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Polarisierung zwischen Regierung und Parlament in Peru verschärft sich

Parlamentsvorsitzende: "Die Straße fordert die Amtsenthebung des Präsidenten". Regierungspartei verlangt ihre Entlassung

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Die Parlamentspräsidentin von Peru: María del Carmen Alva
Die Parlamentspräsidentin von Peru: María del Carmen Alva

Lima. Die Regierungsfraktion im Kongress von Peru hat einen Misstrauensantrag gegen die Parlamentspräsidentin María del Carmen Alva gestellt. Diese hatte in einem Interview gesagt, "die Straße" fordere die Amtsenthebung des linken Präsidenten Pedro Castillo. Der Misstrauensantrag ging von der Abgeordneten Kelly Portalatino von der Partei Freies Peru (Perú Libre, PL) aus. Die Parlamentspräsidentin, die der Mitte-Rechts-Fraktion der Volksaktion (AP) angehört, habe mit ihrer "unbegründeten" Aussage klar "antidemokratisch" und "putschistisch" agiert.

Im Antrag selbst heißt es: "In diesen Momenten der Krise benötigt es eine herzliche, kluge und demokratische Zusammenarbeit zwischen der Exekutiven und Legislativen, um Maßnahmen, Gesetze und Politiken zu erarbeiten, die den Millionen Peruanern helfen können, die momentan in Armut oder extremer Armut leben, und die aktuelle Kongresspräsidentin garantiert das nicht."

Da PL und ihr de-facto-Koalitionspartner "Gemeinsam für Peru" (JP) über keine Mehrheit im Parlament verfügen, bleibt der Antrag höchstwahrscheinlich ein symbolischer Akt, der weitere Debatten über die wiederholten Angriffe aus der Opposition anstoßen soll. Ein erfolgreiches Misstrauensvotum müsste von einer Mehrheit der Abgeordneten gestützt werden.

Die Parlamentspräsidentin selbst bestreitet die Vorwürfe und betont, das Zitat sei aus dem Zusammenhang gerissen. "Der Kongress wird sich nie zu einem Putsch hinreißen lassen", schrieb Alva auf Twitter. "Meine familiäre Erziehung und meine parteipolitische Laufbahn standen stets im Zeichen des Respekts für die Demokratie und die Verfassung."

Vergangene Woche hatte die Regierung von Präsident Castillo ihren Haushaltsentwurf für das Jahr 2022 vorgestellt. Darin ist ein Fokus auf Gesundheit und Pandemiebekämpfung vorgesehen. Peru war in der Vergangenheit eines der Länder der Region, die am wenigsten in Gesundheit investierten.

Weitere Schwerpunkte im Haushalt sind Bildung, Landwirtschaft, Armutsbekämpfung sowie die Reaktivierung der Wirtschaft, die im Vorjahr um 13 Prozent eingesackt war. Wirtschafts- und Finanzminister Pedro Francke betonte, dass der diesjährige Haushalt 7,6 Prozent mehr Investitionen vorsehe als der Letzte.

Beobachter:innen kritisieren die weiterhin starke Zentralisierung im Budget, von dem nur 36 Prozent an Regional- und Kommunalregierungen gingen – lediglich zwei Prozentpunkte mehr als im Vorjahr. Andere heißen die vorsichtige Erhöhung gut. "Das Problem liegt in der Fähigkeit der subnationalen Regierung, gut mit dem Geld umzugehen, es hat sich in den vergangenen Jahren nur wenig geändert", kommentiert Wirtschaftsprofessor Enzo Defillipi.

Aber auch in den eigenen Reihen stießen die zaghaften Reformbemühungen der Regierung auf ein geteiltes Echo. Die PL-Abgeordnete María Antonieta Agüero nannte das Budget einen "Kontinuitätshaushalt". "Die Regierung wurde mit der Hoffnung von Millionen Marginalisierten gewählt, die darauf vertrauen, dass sich ihre Situation ändert und dass es endlich soziale Gerechtigkeit geben wird", so Agüero.

Derweil reißen die Kontroversen über den Kabinettschef Guido Bellido nicht ab (amerika21 berichtete). Die oppositionelle Kongressabgeordnete Patricia Chirinos hatte ihm vorgeworfen, ihr in einer verbalen Auseinandersetzung mit einer Vergewaltigung gedroht zu haben. Der Ministerpräsident bestreitet die Vorwürfe und rät stattdessen Frauen, die jemanden der sexuellen Belästigung bezichtigen, daran zu denken, was passieren würde, wenn jemand anderes den eigenen Sohn oder Vater beschuldigen würde.

Die Gewalt gegen Frauen ist eines der großen Probleme des Andenstaats (amerika21 berichtete). Viele Fälle bleiben unaufgeklärt oder werden gar nicht erst angezeigt.

Auch vergangene Beiträge im Internet holen Bellido jetzt wieder ein: In mehreren, nun neu aufgetauchten Posts habe er sich "positiv" auf die maoistische Guerilla-Organisation Leuchtender Pfad (SL) bezogen. Unter anderem zitierte er ihren Anführer Abimael Guzmán. Damit ist er nicht das einzige Regierungsmitglied dem Sympathien mit dem SL nachgesagt werden: Arbeitsminister Iber Maraví soll nun – entgegen eigenen Aussagen – eine frühere Mitgliedschaft in der angeblich SL-nahen Gewerkschaft Conare-Sutep nachgewiesen worden sein.

Derweil läuft ein Strafverfahren gegen den PL-Parlamentarier Guillermo Bermejo. Er wird der "Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung" beschuldigt, da er angeblich über Verbindungen zu SL-Nachfolge-Guerillas in der sogenannten Vraem-Region verfügt. Bermejo bestreitet die Vorwürfe und hält das Verfahren für politisch motiviert.