Weitere Verhaftungen Oppositioneller in Nicaragua, internationale Kritik nimmt zu

Mexiko und Argentinien rufen ihre Botschafter zu Beratungen zurück. Bachelet: "Besorgniserregende Verschlechterung der Menschenrechtslage"

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Am 15. Juni stimmten 26 von 34 OAS-Staaten für eine Resolution gegen die Regierung Ortega
Am 15. Juni stimmten 26 von 34 OAS-Staaten für eine Resolution gegen die Regierung Ortega

Managua/Buenos Aires/Mexiko-Stadt. Weniger als fünf Monate vor den geplanten Wahlen in Nicaragua sind Anfang der Woche zwei weitere Oppositionspolitiker festgenommen worden. Dies führte zu internationalen Protesten. In beiden Fällen wurde die Festnahme mit einem Verstoß gegen das "Gesetz zur Verteidigung der Rechte des Volkes auf Unabhängigkeit, Souveränität und Selbstbestimmung für den Frieden" (Gesetz 1055) begründet.

Die dabei unter Hausarrest gestellte ehemaligen First Lady Maria Fernanda Flores und der Sportjournalist Miguel Mendoza haben wenig politisch gemein. Maria Flores, Ehefrau des ehemaligen Präsidenten Arnoldo Alemán (1997-2001) war ab 2017 für drei Jahre Parlamentsabgeordnete der rechten Liberal-konstitutionalistischen PLC und gehört zum eher traditionellen Parteienspektrum des Landes. Mendoza ist mehr im Umfeld der aus Nichtregierungsorganisationen und Großunternehmern bestehenden Opposition verortet, die 2018 mit US-Unterstützung den Aufstand gegen Präsident Daniel Ortega anführte.

Zuvor war am Sonntagabend der oppositionelle Journalist Miguel Mora als inzwischen fünfter Vorkandidat für die Präsidentschaftswahlen festgenommen worden. Während einer juristischen Untersuchung wäre auf Grund des Wahlrechts die direkte Kandidatur nicht möglich. Auch im Falle von Mora wurde das Gesetz 1055 als Begründung für die Festnahme genannt.

Für Nicaragua typisch werden bei den Mitteilungen über Festnahmen neben dem Gesetzesbezug keine oder kaum Informationen über die konkreten Tatvorwürfe öffentlich gemacht. Im Falle der am 2. Juni unter Hausarrest gestellten Vorkandidatin Christiana Chamorro von der Stiftung Violetta Barrios de Chamorro wurde inzwischen der Vorwurf der Geldwäsche von Journalisten erläutert: Sieben Millionen US-Dollar seien nach der Auflösung der Chamorro-Stiftung auf drei ihrer Privatkonten aufgetaucht.

Im Fall von Arturo Cruz, dem als zweiten festgenommenen Vorkandidaten, wird in dem von Sin Filtro veröffentlichten Mitschnitt von Radio Corporacion vom 3. Juni deutlich, was der ihm vorgeworfene Verstoß gegen Gesetz 1055 meint. Cruz berichtet dabei von seinen Gesprächen in Washington und den Plänen, wie die Regierung Ortega durch US-Sanktionen weiter unter Druck gesetzt werden soll. Unter anderem redet er von einem Ausschluss Nicaraguas aus dem Freihandelsabkommen zwischen den USA, Costa Rica, der Dominikanischen Republik, El Salvador, Guatemala, Honduras und Nicaragua (DR-CAFTA), was viele Arbeitsplätze im Land gefährden würde.

Menschenrechtsorganisationen im In- und Ausland hatten in den vergangenen Tagen vielfach ihre Besorgnis über die Verhaftungen in Nicaragua ausgedrückt. Die Hochkommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte, Michelle Bachelet, sieht "eine besorgniserregende und beschleunigte Verschlechterung der Menschenrechtslage" und meinte, dass die volle Ausübung der politischen Rechte bei den Wahlen am 7. November in weite Ferne rücke.

Am 15. Juni hatte die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) mit 26 von 34 Stimmen eine Resolution zur Lage in Nicaragua verabschiedet, mit der die Maßnahmen der Regierung Ortega gegen Oppositionelle im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen im kommenden November verurteilt wurden. Vor der Sitzung hatte Mexikos Botschafterin bei der OAS, Luz Elena Baños, vor dem nicht zielführenden Eingriff einer parteiischen OAS in die Entscheidungsbefugnis der nationalen Behörden über das Wahlrecht gewarnt. Neben Mexiko hatte sich u.a. auch Argentinien bei der OAS-Abstimmung enthalten.

Am vergangenen Dienstag beorderten Mexiko und Argentinien jedoch ihre Botschafter zu Beratungen über "die besorgniserregenden rechtspolitischen Aktionen" von Präsident Ortega zurück und teilten dies in einem gemeinsamen Kommuniqué mit.

Das argentinische Außenministerium erklärte in der Sache, dass diese Entscheidung nichts an der Position "Nein zur Einmischung ‒ egal von welchem Land ‒ und Nein zur Verletzung der Menschenrechte" ändere. Weiter hieß es, man wolle zwar, dass die Verhaftungen von Oppositionellen überprüft werden, habe aber nach dem Putsch in Bolivien kein Vertrauen in den Generalsekretär der OAS, Luis Almagro.

In ihrem Kommuniqué betonten die beiden Regierungen zugleich ihre "volle Bereitschaft, konstruktiv an der Förderung des Dialogs mitzuarbeiten, damit die Nicaraguaner selbst diese Situation friedlich überwinden können, unter Beachtung der Gewaltenteilung, der Achtung der Minderheiten, der verfassungsmäßigen Garantien und allgemein der vollen Achtung der Rechtsstaatlichkeit und aller Menschenrechte."

Nicaraguas Außenminister Denis Moncada erklärte: "Wir lassen keine Einmischung von außen in die inneren Angelegenheiten Nicaraguas zu, die vom nicaraguanischen Volk, seinen Behörden, seiner Regierung und seinen Institutionen gelöst werden sollten". Wenn Argentinien und Mexiko ihre Botschafter zurückberufen, sei das ihr Recht.