Brasilien / Politik

In Brasilien entsteht rechte "Superpartei"

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Die neue Partei wird zur stärksten Fraktion im brasilianischen Parlament
Die neue Partei wird zur stärksten Fraktion im brasilianischen Parlament

Brasília. Zwei der größten Parteien des rechtskonservativen bis reaktionären Lagers in Brasilien, DEM (Democratas) und PSL (Partido Social Liberal), haben sich zur "Union Brasilien" (União Brasil) zusammengeschlossen. Die Union wird mit 82 der insgesamt 513 Abgeordneten die mit Abstand größte der 22 im Parlament vertretenen Parteien sein. 54 ihrer Abgeordneten kommen aus der PSL, der bisher größten Partei, und 28 Abgeordnete stammen aus der DEM, der elftgrößten Partei. Die linksgerichtete Arbeiterpartei PT mit 53 Abgeordneten, also zehn Prozent der Sitze, bleibt die zweitstärkste Fraktion.

Die Fusion zur rechten Groß-Partei steht ganz im Licht der Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr. Bei dieser haben der amtierende Präsident Jair Bolsonaro sowie sein größter Konkurrent, der frühere Präsident Luiz Inácio Lula da Silva, die größten Chancen, in die Stichwahl einzuziehen. Aussichtsreiche Kandidat:innen, die das rechte Lager bis hin zum Zentrum vertreten und eine Alternative zum ultrarechten Bolsonaro bieten, gibt es nicht. In dieses Vakuum stößt nun die Union Brasilien vor. "Unsere Priorität ist es, einen eigenen Kandidaten aufzustellen", erklärte Antonio Carlos Magalhaes Neto, Fraktionschef der DEM anlässlich der Parteigründung.

Einer kandidierenden Person der neuen União räumen Beobachter:innen reale Chancen ein, zumindest in die Stichwahl zu kommen. Laut Umfragen wollen sich viele Wähler:innen in der polarisierten Wahl enthalten. Andere stimmen nur notgedrungen und nicht aus Sympathie für einen der beiden bisher aussichtsreichsten Kandidaten, sondern aus Antipathie zu dessen Gegner. Ein moderaterer Rechtskandidat, der weniger brachial auftritt, könnte vor allem Bolsonaro Stimmen kosten. Zudem winkt der neuen Großpartei eine staatliche Wahlkampfhilfe von 160 Millionen Reais, etwa 25 Millionen Euro. "Das ist genug Geld, um bei den Wahlen vorne mitzuspielen. Vor allem bei den Wahlen in den Bundesstaaten", kommentierte Ricardo Corrêa, politischer Analyst.

Zwar haben DEM und PSL die Politik der Regierung, die über keine eigene Mehrheit im Parlament verfügt, maßgeblich mitgetragen. Von dem aggressiv auftretenden Bolsonaro und dessen demokratiefeindlichen Äußerungen distanzieren sie sich aber in der Regel.

Der bisherige PSL-Präsident Luciano Bivar forderte die Mitglieder auf, dem Zusammenschluss von DEM und PSL zu folgen. Beide Parteien seien von denselben Werten getragen. Wer für Demokratie und Rechtsstaat eintrete, solle in der Union Brasilien bleiben, so Bivar. Der Appell richtete sich vor allem an jene, die sich vom ehemaligen Parteimitglied und amtierenden Präsidenten Bolsonaro abgrenzen wollen. Dieser war im November 2019 wegen parteiinterner Ränkespiele, Korruptionsermittlungen und der politischen Ausrichtung der PSL ausgetreten und ist seitdem parteilos.

Die Aufbruchstimmung nach der Fusion täuschte nicht einmal zehn Tage über die tiefen Lagerkämpfe zwischen Anhänger:innen und Gegner:innen Bolsonaros in beiden Parteien hinweg. Nachdem die Parteichefs ankündigten, dass der Bolsonarist Wagner dos Santos Carneiro der neue Chef der Union Brasilien für den Bundesstaat Rio de Janeiro werden könnte, drohten etliche Mitglieder mit einem "Massen-Exodus". Eine andere Zerreißprobe droht, wenn sich der derzeit parteilose Präsident einer neuen Partei anschließt, um wieder kandidieren zu dürfen. Dann wollen ihm viele ihm Wohlgesonnene in diese Partei folgen.

Die PSL war bis zu den Wahlen 2018 eine unbedeutende Kleinpartei mit 0,2 Prozent der Stimmen bis sich der amtierende Präsident über ihre Liste aufstellte. In diesem Zug gewannen die Kandidat:innen der PSL, viele Polizist:innen oder Militärs, vielerorts und die PSL wurde mit zehn Prozent zur größten Partei. Die DEM war aus der Militärdiktatur hervorgegangen und gilt als eine Partei des Großgrundbesitzes und politischer Familiendynastien.