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Kubas Regierung intensiviert Austausch mit der Bevölkerung

Zahlreiche Treffen mit verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen. Präsident ruft zu mehr Austausch und Beteiligung in allen Bereichen auf

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Präsident Díaz-Canel beim Rundgang im Stadtteil San Isidro von Havanna
Präsident Díaz-Canel beim Rundgang im Stadtteil San Isidro von Havanna

Havanna. Der Gedankenaustausch in Kuba zwischen Regierungsmitgliedern und der Bevölkerung wird weiter verstärkt. Miguel Díaz-Canel, der Erste Sekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Kubas und Präsident der Republik, trifft derzeit mit verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen zusammen und besucht Gemeinden.

An der Universität von Havanna traf Díaz-Canel unlängst mit über hundert jungen Leuten aus den verschiedensten Bereichen zu einem regen Dialog zusammen. Darunter waren Studierende, angehende Ärzte, Lehrer, Bauern, Angestellte des Gesundheitswesens, Dienstleistungsangestellte und auch Selbstständige, die nicht nur aus der Hauptstadt, sondern aus ganz Kuba kamen.

Unter freiem Himmel, auf den Stufen zu den Hörsälen der Fakultät für Mathematik und Informatik, sprachen die jungen Leute fast vier Stunden darüber, wie man Veränderungen herbeiführen könne, über nützliche Erfahrungen, die sich verallgemeinern lassen, über Fehler, die korrigiert werden können und müssen, über persönliche Lebensprojekte, über die Notwendigkeit sich selbst zu verbessern und sich an der Lösung der Probleme zu beteiligen, darüber, wie sehr die Pandemie das Leben der Menschen verändert hat, über die Bündelung von Kräften, darüber, in die Stadtviertel zu gehen und dort Teil der Veränderungen zu sein, die stattfinden, und über die zahlreichen Herausforderungen, die heute vor ihnen liegen.

Dabei sprach Diaz-Canel auch von seinem eigenen Entwicklungsweg, der ihn in die Politik brachte. Er glaube an die Jugend, sie müsse einbezogen werden und brauche "Räume zur Mitgestaltung", sagte er. "Alles muss mit der Jugend zusammen gemacht werden, denn wer wird in weniger als zehn Jahren dort sitzen, wo ihr jetzt sitzt: Ihr? Nein, andere junge Leute. Und wer wird hier sitzen, wo ich jetzt sitze? Das werdet ihr sein!"

Bereits in den Tagen zuvor besprach sich der kubanische Präsident mit Mitgliedern des Kirchenrats und ökumenischen Vertretern. Diese konzentrierten sich auf die Frage, was man gemeinsam für das Wohl des Landes tun kann, brachte aber auch die Hürden ans Licht, die sie bei der Ausübung ihrer Arbeit erfahren. Ein ähnlicher Gedankenaustausch fand mit dem Nationalen Verband der Ökonomen und Buchhalter Kubas (ANEC) statt, wobei auch die Probleme und Unzulänglichkeiten bei der Umsetzung der zahlreichen wirtschaftspolitischen Innovationen im Land diskutiert wurden.

Am vergangenen Donnerstag besuchte Díaz-Canel mit mehreren Führungsmitglieder der Kommunistischen Partei das Viertel San Isidro im Stadtbezirk Alt-Havanna. Nach einem Rundgang traf er dort mit rund 100 Vertretern von religiösen Einrichtungen, von Nachbarschafts- sowie gemeinschaftlichen Kultur- und Sportprojekten, mit Sozialarbeitern und jungen Menschen zusammen, die im Viertel aktiv sind. Einig waren sich die Anwesenden in dem Anliegen, lokale Initiativen an der Basis zu fördern. Mehr als drei Stunden lang diente die Mehrzweckhalle Jesús Montané Oropesa als Bühne für Berichte über produktive Projekte, das Anprangern von Hindernissen und Vorschläge für Lösungen angesichts der alltäglichen Probleme im Viertel.

Der Stadtteil San Isidro wurde international bekannt, nachdem dort im Frühjahr  ein "Künstlerkollektiv" namens Movimiento San Isidro gegen die Regierung teils gewaltsam protestiert hatte. Die Gruppierung ist höchst umstritten, da sie nachweislich von den USA finanziell, politisch und medial unterstützt wird, und es gibt Hinweise, dass einige Vorkommnisse inszeniert und provoziert worden sind.

Der Gouverneur von Havanna, Reinaldo García Zapata, erläuterte bei der Zusammenkunft, dass das Konzept der Regierung nicht darin bestehe, in den Gemeinden zu intervenieren, sondern auf der Grundlage ihrer eigenen Beteiligung das zu tun, was die Bevölkerung brauche.

Díaz-Canel betonte, dass dies auch ein Weg des Lernens sei, der eine genauere Planung und Verbesserung der öffentlichen Politiken ermöglicht, die die Gemeinschaftsarbeit und die Aufmerksamkeit für die schwächsten Sektoren fördern sollen. "Der Gemeinde muss mit Respekt begegnet werden", betonte er. Die staatlichen Stellen würden sie auf der Grundlage von Diagnosen unterstützen, an denen sich die Gemeinde beteiligen müsse, indem sie die konkreten Informationen zur Verfügung stellt, sagte er. Daher der Aufruf des Staatschefs, bei der Erarbeitung integraler Entwicklungsstrategien in den Gemeinden mitzuwirken und ihre "Bestrebungen, Motivationen und Potenziale sowie die bestehenden Missverständnisse und Unzufriedenheiten zu berücksichtigen".

Die derzeitige Intensivierung der Dialoge und Diskussionen mit der Bevölkerung ist sicherlich auch vor dem Hintergrund der lokalen Proteste am 11. Juli zu sehen, hat aber eine lange Tradition in Kuba und wurde von Diaz-Canel bei seinem Amtsantritt von allen Regierungsmitgliedern eingefordert. Sie sollen intensiv Kontakt mit der Bevölkerung halten und monatlich in die Provinzen reisen. Dabei geht es einerseits darum, die Lage in der Gesellschaft, in den Städten und auf dem Land wahrzunehmen und zu verstehen, und andererseits die Politik und Maßnahmen der Regierung und der verschiedenen administrativen Ebene zu erläutern und zu diskutieren.