Proteste in Chile am Jahrestag des Militärputsches

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Am Jahrestag des Militärputsches wurde in Chile bei verschiedenen Protesten auch den Verschwundenen gedacht
Am Jahrestag des Militärputsches wurde in Chile bei verschiedenen Protesten auch den Verschwundenen gedacht

Santiago. An der Statue von Salvador Allende vor dem Regierungspalast La Moneda in Santiago, auf dem Friedhof Cementerio General, vor dem Nationalstadion und auf der Plaza de la Dignidad haben am Freitag tausende Menschen protestiert, um den Opfern der Menschenrechtsverletzungen der Pinochet-Diktatur und der Revolte 2019 zu gedenken und eine neue Verfassung zu fordern.

Am Morgen des 11. September legten Mitglieder verschiedener linker politischer Parteien Blumenkränze an der Statue von Salvador Allende nieder, der am 11. September 1973 während der Bombardierung des Regierungspalastes La Moneda durch die chilenische Luftwaffe ums Leben kam. In diesem Jahr waren die Gedenkveranstaltung geprägt von der Kampagne für eine neue Verfassung (Apruebo). "In den nächsten Monaten werden wir uns von einer der letzten Ketten der Diktatur befreien, von der Verfassung von Augusto Pinochet und Jaime Guzmán. Dafür kämpfen wir, für eine neue Verfassung. Inspiriert von Salvador Allende werden wir weiterkämpfen bis Chile ein gerechtes und demokratisches Land ist", sagte Tomas Hirsch von der Humanistischen Partei, ein Zusammenschluss verschiedener Parteien und Organisationen, die sich für eine neue Verfassung aussprechen.

Am 25. Oktober wird in in einem Referendum darüber abgestimmt werden, ob man sich von der Verfassung aus dem Jahr 1980 verabschiedet und eine neue demokratische Verfassung ausarbeiten wird. Das Referendum ist eine Errungenschaft der Protestbewegung, die im Oktober 2019 entstanden ist und sich gegen die soziale Ungleichheit und das neoliberale Wirtschaftsmodell richtete, das in der Verfassung aus der Pinochet-Diktatur verankert ist.

An diesem 11. September wurde nicht nur den mehr als 40.000 Opfern der Diktatur gedacht, sondern auch denjenigen, die während der Proteste seit dem 18. Oktober 2019 durch Carabineros und Militärs verletzt, gefoltert und getötet wurden.

Das Nationale Institut für Menschenrechte INDH hat mehr als 3.800 Verletzte und über 1.000 Fälle von Folter registriert. "Wir werden weiterkämpfen, bis Piñera für seine politische Verantwortung für die Menschenrechtsverletzungen verurteilt wird", sagte Marta Valdés von der Coordinadora de Victimas de Trauma Ocular, einer Organisation für die Opfer von Augenverletzungen, vor dem Regierungspalast.

Über 1.000 Personen liefen am Morgen in einem Protestmarsch gemeinsam zum Friedhof Cementerio General. Dort erinnert ein Monument an die Opfer der Pinochet-Diktatur. Am Ende der Veranstaltung kam es zu Zusammenstößen zwischen Demonstrierenden und Carabineros, die mit Wasserwerfern in den Friedhof einfuhren.

Am Nachmittag trafen hunderte Menschen an der Plaza de la Dignidad ein, wie die Plaza Baquedano von Demonstrierenden genannt wird. Sie wurden von den Carabineros mit Tränengas und Wasserwerfern angegriffen. Die Polizei begründete den Einsatz mit den Corona-Regelungen, denen zufolge sich nicht mehr als 50 Personen treffen dürfen. 108 Demonstrierende wurden festgenommen, der Großteil davon in der Hauptstadt Santiago. Mehrere wurden durch Carabineros verletzt, die die Tränengasgranaten direkt auf die Körper der Menschen schossen. Ein Minderjähriger erlitt eine Verletzung am Kiefer.

Am Estado Nacional, dem Fußballstadion, in dem während der Diktatur Mitglieder linker Parteien und Gewerkschaften gefangen, gefoltert und getötet wurden, fanden sich hunderte Menschen zu einem "velatón" ein, einer Gedenkveranstaltung, bei der Kerzen für die Toten angezündet werden. Der 11. September endete mit Barrikaden und Lärmprotesten, den sogenannten Cacerolazos.

Präsident Sebastián Piñera kündigte noch am Abend des Jahrestages und der Proteste an, wegen der Coronavirus-Pandemie den Ausnahmezustand, der seit dem 18. März die Bewegungs- und Versammlungsfreiheit einschränkt und die Befugnisse des Militärs ausweitet, um weitere 90 Tage zu verlängern. Somit werden der Jahrestag der Revolte am 18. Oktober sowie das Verfassungsreferendum am 25. Oktober unter Einschränkung der Verfassung stattfinden.