Brasilien / Politik

Brasilien: Glückwünsche aus aller Welt für Lula, Bolsonaro bricht sein Schweigen

Bolsonaro-Anhänger:innen blockieren Straßen und unterstellen "Wahlbetrug". Präsidialminister kündigt ordnungsgemäße Regierungsübergabe an

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Gratulierte Lula vor Ort: Argentiniens Präsident Alberto Fernández
Gratulierte Lula vor Ort: Argentiniens Präsident Alberto Fernández

Brasília. Zwei Tage nach seiner Niederlage bei den Präsidentschaftswahlen hat sich Jair Bolsonaro am Dienstagnachmittag erstmalig öffentlich geäußert. Während zahlreiche seiner Unterstützer:innen landesweit Straßen blockieren, dankte der noch amtierende Präsident seinen Wähler:innen und erklärte, dass friedlicher Protest "willkommen" sei. 

Er wolle den 50 Millionen Brasilianern danken, die ihn gewählt haben. "Die aktuellen Manifestationen sind Ergebnis der Empörung und des Ungerechtigkeitsgefühls darüber, wie die Wahl gelaufen ist. Friedliche Demonstrationen sind immer willkommen, aber unsere Methoden dürfen nicht die der Linken sein, die immer die Bevölkerung beeinträchtigen, wie das Eindringen auf Privatbesitz, Zerstörung von Kulturgut und die Einschränkung des Rechts auf Fortbewegung", erklärte Bolsonaro in seiner zweiminütigen Rede im Präsidentenpalast vor zahlreichen Journalist:innen.

In seiner kurzen Rede dementierte er die Vorwürfe von undemokratischem Verhalten. Er werde weiterhin als "Präsident und Bürger" der brasilianischen Verfassung Folge leisten.

Seit dem Ende der Militärdiktatur (1964 bis 1985) hatte sich die Tradition etabliert, dass der Verlierer der Präsidentschaftswahlen den Sieger telefonisch kontaktiert und eine offizielle Stellungnahme abgibt. Bolsonaro ist der erste Präsident, der sich dieser Tradition widersetzt hat und knapp 44 Stunden in Stillschweigen verharrte. Lula erklärte, dass er bisher keinen Anruf von ihm erhalten habe.

Anschließend an Bolsonaros Rede gab der Präsidialminister Ciro Nogueira, ausdrücklich im Auftrag Bolsonaros, den Beginn des Transitionsprozesses für den Regierungswechsel bekannt. Viele Bürger:innen hatten sich in den vergangenen Tagen besorgt gezeigt, dass der Amtsinhaber die Wahlergebnisse anfechten würde.

Derweil kommt es im ganzen Land zu Straßenblockaden. LKW-Fahrer:innen, die Bolsonaro unterstützen, legten in mindestens 25 Bundesstaaten den Verkehr auf großen Straßen lahm. Mit brennenden Reifen blockieren sie an über 342 Stellen die Verkehrswege und fordern, dass Bolsonaro sich zu den Wahlen äußern soll. Seine Anhänger:innen gehen von Wahlbetrug aus und erklären, dass es eine "Enttäuschung" wäre, wenn er die Wahl anerkennen würde.

Indes hat der Vorsitzende des Obersten Wahlgerichts (TSE) und Richter am Obersten Gerichtshof (STF), Alexandre de Moraes, eine sofortige Beendigung der Straßensperren angeordnet. Die Bundesstraßenpolizei (PRF) ging zuvor vereinzelt gegen die Blockaden vor. In den sozialen Medien kursieren auch Videos, auf denen zu sehen ist, wie sich die anwesende Polizei mit den Demonstrierenden solidarisiert.

Das Plenum des STF bestätigte die Entscheidung von de Moraes, die Bundesregierung müsse unverzüglich "alle notwendigen und ausreichende Maßnahmen" ergreifen, um die Straßen frei zu machen. Die Bundesstraßenpolizei räumte daraufhin am Dienstag nach eigenen Angaben 246 Blockaden.

Gleisi Hoffmann, Vorsitzende der Arbeiterpartei (PT), mahnte: "Ich möchte daran erinnern, dass der derzeitige Präsident des Landes Jair Messias Bolsonaro ist. Die Verantwortung tragen er und die Behörden, die er regiert. Er muss das lösen, um die Bevölkerung nicht zu schädigen".

Die Nationale Föderation der Arbeiter in Transport und Logistik (Confederação Nacional dos Trabalhadores em Transporte e Logística) hat die Proteste als "antidemokratisch" kritisiert. "Wir müssen respektieren, was die Bevölkerung an den Urnen entschieden hat; den Sieg von Luís Inácio Lula da Silva".

Derweil erhält der Gewinner der Wahl, Lula da Silva, Glückwünsche aus zahlreichen Ländern. Politiker:innen und Staatsoberhäupter unter anderem aus China, Angola, Japan, Australien, Frankreich, Spanien, Russland, der Ukraine und vielen Ländern Lateinamerikas wie Venezuela, Mexiko, Kuba, Bolivien, Nicaragua, Panama, Honduras, Ecuador, Chile, Peru und der Dominikanischen Republik gratulierten Lula zum Wahlsieg und äußerten den Wunsch nach einer freundschaftlichen und guten Zusammenarbeit.

US-Präsident Joe Biden erklärte: "Ich sende Luíz Inácio Lula da Silva meine Glückwünsche zur Wahl zum nächsten Präsidenten Brasiliens nach freien, fairen und glaubwürdigen Wahlen. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit, um die Kooperation unserer beider Länder in den kommenden Monaten und Jahren fortzusetzen". 

Der argentinische Präsident Alberto Fernández war der erste, der sich mit Lula traf. Noch am Montag besuchte er den zukünftigen Präsidenten Brasiliens in São Paulo, um mit ihm zu Mittag zu essen und über bilateralen Handel und den Austausch von Nahrung und Energie zu sprechen. "Lula ist ein guter Mann, er ist eine Führungsperson in der Region. Wir sind sehr zufrieden", äußerte sich Fernández. Er sei sich sicher, dass Lula helfen könne, den "Kontinent wieder zu vereinen". 

"In der Celac fehlte Brasiliens Präsenz", ergänzte Fernández. In der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires hatte zuletzt das 23. Außenministertreffen der Gemeinschaft lateinamerikanischer und karibischer Staaten (Celac) stattgefunden. Das Bündnis umfasst 33 Mitgliedsstaaten aus Lateinamerika und der Karibik, einzig Brasilien hatte seine Mitarbeit unter Bolsonaro im Januar 2020 ausgesetzt.

Lula wird Fernández noch vor seinem Amtsantritt Anfang Januar in Argentinien besuchen.

Auch der kubanische Präsident Miguel Díaz-Canel bekundete über Twitter seine Freude über den Ausgang der Wahl. "Wir feiern deinen großen Sieg für die Einheit, den Frieden und die Integration Lateinamerikas und der Karibik", richtete er sich an Lula.

Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz twitterte: "Ich freue mich auf eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Brasilien - insbesondere in Fragen von Handel und Klimaschutz".