Mexiko: Deutscher Agrar-Diplomat rügt Ausstieg aus Glyphosat-Import

Mexiko auf dem Weg zum Glyphosat-Verbot. Kritiken aus der deutschen Botschaft "befremdlich". Hürden für mexikanischen Ökoexport in die EU

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Ende 2019 lehnte Semarnat eine Zulassung des Imports von 1.000 Tonnen Glyphosat ab
Ende 2019 lehnte Semarnat eine Zulassung des Imports von 1.000 Tonnen Glyphosat ab

Mexiko-Stadt. Informationen des mexikanischen Umweltministeriums (Semarnat) zufolge hat der Agrarattaché der deutschen Botschaft in Mexiko, Martin Nissen, vor einigen Monaten "harsche Kritiken" am Import-Stopp von Glyphosat geäußert, den Semarnat seit Ende 2019 schrittweise einführt. Dies geht aus jüngsten Gesprächen der Autorin dieses Beitrags mit Mitarbeitern des Ministeriums hervor.

Die Kritik soll im Rahmen eines Informationstreffens über neue Pestizidregulierungen der mexikanischen Regierung vorgebracht worden sein, zu dem die Umweltbehörde Vertreter von rund 20 Botschaften eingeladen hatte. Drei Monate zuvor hatte Semarnat den Import von 1.000 Tonnen Glyphosat nicht zugelassen. Gleichzeitig verbot der mexikanische Präsident Andrés Manuel López Obrador (Amlo) den Import von 16 weiteren hoch gefährlichen Pestiziden per Dekret.

Semarnat und Amlo reagieren mit ihrem Kurs auf eine Mahnung der nationalen Menschenrechtskommission (CNDH) vom Dezember 2018, die der mexikanischen Regierung Menschenrechtsverletzungen und die Verletzung ihrer Sorgfaltspflichten aufgrund der Zulassung und des Einsatzes hoch toxischer Pestizide in Mexiko vorgeworfen hatte (amerika21 berichtete).

Laut dem offiziellen Sitzungsprotokoll des Februar-Treffens, das amerika21 vorliegt, brachten bei dem Informationstreffen die meisten Botschaftsdelegierten keine wesentlichen Einwände vor. Anders war es bei der deutschen Delegation. Die Einwände seien vor allem vom Agrar-Attaché Nissen gekommen, wie Semarnat-Mitarbeiter im Gespräch mit amerika21 dargelegt haben.

Dieser warnte demnach vehement, dass in vielen Fällen Pestizidverbote zu Schwarzmärkten führten, so dass es aufgrund der Ausdehnung des mexikanischen Staatsgebiets schwierig würde, Kontrollen durchzuführen. Es fehlten Alternativen zu kommerziellen Pestiziden, um die Erträge zu steigern. Daher müsse eine Pestizidreduktion ein schrittweiser Prozess sein, um den Landwirten nicht zu schaden.

Nissen soll ebenso darauf verwiesen haben, dass Mexiko zunächst die Möglichkeit haben müsse, Analysen an importierten Lebensmitteln durchzuführen und Spuren von Pestiziden in ihnen nachzuweisen, wenn nicht nur die Einfuhr, sondern auch deren Verwendung eingeschränkt werden sollte.

Bei der Umweltbehörde stieß das belehrende, als aggressiv empfundene Gebaren des hochrangigen deutschen Agrardiplomaten auf Befremden, wie Semarnat-Mitarbeiter darlegten. Nissen habe sich "sehr verärgert" gezeigt und das Regierungshandeln stark hinterfragt.

Recherchen von amerika21 zufolge haben sich die mexikanischen Sektionen von Greenpeace und Pesticide Action Network (PAN) wegen des Auftretens der deutschen Delegation mit einem Hilferuf an PAN-Deutschland und die Frauenorganisation WECF gewandt: "Leider wurde der Vorschlag zum Glyphosat-Ausstieg durch den Vertreter der deutschen Botschaft aus der Abteilung Ernährung, Landwirtschaft, Gesundheit und Verbraucherschutz heftig gerügt".

Die Nichtregierungsorganisationen merkten an, es gebe eine starke Lobby von Konzernen wie Bayer-Monsanto gegen die Umweltpläne der mexikanischen Regierung. Dies sei "völlig inkohärent mit der Innenpolitik in Deutschland und der EU". Dort ist die Absicht angekündigt, Glyphosat schrittweise auslaufen zu lassen sowie die EU-Farm-to-Fork-Strategie durchzuführen, die eine Halbierung des Pestizideinsatzes bis 2030 anstrebt.

Ein Einsatz des deutschen Agrardiplomaten für Pestizidkonzerninteressen würde mit den Exportproblemen in die EU kontrastieren, die mexikanische Ökobauern aufgrund von Glyphosat-Rückständen in ihren Bio-Produkten wie Kaffee, Zitrusfrüchten, Avocado und Honig gewärtigen. Diese Unstimmigkeit geht aus einem Schreiben der 107 Mitgliedsorganisationen des mexikanischen Rats für biologische Agrarproduktion an die mexikanische Regierung hervor, das amerika21 auch vorliegt.

Glyphosat ist nach Einschätzung der Internationalen Krebsforschungsagentur (IARC) wahrscheinlich krebserregend. Die Zulassung des Unkrautvernichtungsmittels wurde 2017 in der Europäischen Union (EU) trotz massiver Proteste von Imkern, Umweltschutzverbänden und Forschenden für fünf Jahre verlängert. Eine erneute EU-Zulassungsverlängerung für Glyphosat ab 2022 ist aufgrund inzwischen tausender Klagen US-amerikanischer krebskranker Menschen gegen Bayer unwahrscheinlich.