Bogotá. Die Nationale Organisation der Indigenen in Kolumbien (ONIC) hat einen humanitären, sozialen und ökonomischen Notstand der indigenen Völker in Kolumbien ausgerufen. In einer Stellungnahme erklärte die Organisation am Internationalen Tag der Indigenen Völker, dass 70 der 102 indigenen Gemeinden in Kolumbien akut von der physischen und kulturellen Auslöschung bedroht seien.
Seit der Unterschrift des Friedensvertrags zwischen der kolumbianischen Regierung und der Farc-Guerilla habe es 37.533 gewaltsame Zwischenfälle gegen die indigenen Völker gegeben. 158 Indigene seien in dieser Zeit ermordet worden, davon 97 während der Präsidentschaft des aktuellen Präsidenten Iván Duque. Die Indigenen-Organisation spricht von einem "systematischen und andauernden Genozid" und beklagt, dass der Frieden nicht in ihren Territorien angekommen sei.
Die Indigenen litten insbesondere unter europäisch geprägten Verwaltungsstrukturen, die den Verlust an Souveränität zur Folge hätten. Auch der Verlust von Land sei ein großes Problem, oftmals in Folge gewaltsamer Vertreibung, wie in Putumayo oder den Gegenden am Pazifik. Zudem sei die Situation der Wayuu in La Guajira gravierend, wo in Folge von Tagebau zur Kohleförderung bereits mehr als 5.000 Kinder, insbesondere wegen des Mangels an sauberem Trinkwasser starben, so die ONIC in einer weiteren Stellungnahme.
Die indigenen Völker kritisieren den Nationalen Entwicklungsplan der Regierung scharf. Dieser basiere auf der gewaltsamen Ausbeutung der Natur im Interesse multinationaler Konzerne und habe schwerwiegende Folgen für das Leben der Indigenen. In der Stellungnahme fordert die Nationale Organisation der Indigenen in Kolumbien die kolumbianische Regierung auf, den Genozid zu stoppen und die notwendigen Maßnahmen zur Überwindung der Notlage zu ergreifen. So fordert die Indigenen-Organisation unter anderem die unmittelbare Einberufung einer Verifizierungs- und Unterstützungsmission, um die Vertreibung und Gewalt gegen die indigenen Völker zu stoppen.
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Zudem rufen sie die internationale Gemeinschaft dazu auf, als Garanten und Unterstützer die Notsituation zu begleiten, um die Folgen des bewaffneten Konflikts, des Extraktivismus und der staatlichen Wirtschaftspolitik sichtbar zu machen und die humanitäre Krise zu überwinden. Die Indigenen-Organisation schlägt vor, einen Sicherheitsrat in der Pazifikregion einzurichten, in der die indigenen Völker besonders heftig von der Gewalt betroffen sind.
Präsident Iván Duque gab zu, dass die indigenen Gemeinschaften in vielen Teilen des Landes von Akteuren des Drogenhandels bedroht würden, und versicherte, Präventionsmaßnahmen ergreifen und die Verantwortlichen gerichtlich verfolgen zu wollen. In diesem Zusammenhang rief das Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte in Kolumbien die Regierung zum "effektiven Schutz" des indigenen Volks der Nasa auf, die zuletzt vermehrt im südwestlichen Departamento Cauca Opfer gewaltsamer Angriffe geworden waren.
Der Regionale Rat der Indigenen im Cauca (Cric) forderte wegen der steigenden Zahl an Gewalttaten gegen Indigene die Vereinten Nationen, die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) sowie verschiedene kolumbianische Stellen wie die Defensoría del Pueblo, die Kommission für Menschenrechte des Kongresses und die Kommission für Frieden des Senats zu einem konkreten Eingreifen auf, um die Indigenen vor Ort schützen zu können.