Landbesetzung in Argentinien: Breite Unterstützung gegen drohende Zwangsräumung

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Proteste in Buenos Aires gegen die Zwangsräumung von Guernica
Proteste in Buenos Aires gegen die Zwangsräumung von Guernica

Guernica/Buenos Aires. Die Unterstützung für rund 2.500 Familien, die in der Ortschaft Guernica in der Provinz Buenos Aires südlich der Bundeshauptstadt rund 100 Hektar Land besetzt halten, weitet sich aus. In der vergangenen Woche marschierten in Buenos Aires mehrere Tausend Personen, um den Forderungen der selbstorgansierten Familien nach einem Dialog mit den Behörden Nachdruck zu verleihen. Zur öffentlichen Unterstützerin erklärte sich unter anderen auch Nora Cortiñas von der Gründungslinie der Mütter der Plaza de Mayo: "Ich will den Familien von Guernica helfen, einen Flecken Land zu finden, auf dem sie leben können. Es handelt sich um Personen ohne Dach über dem Kopf, und wir Mütter der Plaza de Mayo sagen Nein zur Zwangsräumung!"

Mitte Juli besetzten zunächst mehrere hundert Personen rund 15 Hektar eines ungenutzten Brachlands in der Lokalität des Verwaltungsbezirks Presidente Perón. Obwohl die Fläche daraufhin von der Polizei abgeriegelt und der Zutritt für weitere Personen sowie die Heranschaffung von Baumaterial untersagt wurden, schlossen sich immer mehr Menschen der Landnahme an. Gegenwärtig sollen sich rund 2.500 Familien dort prekär in Zelten und selbstgebauten Verschlägen niedergelassen haben, darunter auch etwa 3.000 Kinder. Die in einem Komitee organisierten Familien beklagen, dass bisher weder die Provinzregierung noch die Bezirksverwaltung auf ihre Forderungen nach einem Dialog und der Bereitstellung von Lebensmitteln und sanitärer Versorgung reagiert hätten. Stattdessen erließ der zuständige Richter einen Räumungsbeschluss für den 22. August. Dieser ist jedoch aufgrund eines Einspruchs vorerst aufgeschoben. Dieser war von Anwälten eingebracht worden, die den Familien solidarischen Rechtsbeistand leisten.

Zu ihren Motiven für die Landbesetzung inmitten des öffentlichen Lockdowns im Zuge der Corona-Pandemie äußerten sich die Familien vorige Woche in einem Kommuniqué. Darin heißt es: "Unsere Lage wird immer aussichtsloser. Das Geld reicht nicht mehr, um die Miete zu bezahlen. Auf den Grundstücken unserer Familien ist kein Platz mehr für weitere Unterkünfte. Uns wurden die Gehälter gekürzt, viele wurden entlassen, und die Gelegenheitsarbeiten werden immer weniger. Die Gesetze zum Verbot von Entlassungen und Delogierungen werden nicht eingehalten. Viele von uns leben bereits auf der Straße, insbesondere Frauen, die mit ihren Kindern vor häuslicher Gewalt flüchten."

Während die öffentliche Unterstützung für die Landnehmer anwächst, haben die vermeintlichen Eigentümer Strafanzeige bei der Justiz wegen illegaler Landaneignung eingebracht. Die Gruppe von Anwälten, welche die Familien vertritt, betont jedoch, dass keine der Personen, die Anspruch auf die seit langer Zeit ungenutzten Grundstücke erheben, einen entsprechenden Besitztitel vorweisen kann.

Indes kommt es immer wieder zu gewalttätigen Angriffen gegen die Landnehmer. Diese haben bereits mehrere Verletzte gefordert. Sie werden von privat organisierten Gruppen ausgeführt, die offenbar im stillschweigenden Einverständnis mit der Polizei und den Behörden agieren. Yamila Rodríguez, eine der Sprecherinnen der Landnehmer, äußerte sich gegenüber dem Portal Políticas del Sur: "Wir erhalten viele Drohungen. Auf einen der Anwälte wurde geschossen. Diese Schlägertrupps arbeiten für die Großgrundbesitzer, die uns loswerden wollen. Die Personen, die um ihr Leben geflohen sind, wurden danach von der Polizei verfolgt."