Die geplanten Sprühflüge mit Glyphosat sind in Kolumbien umstritten

UNO bittet Regierung, auf erneute Besprühungen illegaler Anpflanzungen zu verzichten. Auch die Zivilgesellschaft wehrt sich

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Gemeinschaften und Organisationen aus diversen Regionen lehnen Pläne zur Wiederaufnahme der Glyphosat-Besprühung ab
Gemeinschaften und Organisationen aus diversen Regionen lehnen Pläne zur Wiederaufnahme der Glyphosat-Besprühung ab

Genf/Bogotá. Sieben Sonderberichterstatter:innen der UNO haben die Regierung von Präsident Iván Duque Márquez in einem Schreiben gebeten, auf die Wiederaufnahme von Sprühflügen zur Drogenbekämpfung zu verzichten. Die Verwendung des nicht-selektiven Pflanzengifts Glyphosat wird von Umweltverbänden und aus wissenschaftlichen Kreisen abgelehnt.

Das Schreiben an Duque ist bereits am 17. Dezember 2020 verfasst worden, laut der Organisation Dejusticia, Zentrum für juristische und gesellschaftliche Studien in Bogotá, jedoch erst zwei Monate später der Öffentlichkeit bekannt gemacht worden. Anstoß zu dem dringlichen Aufruf gab eine Petition, die 17 Organisationen und akademische Zentren an einige UNO-Berichterstatter:innen gerichtet hatten. Letztere äußern sich nun sehr kritisch zum Vorhaben, das Programm zur Bekämpfung illegaler Anpflanzungen mit Glyphosat (PECIG) wieder zu aktivieren: Dies würde enorme Risiken bezüglich der Menschenrechte sowie der Umwelteinwirkungen bergen.

Auch würde die Wiedereinführung der Besprühungen das Urteil T-236 des Verfassungsgerichts (Corte Constitucional) und auch Vereinbarungen des Friedensabkommens zwischen der Regierung und der ehemaligen Guerilla Farc-EP, das im Jahr 2016 unterzeichnet wurde, nicht berücksichtigen. Die Strategie gegen illegale Anpflanzungen müsse primär auf manuelle Beseitigungsmethoden setzen.

Weiter würden durch die Verwendung von Glyphosat Menschenrechte verletzt, beispielsweise in Hinsicht auf die Vorbeugung und Verhinderung von Kontakten mit gefährlichen Substanzen, in Hinsicht auf die Respektierung der Rechte der indigenen und afrokolumbianischen Bevölkerung und den Schutz von Kindern vor Situationen, die ihr Wohlergehen beeinträchtigen.

Die Regierung Duque wies den dringlichen Aufruf der Sonderberichterstatter:innen vehement zurück. Adriana Mejía, Vizeministerin für bilaterale Angelegenteiten, hielt in einem Scheiben fest, dass ein dringender Aufruf nur zulässig sei, wenn die vermuteten Verstöße dringende Massnahmen nötig machten, zum Beispiel wenn Menschenleben auf dem Spiel stünden. Die Berichterstatter:innen der UNO würden ohne sichere Basis vertreten, dass die kolumbianische Regierung die durch das Verfassungsgericht formulierten Bedigungen nicht einhalten könne, so Mejía. Weiter wird daran erinnert, dass der Staat die Besprühungen aus der Luft, welche im Jahr 2015 ausgesetzt wurden, nicht wieder aufgenommen habe.

Die Regierung insistiert, dass die Vorbereitungen zur Wiederaufnahme der Besprühungen fortgeschritten sind und dass beabsichtigt ist, diese Antidrogen-"Waffe" vor Mitte dieses Jahres wieder einzusetzen.

Es gibt auf politischer Ebene große Meinungsunterschiede bezüglich der Besprühung von illegalen Anpflanzungen durch Glyphosat. Alejandro Corrales, Senator für die Partei Centro Democrático, meint, dass es heute mehr denn je notwendig sei, das Programm umzusetzen. Auf der anderen Seite die Partei Alianza Verde: "Diese Besprühungen sind ein monumentaler Fehler, die Kosten sind sehr hoch und die Resultate katastophal", so der Senator Iván Marulanda.

Viele Sektoren wehren sich gegen das Vorhaben, das Programm wieder aufzunehmen. Die Grundrechtsklagen (Tutela) gegen das PECIG und gegen die Möglichkeit der Durchführung von Pilotprojekten, um die Wirksamkeit des Instruments der Besprühung zu prüfen, haben zugenommen.

Eine dieser Grundrechtsklagen hat die schnelle Wiederaufnahme des Programms vorerst verhindert. Die Klage wurde von allen afrokolumbianischen Gemeinschaften und allen indigenen Dörfern des Pazifikgebietes des Departamentos Nariño, die im Netzwerk REDHPANA zusammengeschlossen sind, sowie von dem Kollektiv Orlando Fals Borda (Colectivo Sociojurídico Orlando Fals Borda, COFB) eingereicht. Sie vertraten darin die Ansicht, dass die Entschließung der Regierung auch die ethnischen Gebiete betreffe. Deshalb sei eine vorausgehende Befragung (Consulta Previa) notwendig. Die zuständige Gerichtsinsstanz in Pasto hat die Entschließung des Innenministeriums am 13. Januar dieses Jahres suspendiert.

Auf Anfrage von amerika21 erklärte das Kollektiv COFB, dass der vorläufige Aufschub der Wiederaufnahme von Besprühungen aus der Luft vor allem den von der Gewalt am meisten betroffenen Dörfern Kolumbiens etwas Luft verschafft habe. Heute gäbe es, auch wegen der Unterstützung von vielen Sektoren, welche sich für die Verteidigung des Lebens und der Würde einsetzen, zumindest eine Hoffnung.

COFB vertritt, dass weiter gefordert werden müsse, dass die Grundrechte über der Regierungsstrategie stehen, welche sich bei der Kontrolle des Anbaus von Planzen für illegalen Gebrauch als vollkommen wirkungslos erwiesen habe. Der Fall Kolumbien zeige, dass die Gemeinschaften gezwungen worden seien, mehr als zehn Jahre die Vergiftung ihrer Territorien mit Glyphosat zu erdulden. Das Ergebnis, auch von Gerichten bestätigt, sei ein Prozess massiver Vertreibung und Zunahme der Gewalt gegen die Zivilbevölkerung gewesen.