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Regierung von Chile legt Notplan gegen den großen Mangel an bezahlbarem Wohnraum auf

Bis 2025 sollen 260.000 Wohnungen bezugsfertig sein. Soziale Infrastruktur mitbedacht. Plan mit Qualifizierung- und Arbeitsbeschaffungsprogramm verbunden

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Regierung informiert über Plan zur Bekämpfung der Wohnungsnot
Regierung informiert über Plan zur Bekämpfung der Wohnungsnot

Santiago. Die Regierung von Präsident Gabriel Boric legt mit dem "Plan de Emergencia Habitacional 2022-2025" (Wohnungsnotplan) ein Programm für den sozialen Wohnungsbau auf, mit dem während seiner Amtszeit 260.000 Wohnungen bezugsfertig erstellt werden sollen. Untersuchungen gehen von einem Fehlbestand von mindestens 640.000 bezahlbaren, sozialverträglichen und würdigen Wohnungen aus.

Die Wohnungsnot in Chile ist vielschichtig und hat eine mehr als hundertjährige Geschichte. Während der Militärdiktatur von Augusto Pinochet (1973 bis 1990), wurden Arbeiter:innenfamilien aus den innerstädtischen Zentren in die ländlichen Außenbezirke zwangsumgesiedelt. In der Folgezeit wurden schnell primitive Wohnungen hochgezogen, die heute zum Teil unbewohnbar sind. Ein Drittel der völlig heruntergekommenen und erst in den 1990er-Jahren gebaute Siedlung Bajos de Mena in Puente Alto wurde abgerissen, der Rest teuer saniert.

Wiederkehrende Naturkatastrophen, geburtenstarke Jahrgänge und während der Pandemie unbezahlbar gewordene Mieten und Hypotheken verursachten, dass sich die Familien im ihnen verbliebenen Wohnraum zusammendrängen oder sich in großen Gruppen wild in sogenannten campamentos ansiedeln. Etwa 300.000 Menschen, ein Drittel davon Migrant:innen, leben in Holzhütten ohne Strom, Wasser, sanitäre Entsorgung etc.

Der Bau der geplanten 260.000 Wohnungen ist laut Bauminister Carlos Montes bereits im Gang. Bis heute wurden 39.000 Wohnungen übergeben und weitere 136.000 befinden sich im Bau. Vor dem Senat fasste der Minister jüngst auch die anzugehenden Probleme zusammen.

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Wohnungsbauprojekt in Los Lagos
Wohnungsbauprojekt in Los Lagos

Demnach haben einige Baufirmen ernsthafte Finanzprobleme und kommen mit dem Bau nicht weiter. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit sei schleppend, neben Wohnraum muss auch das entsprechende Umfeld mit Bildungseinrichtungen, Grünanlagen, Einkaufsmöglichkeiten, Gesundheitsversorgung, Kultur- und Freizeitangebot, etc. gestaltet werden. Es soll verhindert werden, dass, wie in der Vergangenheit geschehen, sich kriminelle Banden in den Neubaugebieten festsetzen. Der Bedarf an bebaubarem Boden sei weiterhin hoch, so der Minister.

Präsident Boric hat alle Ministerien und staatlichen Institutionen aufgerufen, ein Kataster der staatlichen Liegenschaften durchzuführen und Grundstücke zur Bebauung anzubieten. Dies soll erhebliche Kosten einsparen, da auf teuren Aufkauf oder Enteignung verzichtet werden kann.

Der "Wohnungsnotplan" beinhaltet ein groß angelegtes Qualifizierung- und Arbeitsbeschaffungsprogramm. Im letzten Jahr wurden bereits 8.000 Stellen zur kostenlosen Ausbildung von Bauarbeiter:innen ausgeschrieben und alleine in der Region Bio-Bio, Hauptstadt Concepción, rechnet man mit etwa 16.000 neuen Arbeitsplätzen.

Erstmals soll flexibel mit 50 Quadratmetern Mindestfläche, die auf 83 Quadratmeter erweiterbar sind, gebaut werden. Es sollen neue, umweltfreundliche Materialien wie Holz zum Einsatz kommen. Eine Firma stellt ein industrielles Normierungsverfahren vor, welches die Bauzeit um 40 Prozent verkürzen kann. Neu ist auch, dass die Gebäude nicht nur erdbebensicher sein müssen, sondern auch Feuchtigkeit, Feuer, Hitze, Kälte widerstehen, sowie lärmgedämmt sein müssen..

Die Vergabe der Wohnungen soll gemäß Bedürftigkeit, der Lage, Alter, sowie der sozialen Zusammensetzung der Familien erfolgen. Nach geltendem Gesetz besteht die Sozialbindung nur fünf Jahre. Das gestattet dem Eigentümer danach, die Wohnung zu verkaufen oder zu vermieten. Der ehemals preisgünstige Wohnraum wird sich dann dem Marktpreis angleichen und das Fehlen von bezahlbarem Wohnraum sich erneut bemerkbar machen.

Der kommunistische Bürgermeister von Recoleta, Danie Jadue, zeigt mit seiner kommunalen Wohnungsbaugesellschaft andere Möglichkeiten. Er stellt, während die Familien eine endgültige Lösung auf dem freien Wohnungsmarkt suchen, Wohnungen zum Preis von nicht mehr als 25 Prozent des Familieneinkommens zur Verfügung. Die Wohnungen bleiben in Gemeindebesitz und stehen immer wieder neuen Nutzer:innen zur Verfügung.