Eklat in Kolumbien nach Kunstzensur durch das Militär

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Mindestens 1.500 Angehörige der Sicherheitskräfte sind in Morde an Zivilisten verwickelt
Mindestens 1.500 Angehörige der Sicherheitskräfte sind in Morde an Zivilisten verwickelt

Bogotá. Die kolumbianische Armee hat in einer zentralen Straße der Hauptstadt Bogotá damit begonnen, ein Wandgemälde der Organisation der Opfer von Staatsverbrechen (Movice) zu zerstören. Dort hatten Grafiker fünf hochrangige Offiziere abgebildet, die Mitverantwortung für die circa 5.700 Morde der Sicherheitskräfte an Zivilisten tragen sollen. Es geht dabei um die "Falsos Positivos", das heißt die Hinrichtung von Personen, die das Militär meist als gefallene Guerilla-Kämpfer präsentiert hat, um selbst Vorteile zu erlangen. Das Wandgemälde trug den Titel "Wer hat es angeordnet?". Das Video und die Fotos der Zerstörung des Gemäldes verbreiteten sich rasch in den sozialen Netzwerken, wurden Thema auch in den Leitmedien und sorgten für Empörung bei Politikern und Journalisten.

Die zwei prominentesten Offiziere im Wandgemälde waren der Ex-General Mario Montoya, Oberkommandant der Armee zwischen 2006 und 2008, und sein noch amtierender Nachfolger, General Nicacio Martínez. Montoya werden 2.400 Morde an Zivilisten angelastet. Verurteilte hochrangige Offiziere sagten aus, Montoya habe damals um jeden Preis Erfolge im Krieg gegen die Guerillas verlangt. Martínez seinerseits hat Richtlinien in der Armee eingeführt, die wieder zu illegalen Hinrichtungen von Zivilisten führen können, wie die US-Tageszeitung New York Times enthüllte. Außerdem soll die Brigade, in der Martínez zwischen 2004 und 2006 der zweite Kommandant war, für mindestens 23 "Falsos Positivos" verantwortlich sein. Mindestens 1.500 Angehörige der Sicherheitskräfte sind in illegalen Hinrichtungen verwickelt.

Mit dem Wandgemälde wollten Movice und elf weitere Menschenrechtsorganisationen das Thema dieser Verbrechen des Militärs an Zivilisten in der Öffentlichkeit präsenter machen. Die Angehörigen der Ermordeten beklagen, dass die Soldaten niederen Ranges, die vor der Sonderjustiz für den Frieden (Justicia Especial por la Paz, Jep) bislang Aussagen gemacht haben, nicht die komplette Wahrheit sagen. Die vollständige Wahrheit zu bekennen, ist jedoch die Bedingung, um die begehrten Strafvergünstigungen der Jep zu bekommen. Die Offiziere sagten allerdings nichts Neues, nichts was sie bei der normalen Strafjustiz nicht bereits ausgesagt hätten, kritisieren die Familien der Opfer. Vor allem berichteten sie nicht, wer die Verbrechen angeordnet hat.

Ungefähr 1.600 wegen der Menschenrechtsverbrechen im bewaffneten Konflikt beschuldigte Militärs sind vor der Jep noch nicht erschienen, obwohl sie dazu verpflichtet sind. Die meisten von ihnen müssen in Fällen von Morden an Zivilisten aussagen. Die Zeitschrift Semana hatte im Juni enthüllt, dass Offiziere, die vor der Jep ausgesagt haben, beschattet und abgehört wurden sowie Morddrohungen erhielten.

Mit den Soldaten, die die Grafiker beim Erstellen des Wandgemäldes unterbrochen haben und das Wandbild dann übermalten, kamen auch sechs vermummte Personen, die sie fotografiert haben. Anschließend kam die Polizei und übergab zwei von ihnen eine Vorladung. Sebastián Bojacá, Sprecher von Movice, sagte, dass die Grafiker die Erlaubnis des Eigentümers der Immobilie hatten, auf deren Mauer sie das Gemälde erstellt haben. Die Mauer gehört nicht zum öffentlichen Platz.

"Es ist ein eklatanter Fall von Zensur. Die Verwaltungsstaatsanwaltschaft sollte ein Disziplinarverfahren in die Wege leiten. Wer mag diesen Missbrauch angeordnet haben?", so der Kommentar von José Miguel Vivanco, Amerika-beauftragter der US-Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, zu der Militäraktion.

Die gesamte Zahl der "Falsos Positivos" ist umstritten. Laut einer Untersuchung eines ehemaligen Polizeioffiziers sollen mehr als 10.000 Zivilisten durch die Sicherheitskräfte ermordet worden und späterals Guerilleros oder Kriminelle präsentiert worden sein.