Zivilbevölkerung, sondern auf kämpfende Bevölkerung handelte".