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USA und Europaparlament setzen Politik des Regime Change in Venezuela fort

Neuer US-Außenminister mit aggressiven Positionen gegen Venezuela vorbelastet. Europaparlament ignoriert Verfall der Basis von Guaidó

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Blinken war stellvertretender Außenminister und stellvertretender nationaler Sicherheitsberater der Regierung Obama (hier mit dem damaligen Vizepräsidenten Biden)
Blinken war stellvertretender Außenminister und stellvertretender nationaler Sicherheitsberater der Regierung Obama (hier mit dem damaligen Vizepräsidenten Biden)

Washington/Brüssel/Caracas. Auch nach dem Regierungswechsel in den USA dürften Washington und Europa ihre Strategie des maximalen Drucks gegenüber dem lateinamerikanischen Land beibehalten.

Der designierte Außenminister Anthony Blinken hat bereits zu erkennen gegeben, dass die Regierung von Präsident Joe Biden wie die vorangegangene Regierung ebenfalls den venezolanischen Oppositionspolitiker Juan Guaidó als führende Kraft in Venezuela anerkennen wird. Das Europäische Parlament hat derweil eine Resolution angenommen, in der die Anerkennung Guaidós als Interimspräsident gefordert wird.

Der künftige Chefdiplomat bestätigte am 19. Januar vor dem US-Senat, dass es unter Biden keinen Strategiewechsel geben werde. Man wolle vielmehr versuchen, effektivere und zielführende Sanktionen gegenüber der Regierung von Präsident Nicolás Maduro durchzusetzen und die "humanitäre Unterstützung" für das südamerikanische Land erhöhen. Obwohl Guaidó in Venezuela selbst kaum noch über eine breite Basis verfügt, wird er von den USA und anderen Ländern weiterhin als Präsident Venezuelas unter der Behauptung gestützt, die Amtszeit Maduros seit Januar 2019 sei auf manipulierte Wahlen zurückzuführen.

"Wir brauchen eine effektive Politik, die ausgehend von freien und fairen Wahlen, die Demokratie in Venezuela wiederherstellen kann", so Blinken.

Blinken hat eine Vorgeschichte als Scharfmacher gegen Venezuela. In der Barack Obama-Regierung, die Venezuela als "Bedrohung für die nationale Sicherheit der USA" einstufte und damit die Grundlage für die weitere Sanktions-Politik legte, war er stellvertretender Außenminister und stellvertretender nationaler Sicherheitsberater. Als Senior Fellow am Center for Strategic and International Studies (CSIS) zeichnete er mitverantwortlich für eine Studie, die die Corona-Pandemie als Chance für eine ausländische Intervention in dem unbotmäßigen, sozialistisch regierten Land analysierte.

Das Europaparlament (EP) fällt, anders als die Europäische Kommission, mit einer fundamentalistischen Position auf. Es postuliert, dass die 2015 durch den "letzten freien Wahlprozess" eingesetzte Nationalversammlung Venezuelas mit ihrem Präsidenten Guaidó Bestand hat. Nach der durch die Europäische Union nicht anerkannten Neuwahl im Dezember 2020, bei der die größten venezolanischen Oppositionsparteien nicht antraten, funktioniere die Nationalversammlung von 2015 seit Beginn des Jahres 2021 über eine Abgeordnetenkommission weiter. Diese "Kommission" ist ein informeller, engerer Kreis um Guaidó. Eine entsprechende Resolution wurde im EP mit 391 zu 114 Stimmen angenommen.

Zwei Tage zuvor hatte der EU-Außenbeauftragte Joseph Borrell klargestellt, dass die EU aufgrund der Uneinigkeit in den europäischen Institutionen sich in keinster Weise auf Guaidó als Präsidenten Venezuelas beziehe.

Obwohl die nur über Videokonferenzen agierende Abgeordnetenkommission praktisch keine realen Befugnisse besitzt, will sie als Verfassungsorgan in Kraft bleiben, bis im laufenden Jahr "gerechte und verifizierbare Präsidentschafts- und Parlamentswahlen" stattfinden.

Aufgrund gehäufter Korruptionsvorwürfe gegen enge Mitarbeiter Guaidós ermahnt das EP indes die "legitime Abgeordnetenkammer und ihren Präsidenten zur Transparenz", besteht aber für ein weiteres Jahr auf den wirtschaftlichen Sanktionen gegenüber Venezuela.

Währenddessen beklagt der venezolanische Außenminister Jorge Arreaza die Erschwerung der Finanzierung des Kaufs von Impfstoffen, weil der ehemalige Präsident der abgewählten Nationalversammlung die in Großbritannien lagernden staatlichen Goldreserven blockiere.

Nachdem bei der Bank of England lagernde venezolanische Goldreserven von fast einer Milliarde US-Dollar von einem Londoner Gericht eingefroren und Guaidó zugesprochen wurden, hatte die venezolanische Zentralbank vorgeschlagen, 120 Millionen Dollar dieser Reserven unter Aufsicht der Vereinten Nationen zum Kauf von Impfstoffen zu verwenden. Guaidós Ablehnung dieses Vorschlags stieß im Land auf großes Unverständnis. Arreaza erklärte in einer Mitteilung auf Twitter, dieses Manöver sei "ein weiterer Beweis der Grausamkeit Guaidós und seiner Bande".

Die offiziellen Zahlen liegen in Venezuela mit unter 122.000 Infizierten, 1.220 Toten und knapp 114.000 geheilten Patienten vergleichsweise niedrig. Trotz der Krise und der Blockadepolitik der USA und ihrer europäischen Verbündeten lieferte Venezuela jüngst mehrere LKW-Ladungen medizinischen Sauerstoff in das schwer von der Pandemie betroffene Nachbarland Brasilien.