Kolumbien / Politik

Kolumbien: Prozess gegen Ex-Präsident Uribe zwischen Verfahrensfragen und neuen belastenden Dokumenten

Verteidigungslinie will Verbindungen zu Paramilitärs von Amtsausübung trennen. Neue Dokumente belegen jedoch illegales staatliches Handeln

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Seit dem 12. August steht der Ex-Präsident in seiner Finca unter Hausarrest. Das Foto veröffentlichte er über Twitter als Gefangener Nr. 1087985.
Seit dem 12. August steht der Ex-Präsident in seiner Finca unter Hausarrest. Das Foto veröffentlichte er über Twitter als Gefangener Nr. 1087985.

Bogotá. Die Anklage gegen Ex-Präsident und Ex-Senator Álvaro Uribe Vélez könnte bald durch den Generalinspekteur der Nation (Procuraduría) und nicht, wie bisher, vor dem Obersten Gerichtshof verhandelt werden. Dies gab das Verfassungsorgan selbst bekannt und forderte das höchste Gericht dazu auf, den Fall weiterzuleiten. Gleichzeitig werfen neu deklassifizierte, bisher geheime Dokumente Fragen darüber auf, welche Kenntnis US-Behörden über Beziehungen von Uribe zu Paramilitärs und Drogenkartellen hatten.

Einen Tag nach dem Rücktritt Uribes vom Posten des Senators hatte die Verteidigung darauf hingewiesen, dass mit dem Ausscheiden Uribes aus dem Senat das Gericht die Zuständigkeit für das Verfahren verloren habe.

Da der Oberste Gerichtshof nur solche Anklagen behandelt, die in direktem Zusammenhang mit der Rolle als Abgeordneter stehen, gab es dem Vortrag der Verteidigung Recht. "Es gibt keinen Beweis dafür, dass Dr. Uribe Vélez – anlässlich der ihm vorgeworfenen Straftaten – seine Funktionen missbraucht hat oder sich effektiv Zugang zu der Machtposition verschafft hat", so das Büro des Generalinspekteurs in seiner Erklärung. Die Tatvorwürfe bezögen sich auf einen Zeitraum außerhalb von politischen Kampagnen oder Wahlkämpfen, sodass ein Zusammenhang zwischen diesen Ereignissen und dem Ziel, einen Sitz im Senat der Republik zu erreichen, nicht ersichtlich sei.

Ursprung des Prozesses gegen Uribe, aufgrund dessen er seit dem 12. August unter Hausarrest steht, ist eine Anklageerhebung, die der kolumbianische Menschenrechtsanwalt und Politiker Iván Cepeda gegen ihn wegen mutmaßlicher Unterstützung paramilitärischer Gruppen angestrengt hat. Zu Uribes Verteidigung gehörte, dass Cepeda falsche Zeugenaussagen vorgelegt hätte. Bereits 2018 kam der Oberste Gerichtshof jedoch zu dem Schluss, dass es keine Beweise für ein solches Vorgehen von Cepeda, sondern es im Gegenteil Hinweise darauf gebe, dass Uribe versucht hatte, Zeugen zu manipulieren.

Die Vorwürfe gegenüber dem Menschenrechtsanwalt, er habe Kontakt zu inhaftierten Paramilitärs aufgenommen, damit sie gegen Uribe aussagten, erhärteten sich nicht. Cepeda wurde inzwischen entlastet. Das Büro des Generalinspekteurs hatte ein Disziplinarverfahren gegen Cepeda, der Kongressabgeordneter für den Demokratischen Pol ist, eingeleitet, weil er angeblich Zeugen gekauft hätte.

Die unlängst deklassifizierten Dokumente könnten die Verteidigungsstrategie von Uribe völlig infrage stellen. Das National Security Archive, eine gemeinnützige Forschungs- und Archivierungseinrichtung an der George Washington Universität in der US-Haupstadt, hat der Presseagentur Associated Press (AP) Unterlagen zur Verfügung gestellt, die laut AP zeigen sollen, dass die Besorgnis über Uribes Verbindungen zu Paramilitärs, die von Großgrundbesitzern angeheuert wurden, um sie vor der Guerilla zu schützen, die höchsten Ebenen des Pentagon erreichte.

"Uribe hatte mit ziemlicher Sicherheit mit den Paramilitärs zu tun, als er Gouverneur von Antioquia war", schrieb Peter Rodman, damals ein hochrangiger Mitarbeiter des Pentagon, an den damaligen Verteidigungsminister Donald Rumsfeld in einer vertraulichen Depesche aus dem Jahr 2004.

Weitere Hinweise darauf, dass das kolumbianische Militär, wichtige Verbündete Uribes - und möglicherweise der Präsident selbst - Bündnisse mit den Vereinigten Selbstverteidigungskräften Kolumbiens, der paramilitärischen Dachorganisation, eingegangen waren, sollen in Depeschen von US-Stellen immer wieder zu finden sein, so die Angaben über eine erste Auswertung.