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"Souveränität und nachhaltige Entwicklung": Lula kandidiert zur Präsidentschaft in Brasilien

Breites Wahlbündnis. Fokus auf Umweltschutz, Bildung und soziale Grundsicherung. Kampagne setzt auf "Miteinander und Harmonie"

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Lula bei der Bekanntgabe seiner Präsidentschaftskandidatur
Lula bei der Bekanntgabe seiner Präsidentschaftskandidatur

São Paulo. Mit 77 Jahren könnte Luíz Ignacio da Silva seine dritte Amtszeit als Präsident von Brasilien antreten. Seine Kandidatur für die Wahlen im Oktober machte er vergangenen Samstag im Expo Center Norte in São Paulo offiziell bekannt.

Rund 4.000 Personen erschienen bei der Veranstaltung, darunter auch bekannte Künstler:innen und Aktivist:innen, sowie Mitglieder aller Parteien, die sich zusammengeschlossen haben, um da Silva zu unterstützen. "Vamos juntos por Brasil" umfasst insgesamt sieben Parteien und Gruppen und ist das bislang größte Wahlbündnis.

"Wir werden diesen Streit für die Demokratie gewinnen, indem wir ein Lächeln, einen Weg, Liebe und Frieden teilen und Harmonie schaffen", sagte da Silva in seiner Rede. Er wolle Brasilien "rekonstruieren", mithilfe von "nachhaltiger Entwicklung", "Arbeitsplätzen und fairen Löhnen" sowie "sozialem Schutz".

"Kein Land wird souverän sein, wenn seiner Bevölkerung der Zugang zu Gesundheit, Bildung, Beruf, Sicherheit und qualitativer Ernährung verwehrt bleibt", so eine der programmatischen Aussagen des Kandidaten zur Präsidentschaft.

Er wünsche sich ein "glückliches Volk, welches wieder gut essen kann und gute Arbeit, einen fairen Lohn sowie Rechte hat. Ein Volk, das sein Leben verbessern und seine Kinder gesund aufwachsen sehen kann". Für die wirtschaftliche Umstrukturierung des Landes will sich da Silva vor allem an der armen Bevölkerung orientieren und sicherte weitreichende Unterstützung zu. 

In den kommenden Monaten möchte der Kandidat durchs Land reisen, um mit Menschen vor Ort zu sprechen. Neben einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen strebt er auch eine Erhöhung des Mindestlohns an. Zudem sollen Arbeiter:innen und Gewerkschaften einen größeren Einfluss auf die Politik haben.

In diesem Zusammenhang kritisierte Lula die Privatisierung verschiedener Wirtschaftsbereiche und forderte deren Verstaatlichung. Seine Bilanz der amtierenden Regierung ist eine scharfe Anklage: "Sie bedrohen, demontieren, verschrotten, verkaufen unsere strategisch wichtigsten Unternehmen, unser Öl, unsere staatlichen Banken, unsere Umwelt. Sie geben all dieses außergewöhnliche Erbe ab, das nicht ihnen, sondern dem brasilianischen Volk gehört." Es sei "mehr als dringend", in diesem Bereich "die Souveränität Brasiliens wiederherzustellen".

Zur Stärkung der Wirtschaft setzt Lula auf die regionale Integration Lateinamerikas. Zuletzt hatte er hierfür die Gründung einer gemeinsamen Währung mit dem Namen "Sur" vorgeschlagen. Diese soll den Handel zwischen den lateinamerikanischen Ländern vereinfachen und die Region unabhängiger vom US-Dollar machen. "Unsere Souveränität zu verteidigen bedeutet auch, die Integration Südamerikas, Lateinamerikas und der Karibik zu verteidigen", wiederholte da Silva eine zentrale programmatische Aussage.

Lula betonte in seiner Rede, dass die Förderung der Wirtschaft eng mit dem Erhalt der Natur einhergehen sollte. Die friedliche Koexistenz zwischen ökonomischer Entwicklung und Respekt vor Natur und Mensch müsse gesichert werden, mahnte er. Besonders im Hinblick auf die indigene Bevölkerung sei dies wichtig. Die derzeitige Zerstörung der Wälder und Flüsse laste auf ihren Schultern. Den indigenen Gemeinschaften sicherte da Silva Schutz und Unterstützung zu.

Er kritisierte ferner, dass in den vergangenen Jahren der Hunger in Brasilien stark zugenommen habe, obwohl das Land der drittgrößte Lebensmittelproduzent der Welt sei und somit die eigene Bevölkerung eigentlich gut ernähren könnte.

Neben der Bekämpfung von Armut und Hunger fordert Lula zudem höheren staatlichen Einsatz im Bereich Bildung und Forschung. "Bildung ist die günstigste Investition, die ein Land machen kann". Sollte er Präsident werden, würde er sich für die Gründung von mehr Institutionen, mehr Forschung, für einen besseren Zugang zu Universitäten und finanzielle Unterstützung für Studierende einsetzen.

Auch den aus seiner Sicht hohen Stellenwert von Kunst und Kultur betonte der Kandidat in seiner Rede im Expo Center Norte: "Wir brauchen Musik, Kino, Theater, Tanz und Bücher statt Waffen. Kultur muss wie ein Grundbedürfnis behandelt werden”.

Ein besonderer Moment auf der Veranstaltung war die Liebeserklärung seiner Verlobten und baldigen Ehefrau Rosângela da Silva. Gemeinsam hat sie mit dem bekannten Fotografen Ricardo Stuckert das Lied "Sem medo de ser feliz" (Keine Angst, glücklich zu sein) in Zusammenarbeit mit verschiedenen Künstler:innen erneut aufgenommen. Komponiert wurde der Song ursprünglich von Hilton Aciolo und stammt aus der Zeit der ersten Präsidentschaftskandidatur Lulas im Jahre 1989.

"Du hast zu mir gesagt, du würdest nie wieder eine so emotionale Kampagne führen können wie '89, aber ich dachte mir, dass wir genau das in diesem Jahr brauchen. In unseren Herzen ist Hoffnung auf ein besseres Brasilien und Hoffnung, dass wir dieses Land umgestalten können. Ich liebe Dich". Mit diesen Worten widmete sie Lula die neue Version des Liedes, das der neue Wahlkampf-Song für die Oktober-Wahl sein wird.

"Ich bin mir sicher, dass wir die größte friedliche Revolution machen können, die die Welt je gesehen hat" sagte der Kandidat. Sein Wahlkampf soll "im Zeichen der Liebe, des Miteinanders und der gemeinschaftlichen Zusammenarbeit für ein glückliches, stabiles und tolerantes Brasilien" stehen.