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Im Visier der Putschisten: Die kommunitären Radios in Bolivien

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Die  indigenen Radiostationen Red de Radios de los Pueblos Originarios sind Ziel von Angriffen der Putschisten
Die indigenen Radiostationen Red de Radios de los Pueblos Originarios sind Ziel von Angriffen der Putschisten

La Paz. Seit der Machtübernahme verschärft die De-facto-Regierung in Bolivien die Zensur immer weiter. Im Zuge des Putschs waren die vier staatlichen Medieneinrichtungen (Nachrichtenagentur ABI, Tageszeitung Cambio, Radio Red Patria Nuevo und Bolivia TV) sofort übernommen worden, nun droht den kommunitären Radios die Schließung.

Die indigenen Radiostationen "Red de Radios de los Pueblos Originarios" sind bereits seit Beginn der gewalttätigen Proteste der Opposition gegen Präsident Evo Morales nach der Wahl am 20. Oktober Ziel von Angriffen. Dies hat seit dem Putsch noch zugenommen, einige Radios wurden von Polizisten, Soldaten und Anhängern der Putsch-Regierung völlig zerstört, die Mitarbeitenden bedroht. Seitdem hat keines der Radios mehr Nachrichten ausgestrahlt. Einige dürften nur noch Musik senden, anderen hätten den Betrieb komplett eingestellt, berichtet Rodolfo Machaca, ein Sprecher der Bauernbewegung. Man sei derzeit dabei, sich einen Überblick über die Abschaltungen, Zerstörungen und Plünderungen zu verschaffen und die Ausrüstungen zu sichern, die noch intakt sind. In Santa Cruz wurde der Sender des Bauerngewerkschaft geplündert, ebenso das Interkulturelle Radio. In La Paz wurde die Radiostation des Kleinbauernverbandes zerstört, und es gab den Versuch, den Frauensender Bartolina Sisa zu übernehmen. In Cochabamba wurde die Station der Kokabauern niedergebrannt, in anderen Departamentos sei es zu ähnlichen Angriffen gekommen, sagte Machaca, der am vergangenen Woche in Argentinien mit Präsident Morales zusammentraf.

Nun fürchten die Betreiber ein generelles Verbot der bestehenden kommunitären Radios. Die von De-Facto Präsidentin Jeanine Añez als Informationsministerin eingesetzte Roxana Lizárraga präsentierte vergangene Woche eine gemeinsam mit Vertretern von Privatmedien ausgearbeitete Vorlage für ein "Dekret zur Wiedererlangung der freien Meinungsäußerung in Bolivien". Einer der sieben Artikel besagt, es gehe nun darum, "die Radiosender der indigenen Völker zuzuweisen oder neu zuzuweisen, um das Recht auf Zugang zu Informationen zu erweitern".

Auch der Generalsekretär des Gewerkschaftsdachverbandes (Central Obrera Boliviana), Juan Carlos Huarachi, äußerte sich besorgt über das Dekret und betonte, dass diese Radiosender über sektorale und regionale Themen berichten. Einer Übergangsregierung stehe es nicht zu, die bestehenden Normen anzutasten, denn sie solle lediglich Wahlen einberufen. "Sie kann die Radiosender nicht anweisen, die Arbeit einzustellen", so Huarachi.

In Bolivien waren seit dem Jahr 2006 insgesamt 53 Radiostationen aufgebaut worden, die von indigenen Gemeinschaften oder sozialen Organisationen betrieben werden. Das 2011 vom Parlament verabschiedete Telekommunikationsgsetz regelt, dass der Staat über 33 Prozent der Frequenzen verfügt, indigene Gemeinschaften über 17, soziale Organisationen und Gewerkschaften ebenfalls über 17 Prozent. Dem Privatsektor, der bis dahin über 90 Prozent innehatte, wurden 33 zugewiesen. Die neue Verfassung aus dem Jahr 2009 legt fest, dass Medien "weder direkt noch indirekt Monopole oder Oligiopole bilden dürfen" und dass "der Staat die Schaffung gemeinschaftlicher Medien mit gleichen Bedingungen und Möglichkeiten unterstützt".

Seit dem Putsch gegen Präsident Morales wird wiederholt über Angriffe auf die Presse berichtet. Journalisten beklagen Übergriffe und politische Verfolgung. Medienschaffenden wird gedroht, sie wegen "Aufruhrs" zu verklagen, Karikaturisten werden zensiert. Die internationalen Fernsehsender Telesur und Russia Today Spanisch sind abgeschaltet worden.