Chile / Politik

Chile vor dem Referendum: Regierungsparteien beschließen Änderungen der Verfassung

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Die Vorstände der Regierungsparteien nach Abschluss des Abkommens
Die Vorstände der Regierungsparteien nach Abschluss des Abkommens

Santiago. Inmitten der Kampagnen für die Volksabstimmung über die neue Verfassung haben die Regierungsparteien in einem internen Abkommen fünf ergänzende Verfassungsänderungen beschlossen.

Dabei geht es um Themen wie Plurinationalität, soziale Rechte wie Erziehung, Gesundheit und Rente, Sicherheit, politische Ordnung und Justiz. In der Mehrheit also die Zentralthemen der Bevölkerung, die zum Aufstand vom Oktober 2019 geführt hatten und die in der Auseinandersetzung um die neue Verfassung stark umstritten sind.

Im Vorspann des Abkommens heißt es: "Diese Einigung klärt bestimmte Zweifel und Auslegungen, die zur Verwirrung und Fehlinformation der Bürger beigetragen haben, und trägt so zu einer verantwortungsvollen und informierten Stimmabgabe bei."

Damit solle "Sicherheit über den Fahrplan für die Umsetzung der neuen Verfassung geschaffen und eine brutale und millionenschwere Desinformationskampagne der Rechten bekämpft werden", sagte Senator Juan Latorre, Vorsitzender der Partei Revolución Democrática.

Rechtlich ist das Vorgehen der Regierunsparteien zwar abgedeckt: Bis zum 11. März 2026 können Projekte zur Verfassungsänderung im Parlament verabschiedet werden. Politisch wird es allerdings heftig kritisiert.

Eine der Vertreterinnen der Mapuche im Verfassungskonvent, Rosa Catrileo, sagte: "Hier wird die Demokratie nicht respektiert", denn die nun vereinbarten Änderungen seien nicht von den gewählten unabhängigen Volksvertretern in den Entwurf der neuen Verfassung aufgenommen worden, die am 4. September zur Abstimmung steht. Unabhängige Teilnehmer des Konvents hatten diesen Schritt der Regierung von Gabriel Boric bereits befürchtet und lehnen ihn als Missachtung ihrer Arbeit und des Willens der Bevölkerung ab.

Weit über 100 soziale und territoriale Bewegungen sowie zahlreiche Einzelpersonen haben das Abkommen umgehend scharf zurückgewiesen. In einer gemeinsamen Erklärung "Zur Verteidigung der neuen Verfassung und der direkten Demokratie" setzen sie sich für eine bedingungslose Zustimmung zur Verabschiedung des neuen Verfassungstextes ein.

Das Abkommen der Parteien bedeute ein "Einknicken" der Linksregierung gegenüber dem Druck von rechts. Sie verwässere damit den neuen Verfassungstext in entscheidenden Fragen und beraube ihn wesentlicher Inhalte. So sollen die vorgesehenen weitgehenden Rechte der indigenen Gemeinschaften wieder eingeschränkt, der Privatsektor etwa im Gesundheits-und Bildungsbereich oder bei der Rente weiterhin gefördert und die Regelungen für die Verhängung des Ausnahmezustandes aus der alten Verfassung fast unverändert beibehalten werden.

Die Vereinbarungen ließen nichts Gutes für die Zukunft der gesellschaftlichen Veränderungen erwarten, "für die während des Aufstands ein so hoher Preis gezahlt wurde", heißt es weiter. Die Regierung und die politischen Parteien sollten sich auf ihre Aufgabe konzentrieren, zu regieren und Gesetze zu erlassen, die Antworten auf die sozialen Forderungen, die steigenden Lebenshaltungskosten und die Ursachen für das Gefühl der Unsicherheit seien. Sie hätten vergessen, "dass der verfassungsgebende Prozess aus dem sozialen Aufruhr und der Revolte entstanden ist, die mit den historischen Kämpfen um Wasser, Daseinsvorsorge und Bildung verbunden sind. Dieser Prozess war kein Geschenk der politischen Klasse, die heute wieder einmal antidemokratische Verfahren anwendet, um das Modell des Elends weiter zu verwalten", so die Verfasser.

Für den Fall, dass die neue Verfassung beim Referendum keine Mehrheit bekommt, hat die Regierung die rechten und ablehnenden Sektoren schon jetzt zum Dialog eingeladen, und sie aufgefordert, eigene Vorschläge für eine Reform vorzulegen. Auch die Wirtschaft wird im Vorfeld des Plebiszits beruhigt: Boric und Finanzminister Mario Marcel trafen sich am Dienstag mit wichtigen Wirtschaftsvertretern, um die "Regierbarkeit" und die Auslandsinvestitionen zu garantieren. Boric sagte der Unternehmerschaft zu, Änderungen an der geplanten Steuerreform vorzunehmen, um optimale Investitionsbedingungen zu garantieren.