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Putsch-Regierung in Bolivien schickt wieder Militär auf die Straße

Soldaten marschieren in allen Provinzen und großen Städten auf. Basisorganisationen bestimmen Kandidaten für Präsidentschaftswahl

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Die Putsch-Regierung in Bolivien schickt wieder Soldaten in den Einsatz gegen die Bevölkerung
Die Putsch-Regierung in Bolivien schickt wieder Soldaten in den Einsatz gegen die Bevölkerung

La Paz. Offenbar aus Furcht vor Protesten hat die De-facto-Regierung unter Jeanine Áñez begonnen, die Provinzen und wichtigen Städte Boliviens erneut zu militarisieren.

Seit dem 22. Januar 2010 wird in Bolivien jedes Jahr der "Tag des plurinationalen Staates" mit landesweiten Märschen, Kundgebungen und Feierlichkeiten begangen. Auch in diesem Jahr mobilisieren die Bewegung zum Sozialismus (MAS), zahlreiche Basisorganisationen der Indigenen, Frauen und Jugendlichen sowie Gewerkschaften der Arbeiter und der Koka-und Kleinbauern. Sie verbinden dies mit ihrem Protest gegen die Putschisten an der Macht. Der 22. Januar ist außerdem der Jahrestag des Amtsantritts von Evo Morales, der die Präsidentschaft erstmals 2006 übernahm. Im November des vergangenen Jahres war er zum Rücktritt gezwungen worden und hält sich derzeit in Argentinien im Exil auf.

Bereits seit Donnerstag sind Soldaten im Departamento Cochabamba, einer der MAS-Hochburgen präsent. Aus Protest dagegen wurde der Sitz einer Spezialeinheit der Polizei in Chimoré attackiert und teilweise zerstört.

Laut Berichten lokaler Medien wurden an zahlreichen Orten des Landes Mannschaftstransporter, Militärfahrzeuge, Panzer und Hubschrauber gesichtet.

Durch gemeinsame "präventive Operationen" der Streitkräfte und der Polizei in den neun Verwaltungsbezirken des Landes solle "den Bolivianern Ruhe und Frieden gegeben werden", erklärte der Verteidigungsminister der Putsch-Regierung, Fernando López. Die 70.000 Mann Sicherheitskräfte sollen demnach bis zum kommenden Freitag "in allen großen Städten, in den Provinzen und in El Alto" auf den Straßen verbleiben, "um Verbrechen und öffentliche Unruhen zu verhindern". Die Entscheidung sei eine Reaktion auf die Ankündigung von Mobilisierungen von MAS-Anhängern, schreibt La Razon.

Felipe Quispe Huanca, einer der Anführer der Indigenen-Bewegung Pachakuti, kritisierte die erneute Militarisierung des Landes scharf und bezeichnete die aktuellen Machthaber als "störrische Rassisten", die nur aus Rachsucht und Hass auf die Indigenen bestünden. Mit ihren Maßnahmen "füttern" sie nur die gegen sie gerichtete Volksbewegung. Der Sprecher der Gewerkschaft der Koka-Bauern in der Provinz Chaparé, Leonardo Loza, bekräftigte, die Basis werde trotz des Aufmarsches der Sicherheitskräfte "zu 100 Prozent" an den geplanten friedlichen Aktivitäten teilnehmen.

Evo Morales hat für den 22. Januar, an dem seine Amtszeit offiziell endet, eine Botschaft an das Land angekündigt. Er wird bei einer Großveranstaltung in einem Stadion in Argentiniens Hauptstadt Buenos Aires auftreten, wo "14 Jahre demokratische und kulturelle Revolution des Plurinationalen Staates Bolivien" gefeiert werden.

Unterdessen hat der "Pakt der Einheit", bestehend aus sozialen, politischen, indigenen und gewerkschaftlichen Organisationen, die MAS-Kandidaten für die Ämter des Präsidenten und seines Vize gewählt. Der frühere Außenminister (2006 – 2017) David Choquehuanca soll Nachfolger von Morales werden. Er ist aktuell Generalsekretär des Regionalbündnisses Bolivarische Allianz (Alba). Andrónico Rodríguez soll das Amt des Vizepräsidenten übernehmen. Er ist einer der Leiter der Koordination der Gewerkschaften der Kokabauern von Cochabamba. Man habe diese beiden Kandidaten gewählt, weil sie das Vertrauen der Basis hätten und "indigene Gesichter und Angehörige der bäuerlichen Klassen sind". Am Sonntag werde eine Delegation nach Argentinien reisen, um dies mit Morales zu besprechen, sagte Henry Nina, Leiter des Dachverbandes der Interkulturellen Gemeinschaften. Morales ist Vorsitzender der MAS und Leiter der Wahlkampagne. Dann soll die Kandidatur offiziell gemacht werden.

Die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen sollen am 3. Mai dieses Jahres stattfinden. Hierzu informierte De-facto-Präsidentin Áñez, dass ein "technisches Team" der US-Agentur für internationale Entwicklung (Usaid) sich mit Behördenvertretern getroffen habe, um "Hilfen für den Wahlprozess" zu vereinbaren. "Wir finden das sehr hilfreich und sehr kooperativ“, sagte Áñez.

Die Regierung Morales hatte die Agentur 2013 wegen Einmischung in innere Angelegenheiten, Spionage- und Verschwörung des Landes verwiesen. Usaid war in Bolivien seit 1964 tätig gewesen und verfügte im Vergleich mit allen anderen ausländischen Einrichtungen über die meisten Geldmittel, die beste Infrastruktur, den größten Fahrzeugpark und das größte Aufgebot an Mitarbeitern.