Kolumbien: Bericht über Menschenrechtsverletzungen in Bogotá

Soziale Organisationen präsentieren Daten zur Situation in der Hauptstadt. Staatliches Vorgehen gegen Proteste im Jahr 2020 untersucht

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Cover des Berichts mit Titel "El Derecho A Defender" und zwei Personen von hinten
Der Bericht "Das Recht auf Verteidigung" drängt darauf, die Stigmatisierung des sozialen Protests zu beenden

Bogotá. Menschenrechtsorganisationen haben in Bogotá den Bericht "El Derecho a Defender" (Das Recht auf Verteidigung) vorgestellt. Darin identifizieren sie eine Systematik hinter Menschenrechtsverletzungen und Verstößen gegen das Recht auf sozialen Protest in Kolumbiens Hauptstadt im vergangenen Jahr. Entstanden ist er auf Initiative der Organisationen Fundación Lazos de Dignidad, Red Popular de Derechos Humanos Bogotá und Movimiento Alternativa.

Unter Berücksichtigung der insgesamt 786 identifizierten Protestereignisse im Jahr 2020 wurden vier Muster festgestellt: Stigmatisierung, Razzien und Gerichtsverfahren, die Verletzung von Vorschriften und die exzessive Gewaltanwendung durch die Polizei sowie Aggressionen gegen Menschenrechtsverteidiger:innen. Das Dokument thematisiert in diesem Zusammenhang die Bedeutung des sozialen Protests als einen alternativen politischen Mechanismus, der Rechte einfordern und diese vollständig garantiert bekommen muss. Die Verfasser drängen darauf, soziale Organisationen nicht weiter zu stigmatisieren.

Insbesondere bei der Polizeigewalt gab es im Vergleich zu den letzten Jahren 2020 ein Rekordhoch von 592 registrierten Fällen, allein 395 davon geschahen bei Protesten vom 9., 10. und 11. September nach der Ermordung von Javier Ordoñez. Unter den Opfern sind insbesondere junge Menschen zwischen 18 und 25 Jahren. Außerdem ereigneten sich die Mehrheit der Fälle in den sozial prekärsten Stadtteilen von Bogotá. Dies wird unter anderem auf die Verschärfung der sozialen und wirtschaftlichen Krise durch Covid-19 und die Quarantäneverordnungen zurückgeführt, deren Auswirkungen in erster Linie die ärmere Bevölkerung treffen und die sich dagegen auflehnt.

Der Bericht prangert ebenso die Aggressionen gegen Menschenrechtsverteidiger:innen an. Deren Dialog werde behindert, sie würden physisch und verbal angegriffen und es werde unverhältnismäßige Gewalt gegen sie angewendet. Die Menschenrechtsorganisationen bitten die Behörden darum, die Überwachungsprotokolle zu verbessern und Politiken voranzutreiben, die über die Freund-Feind-Logik hinausgehen.

Damit im Zusammenhang stellen sie als ein weiteres Problem die fehlende Aufklärung von staatlichen Übergriffen und die Straflosigkeit heraus. So kam es nach Angaben der Sonderdelegierteninspektion der Polizei von Bogotá (Mebog) bei 1.004 eingeleiteten Untersuchungen seit 2016 bisher nur in 134 Fällen zu einer Anhörung.

Neben den Menschenrechtsverletzungen bei Demonstrationen behandelt der Bericht auch die Dynamiken territorialer Kontrolle im Süden von Bogotá, insbesondere in den Stadtteilen Kennedy, Bosa und Ciudad Bolivar. Er betont den Zusammenhang zwischen der Bedrohung und Belästigung von sozialen Organisationen oder sozialen Anführer:innen und paramilitärischen Strukturen und Organisationen, unter anderem den "Águilas Negras". Auch zeigen sie in vielen Fällen die Beteiligung der Polizei auf und wie diese Probleme dazu beitragen, die soziale Ungleichheit weiter zu vertiefen.