Guatemala / Politik

Guatemala: Proteste gegen Ausschluss des linken Duos bei Präsidentschaftswahl

Landesweite Demonstrationen gegen "Pakt der Korrupten" und Wahlbehörde TSJ. Auch Kandidat der rechten Podemos-Partei ausgeschlossen

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Die Demonstrationen endeten meist vor den lokalen Niederlassungen der Wahlbehörde TSE
Die Demonstrationen endeten meist vor den lokalen Niederlassungen der Wahlbehörde TSE

Guatemala-Stadt et al. Tausende Menschen haben in Guatemala erneut gegen den Ausschluss des Kandidatenduos Thelma Cabrera und Jordán Rodas für die linke "Bewegung für die Befreiung der Völker" (MLP) bei den Präsidentschaftswahlen im Juni demonstriert.

Die Demonstrationen fanden in 21 der 22 Departamentos statt. Aufgerufen hatten indigene Organisationen. Die Landarbeiterorganisation Codeca, aus der die MLP hervorgegangen war, sowie die Partei selbst hatten sich offiziell nicht beteiligt.

In Quetzaltenango kam die Mehrheit der Teilnehmer aus den umliegenden Landkreisen. Eine 70-jährige Aktivistin erzählte, sie sei "um vier Uhr mit dem Bus nach Xela gefahren, um hier dafür zu demonstrieren, dass unsere Kandidaten an der Wahl teilnehmen können“.

Die drei Staatsgewalten seien vom "Pakt der Korrupten" unterwandert, so ein Redner. Die Entscheidung gegen das Duo sei aber auch Ausdruck des Rassismus des Staates gegen die Maya-Mam Kandidatin.

"Die Oligarchie hat Angst vor der MLP, daher die Entscheidung. Bei fairen Wahlen würde Thelma Cabrera auf dem ersten Platz landen", ist sich ein anderer Redner sicher, der auch auf die sich zuspitzende soziale Lage im Land einging: "Die Preise steigen und steigen. Vielen jungen Menschen, ob Studenten oder Arbeitern, bleibt nur der Weg der Migration in die USA".

Die MLP nimmt erst das zweite mal an den Wahlen teil. Die Partei strebt eine grundlegende Neugründung Guatemalas an. Zu den zentralen Forderungen gehören eine neue Verfassung auf Grundlage eines "plurinationalen Staates" sowie u.a. die Verstaatlichung der Stromversorgung.

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Protest gegen den Ausschluss: "Die Völker entscheiden - Jordán und Thelma werden eingeschrieben"
Protest gegen den Ausschluss: "Die Völker entscheiden - Jordán und Thelma werden eingeschrieben"

Wenn es bei dem Ausschluss des Kandidatenduos bleibe, gegen den die MLP juristisch vorgeht, werde man die Kraft auf die parallel laufenden Parlaments- und Bürgermeisterwahlen konzentrieren, hatte MLP-Generalsekretär Cirillo Pérez im Februar erklärt.

Auch die rechte Partei Podemos wird bei den Wahlen behindert: Ihr Gründer Roberto Arzú wollte kandidieren, seine Einschreibung wurde von der Wahlbehörde aber zurückgewiesen. Das Wahlgericht verurteilte die Partei zudem zur Zahlung von 390.000 Quetzales (etwa 47.000 Euro) wegen "Ereignissen" in den "Finanzbewegungen" der Partei 2018 und 2019.

Roberto Arzú ist der Sohn von Alvaro Arzú, der von 1996 bis 2000 Staatspräsident und von 2003 bis zu seinem Tod 2018 Bürgermeister der Hauptstadt war. In seine Amtszeit als Staatschef fiel die erste Welle der neoliberalen Privatisierungen, unter anderem der Stromversorgung, Telekommunikation und Banken. Die Familie Arzú gehört zu den reichsten des Landes und steht für das "traditionelle Kapital".

Zu möglichen Hintergründen des Vorgehens gegen Podemos wird vermutet, der "Pakt der Korrupten" habe das "traditionelle" und das "neue Kapital" zusammengeschweißt, jetzt sei "Arzú aus der Reihe getanzt und hatte auf ein korruptes Milliardengeschäft um die Energieversorgung hingewiesen". Auch unterschiedliche Positionen zur Internationalen Kommission gegen Straffreiheit könnten eine Rolle spielen, die in der Regierungszeit von Staatspräsident James Morales (2015-2019) aus dem Land gedrängt wurde.

Keine Einwände hatte das Wahlgericht, anders als noch 2019, gegen die Kandidatur von Zury Rios für eine Allianz der weit rechts stehenden Parteien "Valor" und "Unionista". Sie ist die Tochter von Ex-Diktator Efrain Rios Montt. Seine Amtszeit 1982/83 gilt als die blutigste Phase des Bürgerkrieges (1960-1996). Ein Gericht verurteilte ihn 2013 zu einer Haftstrafe von 80 Jahren, das Urteil wurden jedoch wegen angeblicher Verfahrensfehler wenige Tage später wieder aufgehoben. Montt starb 2018 in Freiheit.

Der Schreck, den das Verfahren der Oligarchie dennoch eingejagt hatte, gilt als Geburtsstunde des "Paktes der Korrupten", der seitdem die Oligarchie inklusive ihrer kriminellen Teile systematisch gegen Ermittlungen abschirmt.

2019 war Zury Rios noch unter Hinweis auf die Verfassung, die Blutsverwandten ehemaliger Diktatoren und in Staatsstreiche verwickelter Personen die Kandidatur für politische Ämter verbietet, ausgeschlossen worden.

Dass dies nun nicht passierte, könnte auch auf eine Machtverschiebung und Konflikte innerhalb der Oligarchie hinweisen und im Zusammenhang mit dem Ausschluss von Roberto Arzú stehen. Die Familie Montt, die während des Bürgerkrieges ihre Machtposition festigte, steht für das "neue Kapital", die Familie Arzú repräsentiert dagegen die traditionelle Oberschicht.