Welle von Frauenmorden in Guatemala, Proteste in der Hauptstadt

Demonstrant:innen prangern Versagen des Staates an und fordern Maßnahmen zum Schutz von Frauen. Seit Jahresbeginn bereits 42 Femizide

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Protestaktion gegen Frauenmorde auf der Plaza de la Constitución in Guatemala-Stadt
Protestaktion gegen Frauenmorde auf der Plaza de la Constitución in Guatemala-Stadt

Guatemala-Stadt. Hunderte Personen haben in der Haupstadt Guatemalas gegen geschlechtsspezifische Morde an Frauen demonstriert. Seit Beginn dieses Jahres wurden 42 "Feminicidios" in dem mittelamerikanischen Land gezählt, davon sechs innerhalb von 24 Stunden. An den Tagen zuvor hatte es bereits einige kleinere Protestaktionen gegeben.

Der Begriff Femizid definiert die Tötung von Frauen oder Mädchen aufgrund ihres Geschlechtes. Der von lateinamerikanischen Aktivist:innen geprägte Begriff des "Feminicidio" schließt das Staatsversagen ausdrücklich mit ein.

"Wenn sie Eine anfassen, antworten Alle, wenn sie Eine töten, stehen Alle auf. Wir müssen das Schweigen brechen. Wir müssen sagen, dass wir Präsenz zeigen", begann Rosa Gallarda vom Kollektiv 8. März ihre Rede bei der Protestkundgebung am Dienstag.

Der Menschenrechtsobmann Jordan Rodas nahm an dem von verschiedenen Frauengruppen organisierten Protest teil und erklärte: "Die Regierung reagiert nicht. Es kann nicht sein, dass sie dieser harten Realität den Rücken kehrt. Die Frauen fühlen sich bedroht." Rodas forderte die Regierung von Präsident Alejandro Giammattei auf, eine Erklärung zu den Frauenmorden abzugeben sowie zu den beiden Jugendlichen, die ihr Augenlicht durch Polizeigewalt bei den Protesten in November verloren hatten.

Geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen ist in Guatemala weit verbreitet, findet aber wenig Aufmerksamkeit und wird von den Behörden wenig bekämpft und durch die patriarchalen Strukturen begünstigt. Nach einer Untersuchung der Regierung wurden in den letzten 20 Jahren 12.188 Femizide offiziell registriert, mit Zunahmen in den vergangenen Jahren. Nach Departamentos untersucht führen der Haupstadtbezirk Guatemala, das an der Südküste gelegene Escuintla sowie Izabal im Nordosten des Landes die Statistik an.

Am vergangenen Freitag wurden sechs getötete Frauen aufgefunden. Der Leichnam von María del Rocío López wurde in einem Abwasserkanal wenige Meter von ihrer Arbeitsstelle entdeckt, nachdem sie bereits zwei Tage als vermisst gegolten hatte. In Escuintla im Landkreis Tiquisate wurden Cindy Laurena Chacón López und ihr Bruder von ihrem Expartner durch Schüsse getötet, der danach mit den zwei Kindern floh. Die Kinder wurden im Verlauf des Abends unverletzt von der Polizei aufgefunden. Am Kilometer 31 der Landstraße zwischen San Lucas Sacatepéquez und Antigua Guatemala fanden Feuerwehrleute die Leiche einer bisher unbekannten Frau mit mehreren Schusswunden. In der Zone 18 der Hauptstadt in der Siedlung La Barreda wurde eine Leiche ebenfalls mit Schussverletzungen als Nora Velásquez Lemus Martínez identifiziert. Zeugen hatten gesehen, wie sie von mehreren Angreifern verfolgt worden war. Mitten in der Zone 2 der Hauptstadt wurde eine in Folie eingewickelte noch nicht identifizierte Leiche entdeckt. Das sechste Opfer wurde am Rio Ixcán, Cuyotenango Suchitepéquez gefunden.

Präsident Giammattei hatte in seiner Wahlkampagne den Kampf gegen innerfamiliäre Gewalt sowie die Herstellung von Chancengleichheit für Männer und Frauen zu einem der Schwerpunkte seiner Regierung erklärt. Angesichts der aktuellen Femizide forderte die Abgeordnete der linken Partei Winaq, Sonia Gutierrez, auf einer Pressekonferenz die Umsetzung der Versprechen.

Im Gespräch mit amerika 21 sagte sie: "Im Wahlkampf hat Giammattei eine Priorisierung von Frauenthemen versprochen, was den Kampf gegen Femizide und Gewalt gegen Frauen mit einschließt. Frauenthemen sollten Teil seines Regierungsprogramms werden. Umgesetzt hat er davon nicht nur nichts, die Arbeit von Fraueninistitutionen wird im ersten Jahr seiner Amtszeit sogar noch erschwert."

Als Fraktion fordere Winaq zusammen mit anderen Abgeordneten die Anwendung der entsprechenden Gesetze: "Es existieren viele Gesetze zum Schutz der Frau, aber sie müssen effektiver und koordinierter umgesetzt werden. Des Weiteren müssen Fraueninstitutionen mit entsprechenden finanziellen Mitteln ausgestattet werden. Ohne diese Mittel können sie nichts zum Schutz der Frauen vor Gewalt unternehmen." Im vergangenen Jahr habe es Drohungen von Seiten der Regierung gegeben, das präsidiale Sekretariat der Frau (Seprem) aufzulösen "und durch eine wirkungslosere und vom Präsidenten kontrollierte Kommission zu ersetzen". Seprem wurde im Jahre 2000 als Teil des Friedensabkommens zwischen Guerilla und Regierung von 1996 eingerichtet. "Statt mit seiner Auflösung einen Schritt zurückzugehen, fordern wir mit anderen Abgeordneten, dasś endlich ein richtiges Frauenministerium eingerichtet wird", betonte Gutierrez.