Regierung von Kolumbien will wieder Glyphosat versprühen

Trotz erheblicher Erfolge der freiwilligen Substitution von Kokapflanzungen setzt die Duque-Führung auf die gefährliche chemische Bekämpfung

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Die Sicherheitskräfte in Kolumbien benähmen sich in der Regel wie eine repressive "Besetzungsmacht", sagen Regierungskritiker
Die Sicherheitskräfte in Kolumbien benähmen sich in der Regel wie eine repressive "Besetzungsmacht", sagen Regierungskritiker

Bogotá. Angesichts der nach wie vor hohen Zahlen an Kokapflanzungen plädieren die kolumbianische Regierung von Präsident Iván Duque und einige Experten erneut für die Wiederaufnahme der heftig umstrittenen großflächigen Besprühungen mit dem Herbizid Glyphosat aus der Luft. Dem entgegen mehren sich Stimmen, die das im Friedensabkommen mit der ehemaligen Guerillaorganisation Farc-EP festgeschriebene Substitutionsprogramm umsetzen wollen. Klar ist, dass es keine schnellen Lösungen gibt und dass es ein Bündel an Maßnahmen braucht. Neu sind Wortmeldungen, die einen völligen Paradigmenwechsel hin zu einer staatlichen Regulierung der Drogen fordern. Der Kampf gegen die illegalen Gewinne und die Drogenkartelle sei anders kaum zu gewinnen. Gemäß dem letzten verfügbaren Bericht des UNO-Büros gegen Drogen und Kriminalität (United Nations Office on Drugs and Crime, Undoc), schloss das Jahr 2018 in Kolumbien mit 169.000 Hektar Kokaanpflanzungen, 2.000 Hektaren weniger als 2017.

Verschiedene Zahlen sprechen für das Erfolgspotential des freiwilligen Substitutionsprogramms (Programa Nacional Integral de Sustitución de Cultivos de Uso Ilícito, Pnis). 2018 konnte so im Departamento Nariño die Kokafläche um 3.835 Hektar reduziert werden. Der Anteil Fläche, auf dem nach der Entfernung der Kokapflanzen erneut Koka angebaut wurde, beträgt lediglich 0,6 Prozent. Das heißt, von 100 freiwillig beseitigten Hektar Kokapflanzen wurde weniger als ein Hektar erneut mit Koka bepflanzt. Werden die Kokapflanzen gewaltsam und ohne den Einbezug der lokalen Bevölkerung beseitigt, beträgt die Wiederanbauquote 50-60 Prozent.

Dabei ist die Bilanz der Besprühungen mit dem Herbizid Glyphosat besonders verheerend. Zwischen 1994 und 2015 wurden in Kolumbien 1.896.000 Hektar besprüht, die Kokafläche stieg in der Zeit von 46.700 auf 96.000 Hektar. Alleine in Nariño wurden zwischen den Jahren 2000 und 2015 rund 476.000 Hektar besprüht, und die Kokafläche stieg in der Zeit von 9.300 auf 29.800 Hektar, ein unglaublicher Anstieg von 320 Prozent. Derweil wurden über 4,5 Millionen Liter Glyphosat verbraucht.

Glyphosat ist gemäß einer Studie der Universidad de los Andes sehr ineffizient, um Koka zu bekämpfen. Um einen Hektar Kokapflanzen endgültig zu vernichten, muss die Fläche bis zu 32 Mal besprüht werden und verursacht dabei Kosten von 57.150 US-Dollar.

Im Februar 2020 hat die Regierung Duque das Abkommen mit der Undoc aufgekündigt, mit dem diese UN-Behörde die Substitution der Kokapflanzungen des staatlichen Sustituierungsprogramms Pnis überprüfte. 2017 hatte der damalige Präsident Juan Manuel Santos das Abkommen unterzeichnet, das auch die technische Beratung und weitere Elemente für alternative Entwicklungsprojekte umfasste. Im bisher letzten Bericht von Undoc vom 4. Februar 2020 präsentierte die Uno überzeugende Daten: In 56 Gemeinden in 14 Verwaltungsbezirken hätten rund 100.000 beteiligte Familien 40.506 Hektar Koka freiwillig beseitigt. Sie erfüllten damit 95 Prozent der vereinbarten Quote. Dabei wurde lediglich ein Wiederanbau von 0,4 Prozent festgestellt.

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Undoc konnte also die Nachhaltigkeit und Effektivität der freiwilligen Substitution belegen, was gegen die Besprühungen mit Glyphosat spricht. Trotz dieser guten Resultate scheint die Regierung Duque kein Interesse daran zu haben und legt dem Programm weitere Steine in den Weg. Der Uribismus, benannt nach dem Hardliner und Ex-Präsidenten (2002-2010) Álvaro Uribe, lehnte das Friedensabkommen mit der ehemaligen Guerillaorganisation Farc-EP grundsätzlich ab und kritisiert Undoc, das auch das Drogenpflanzung-Monitoringsystem (Sistema Integrado de Monitoreo de Cultivos Ilícitos, Simci) seit 1999 betreibt.

Tatsächlich ist das Engagement von Undoc teuer und die Implementierung des Abkommens war nicht frei von Fehlern. Grundsätzlich ist die Regierung auch frei, Projektpartner zu ändern. Aber gemäß der Analystin Laura Gil beendet Duque das Programm, um den Anschein zu erwecken, etwas Neues und Besseres aufzubauen. Die Fundación Panamericana para el Desarrollo (Fupad), die der Organisation Amerikanischer Staaten nahesteht, ist aussichtsreichste Kandidatin für die Nachfolge des Undoc. Obwohl nichts grundsätzlich gegen Fupad spreche, scheine das Manöver doch viel mehr politischen denn technisch-fachlichen Kriterien geschuldet, meint Gil.

Am 30. Dezember 2019 hat das kolumbianische Justizministerium den Entwurf eines Dekretes veröffentlicht, mit dem die Besprühungen mit Glyphosat wieder aufgenommen werden sollen. Bis zum 30. Januar konnten Bürger den Vorschlag kommentieren. Noch kann damit aber noch nicht automatisch mit Glyphosatbesprühungen begonnen werden, denn es fehlen die Studien über die Risiken für Gesundheit und Umwelt, um die Vorgaben des Verfassungsgerichts für eine Wiederaufnahme der Besprühungen zu erfüllen. Diese Studien sollten gemäß Justizministerin Margarita Cabello Blanco bis Ende April 2020 fertig sein. Danach muss der Nationale Betäubungsmittelrat (Consejo Nacional de Estupificantes, CNE) seine Einwilligung für die Besprühungen geben. Noch bevor der CNE definitiv grünes Licht gebe, seien aber Pilotprojekte mit Glyphosat möglich, um Erfahrungen in der korrekten Handhabung der Besprühungen zu sammeln. Im CNE sollte die Regierung Duque problemlos eine Mehrheit für die Besprühungen haben. Das Dekret läuft aber Gefahr, durch Klagen behindert zu werden. Bis März 2019 wurden 268 Klagen wegen Besprühung mit Glyphosat eingereicht. Gemäß dem Dekret soll die Antidrogen-Polizei die Besprühungen vornehmen, aber diese hat bisher weder Flugzeuge dafür angepasst noch Piloten ausgebildet. So sind also noch verschiedene auch operative Fragen offen.

Das Verfassungsgericht hatte 2019 das Urteil von 2017 präzisiert und weitere Einschränkungen für die Besprühungen erlassen. So dürfen diese dem Friedensabkommen nicht zuwiderlaufen, wonach die freiwillige Substitution Priorität hat, gefolgt von der manuellen Ausrottung. Nur als letzte Möglichkeit gilt die Besprühung mit Glyphosat. Weiter darf in Naturreservaten und Nationalparks sowie in kollektiven Ländereien der Indigenen und Afrokolumbianer sowie in der Nähe von Siedlungen und Gewässern ebenfalls nicht besprüht werden. Fast die Hälfte der Kokapflanzungen befindet sich aber genau in solchen Gebieten.

Die Regierung Duque sieht sich in einem Wettlauf gegen die Zeit, hat sie sich doch gegenüber den USA verpflichtet, bis 2023 die Kokaplantagen auf die Hälfte zu reduzieren. Bis November 2019 seien gemäß dem Verteidigungsminister über 80.000 Hektaren manuell beseitigt worden, 40.506 Hektar wurden freiwillig substituiert.