Venezuela / Politik

Regierung von Venezuela und Guaidó-Fraktion führen "konstruktive" Gespräche

Verhandlungsparteien betonen "Notwendigkeit der Aufhebung der Sanktionen" und lehnen "jegliche Gewalt gegen Venezuela" ab

mexiko_dialog_venezuela_13-8-21.jpeg

Von links nach rechts: Ricardo Blyde, Dag Nyland (Regierung Norwegen), Jorge Rodríguez und Marcelo Ebrard (Außenminister Mexiko) bei der Unterzeichnung des Memorandums
Von links nach rechts: Ricardo Blyde, Dag Nyland (Regierung Norwegen), Jorge Rodríguez und Marcelo Ebrard (Außenminister Mexiko) bei der Unterzeichnung des Memorandums

Mexiko-Stadt/Caracas. Die Regierung von Venezuela und die ultrarechte Opposition haben in einer gemeinsamen Stellungnahme die ersten Schritte der Verhandlungen als "konstruktiv" bezeichnet.

Die Gespräche fanden am Samstag und Sonntag in Mexikos Hauptstadt statt, vermittelt durch die Regierungen von Norwegen und Mexiko. Anders als bei früheren Verhandlungen werden mehr als ein Dutzend Länder als Mediatoren fungieren, darunter die Niederlande, Russland, Bolivien und die Türkei.

Präsident Nicolás Maduro sagte am Montag gegenüber Medienvertretern, sein Team habe sich "hingesetzt und denen, die uns töten wollten, in die Augen gesehen".

Für die Regierung nahmen der Präsident der Nationalversammlung, Jorge Rodríguez, der Gouverneur des Bundesstaates Miranda, Hector Rodríguez (nicht verwandt) und der Parlamentsabgeordnete Nicolás Maduro Guerra, Maduros Sohn, teil; für die Opposition der frühere Bürgermeister Gerardo Blyde, der Ex-Parlamentarier Stalin González und die Vertreter des selbsternannten "Interimspräsidenten" Juan Guaidó in den USA und Kolumbien, Carlos Vecchio und Tomás Guanipa.

Guaidó und Maduro hatten zuvor klare Ziele formuliert: Ersterer drängt auf neue Präsidentschafts- und Parlamentswahlen; Maduro fordert die Aufhebung der Sanktionen Washingtons, die Rückgabe eingefrorener oder beschlagnahmter Vermögenswerte sowie die Achtung der legitimen Institutionen des Landes und die Beendigung der gewaltsamen Taktik der Opposition.

Beide Parteien unterzeichneten eine Absichtserklärung, in der sie sich verpflichten, "die Verfassung, die Rechtsstaatlichkeit und die Menschenrechte zu respektieren" und das "Wohlergehen des venezolanischen Volkes" an erste Stelle zu setzen. Weitere Punkte sind die Unterstützung einer "integrativen Demokratie und einer Kultur der Toleranz" sowie "Wahlen mit Garantien". Die Verhandlungspartner betonen zudem die "Notwendigkeit der Aufhebung der Sanktionen" und lehnen "jegliche Gewalt gegen Venezuela" ab.

Während unklar ist, wie weit jede Partei zu Zugeständnissen bereit ist, wurde der Oppositionspolitiker Freddy Guevara am Sonntag aus der Haft entlassen. Dies wurde allgemein als ein frühes Ergebnis des Dialogs angesehen. Ihm soll Hausarrest gewährt worden sein.

Guevara war am 12. Juli verhaftet worden. Laut Anklage liegen Beweise vor, die ihn in Verbindung mit paramilitärischen Aktivitäten bringen. Die Freilassung sogenannter politischer Gefangener steht auf der Liste der Forderungen der Opposition.

Am Wochenende veröffentlichte Washington eine gemeinsame Erklärung mit der Europäischen Union (EU) und Kanada, in der die Verhandlungen unterstützt und die Forderung nach neuen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen gemäß "internationalen demokratischen Standards" bekräftigt werden. Die Legislaturperiode des Parlaments endet 2026, die Amtszeit von Maduro 2024.

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell ergänzte, die Unterzeichner seien auch bereit, "Sanktionen zu überprüfen, wenn Fortschritte bei den Gesprächen erreicht werden". Was "Fortschritt" meint, sagte er nicht.

Venezuelas Außenminister Jorge Arreaza reagierte sofort und bezeichnete Borrells Aussage als "Erpressung". Sanktionen sollten "aufgrund ihrer Illegalität und Perversion abgeschafft werden. Wenn ihr helfen wollt, dann respektiert die Gespräche", so Arreaza.

Russlands Regierung begrüßte das Zustandekommen der Verhandlungen und forderte die beteiligten internationalen Parteien auf, von einer "destruktiven Einmischung“ Abstand zu nehmen.

In Venezuela selbst wird die Dialoginitiative von fast allen oppositionellen und regierungsnahen Kräften unterstützt. Der zweimal unterlegene Präsidentschaftskandidat Henrique Capriles erklärte: "Der große Gewinner wird Venezuela sein". Die Oppositionsparteien rief er zur Teilnahme an den Regional- und Lokalwahlen im November auf.

Bei den Basisbewegungen gibt es geteilte Meinungen. Viele Aktivisten äußerten ihre Ablehnung möglicher Zugeständnisse und verglichen die Verhandlungen mit dem "Pakt von Punto Fijo", den die Parteien Acción Democrática, COPEI und URD 1958 schlossen. Damit bekamen sie gemäß ihrem Wahlerfolg Anteil an der Regierung der Gewinnerpartei. Die Kommunistische Partei, die maßgeblich zum Sturz der Diktatur beigetragen hatte, war nicht einbezogen. Die URD verlor an Einfluss, AD und Copei teilten sich die Macht bis zum Amtsantritt von Hugo Chávez 1999. Das seit 1950 bestehende Verbot der KP blieb bis zur Generalamnestie 1970 bestehen.

KP und die APR haben zuletzt mehrfach einen "Pakt zwischen Eliten" angeprangert, der die Last der "kapitalistischen Krise" auf die Schultern der Arbeiter legen soll. Sie kritisieren auch eine "zunehmende Öffnung" der Regierung gegenüber der Opposition, etwa mit dem Anti-Blockade-Gesetz und dem Gesetz über Sonderwirtschaftszonen.

Die aktuellen Dialogbemühungen folgen gescheiterten Gesprächen im Jahr 2019 in Norwegen und Barbados. Die Regierungsvertreter beendeten sie, nachdem die USA neue weitreichende Sanktionen verhängten. 2017 verließen Oppositionsführer den Verhandlungstisch in der Dominikanischen Republik nach einem Telefonat von US-Außenminister Rex Tillerson mit dem Hauptverhandlungsführer Julio Borges.

Gespräche mit gemäßigteren Oppositionsfraktionen sowie mit dem Unternehmer- und dem Industrieverband haben zu einer stärkeren Beteiligung der Opposition an den Parlamentswahlen im Dezember 2020, zu Wahlgarantien und zur Freilassung einer Reihe inhaftierter Oppositioneller geführt.