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Farc EP-Guerilla in Kolumbien richtet offenen Brief an Befürworter des Friedens

Versöhnliche Töne an Befürworter des Friedens. Linke macht Regierung für Entwicklung verantwortlich. 90 Prozent der Ex-Rebellen lassen Waffen ruhen

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Die bereits wiederbewaffneten Guerilleros der neuen Farc-EP in Kolumbien werden auf 1.800 Personen geschätzt
Die bereits wiederbewaffneten Guerilleros der neuen Farc-EP in Kolumbien werden auf 1.800 Personen geschätzt

Bogotá. Nach besorgten und ablehnenden Reaktionen auf die Wiederaufnahme des bewaffneten Kampfs durch Ex-Kommandanten der historischen Guerillaorganisation Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens – Armee des Volkes (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia – Ejército del Pueblo, Farc-EP) in Kolumbien vor wenigen Tagen haben sich die Rebellen nun erneut gemeldet. In einem offenen Brief erklärten die Mitglieder der neuen Farc-EP ihren Respekt vor Akteuren und Organisationen der Zivilgesellschaft, die sich für den Friedensprozess eingesetzt haben. Die in den sogenannten Wiedereingliederungszonen lebenden Ex-Guerilleros riefen sie gleichzeitig dazu auf, "den Kampf fortzusetzen". Der erneute Griff zu den Waffen sei die Antwort "auf den Verrat des Staats am Friedensabkommen von Havanna", so Kommandant Jesús Santrich in einer Videobotschaft.

Unter den Personen, die die Farc-EP-Kommandanten in dem Brief anerkennend erwähnen, finden sich die Namen linker Politiker wie der des Ex-Präsidentschaftskandidaten Gustavo Petro, des Senators Iván Cepeda, der Friedensaktivistin Piedad Córdoba, aber auch des Ex-Präsidenten (1994-1998) Ernesto Samper sowie von Ex-Funktionären der ehemaligen Regierung (2010-2018) von Juan Manuel Santos. Sie hätten mit "Entschlossenheit", "Geduld" und "Intelligenz" für den Frieden gekämpft, heißt es in dem Schriftstück. Den Garantie-Ländern Kuba, Venezuela, Norwegen und Chile sowie der EU und der UNO dankten sie für ihr Engagement. Man hoffe, sich eines Tages wieder zu begegnen, ohne dass der kolumbianische Staat "mit Perfidie" den Frieden sabotiere.

Die Rebellen äußern die Hoffnung auf Kontakte mit zahlreichen sozialen Bewegungen, von denen sie LGTBI-Organisationen, Christen, Schwarze und Indigene nennen. Sie sollten beim Aufbau einer "neuen gerechten sozialen Ordnung" mitwirken. Die neue Farc-EP wandte sich auch an Unternehmer, Politiker, Journalisten und Juristen, die trotz "des Diktats der Herrschenden", für die Umsetzung des Friedensabkommens gearbeitet haben. Erwähnt werden zudem Militärs und Polizisten, die nicht an repressiven Maßnahmen gegen arme Bevölkerungsschichten teilnehmen.

Die Mitteilung des Ex-Vizekommandanten der historischen Farc-EP, Iván Márquez, über die Rückkehr eines Teils der Guerilleros zum bewaffneten Kampf provozierte in Kolumbien umgehend eine heftige Debatte. Die rechte Regierungspartei Demokratisches Zentrum (Centro Democrático, CD) sah sich anhand Márquez’ Mitteilung in ihrer Ansicht bestätigt, dass das Friedensabkommen ein Fehler war. Die Partei forderte, die bewaffneten Gruppen "militärisch zu bezwingen".

Der CD-Gründer und Mentor des amtierenden Präsidenten Iván Duque, Álvaro Uribe, rief dazu auf, das Abkommen komplett aufzukündigen. Der Vorsitzende des kolumbianischen Bankenverbands Santiago Castro sagte, dass man der neuen Farc-EP "mit Krieg begegnen muss". Duque seinerseits bezeichnete die neue Farc-EP-Guerilla als "eine Bande von Drogenhändlern und Terroristen, die den Schutz und die Unterstützung der Diktatur von (dem venezolanischen Präsidenten) Nicolás Maduro genießt". Der Verteidigungsminister Venezuelas sah in Duques Aussage indes einen Vorwand, Krieg gegen Venezuela vorzubereiten.

Friedensbefürworter wie der politische Analyst Ariel Ávila werfen den Gegnern des Friedensabkommens vor, die Bedeutung der Wiederbewaffnung der Farc-EP vorsätzlich und aus einer politischen Motivation heraus überzubewerten. Nach Angaben der Stiftung Pares hatten sich von 13.000 demobilisierten Guerilleros nur rund 1.800 Kämpferinnen und Kämpfer vor dem Aufruf von Márquez in getrennten Strukturen bereits wieder bewaffnet. Vor dem Friedensprozess war die historische Farc-EP in 300 Landkreisen präsent, heute sind es maximal 85. Hingegen agieren die kriminellen Banden und Paramilitärs aktuell in 400 Landkreisen. Laut Zahlen der Regierung und der Farc-Partei halten weiterhin 90 Prozent der Ex-Guerilleros am Friedensprozess fest. Die Farc-Partei ist aus der gleichnamigen historischen Guerillaorganisation hervorgegangen.

Linke Politiker wie der Senator Gustavo Bolívar machten indes die Regierungspartei CD und die Regierung Duque für die Wiederbewaffnung der Ex-Komandanten verantwortlich. In der Vergangenheit hatten sich CD-Politiker wiederholt die Zerstörung des Friedensabkommens zueigen gemacht. Konkret listete Bolívar vier Punkte auf, die nicht erfüllt wurden:

  • die Schaffung von 18 Plätzen im Parlament für die Opfer des Konflikts;
  • die Sicherheit der Ex-Kämpfer, denn 150 Guerilleros und Angehörige wurden ermordet;
  • die Landreform, die die Verteilung von drei Millionen Hektar für Kleinbauern anstrebte;
  • die Übergangsjustiz (Jep), die einseitig geändert wurde.

"So hat der Uribismo einen Teil der Farc in den Krieg gedrängt", schrieb Bolívar auf Twitter.