Argentinien: Milliardenkredite und zunehmende Armut

IWF schüttet weitere Milliarden in die Staatskasse, um das Land vor den Wahlen zu stabilisieren. Armut auf neuem Höchststand

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In Argentinien gibt es seit Beginn der Kreditaufnahme massive Proteste gegen den IWF und die "Sparpolitik" Macris
In Argentinien gibt es seit Beginn der Kreditaufnahme massive Proteste gegen den IWF und die "Sparpolitik" Macris

Buenos Aires. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat Argentinien eine weitere Zahlung in Höhe von 5,4 Millarden US-Dollar genehmigt. Es ist die letzte große Auszahlung des Kredits über insgesamt 56 Milliarden US-Dollar, den die argentinische Regierung im vergangenen Jahr beim IWF aufgenommen hatte. Die verbleibenden zwanzig Prozent der zugesagten Gelder werden bis 2021 in sieben Raten überwiesen.

Bedingung für den Kredit war ein radikaler Sparkurs, den Präsident Mauricio Macri durchführt und dessen Folgen zahlreiche Menschen an das Existenzminimum gebracht haben. Mit dieser Politik soll vor allem das internationale Vertrauen in den Peso zurückgewonnen, Investoren ins Land geholt und das Jahr 2020 mit einem ausgeglichenen Primärhaushalt zwischen Staatseinnahmen und -ausgaben eröffnet werden. Beim Primärsaldo wird der Schuldendienst für Kredite nicht berücksichtigt.

Der IWF zeigt sich indes zufrieden mit der wirtschaftlichen Entwicklung in Argentinien. Die Bemühungen würden so langsam Früchte tragen, lobte der US-amerikanische Ökonom David Lipton, der seit dem Rücktritt von Christine Lagarde, den Fonds leitet. "Die Finanzmärkte haben sich stabilisiert und die Wirtschaft beginnt, sich allmählich von der Rezession im vergangenen Jahr zu erholen", so Lipton.

Seit dem Tief im April habe sich das Länderrisiko verringert und der Peso sei um acht Prozent aufgewertet worden. Das Länderrisiko bleibe dennoch weiterhin "erhöht", heißt es in dem technischen Bericht (Staff Report). Seine Erwartungen für eine rasche wirtschaftliche Erholung schraubte der IWF wieder zurück. Das BIP soll im kommenden Jahr um maximal 1,1 Prozent wachsen und nicht wie angenommen um 2,2 Prozent.

Entgegen allem von der Regierung verbreiteten Optimismus hat sich die Lage der armen Bevölkerung im Land seit dem vergangenen Jahr weiter verschärft. Laut einer aktuellen Studie der Katholischen Universität von Argentinien (UCA) litten im ersten Halbjahr dieses Jahres mehr als 14 Millionen Menschen unter Armut, das sind 35 Prozent der Bevölkerung und drei Prozentpunkte mehr als noch zum Jahresende 2018. Extreme Armut betrifft sieben Prozent der Menschen im Land. Verantwortlich dafür sind laut Eduardo Donza, dem Leiter der Studie, Inflation, Währungsverfall und infolgedessen drastisch steigende Preise für Grundnahrungsmittel: "In den ersten Monaten dieses Jahres haben die Preise für Lebensmittel stärker zugenommen als der Durchschnitt."

Nach offiziellen Angaben der Stadt Buenos Aires ist allein in der Metropole mit mehr als einer halben Millionen Menschen so gut wie jeder fünfte arm, 94.000 sind seit dem vergangenen Jahr zusätzlich unter die Armutsgrenze gerutscht.

Der Wahlkampf, so hebt der Staff Report hervor, werde einen starken Einfluss auf die Finanzmärkte haben. Sollte das Vertrauen in den Peso weiter sinken, könne das Länderrisiko wieder ansteigen. Andere Analysten sprechen auch von einem "externen Schock". Bereits eine bescheidene positive Entwicklung der Wirtschaft beruhige den Markt und erhöhe gleichzeitig die Wahrscheinlichkeit, dass Macri im Amt bestätigt wird. Sie geben der peronistischen Opposition mit ihrem Spitzenkandidaten Alberto Fernández (Frente de Todos) steigende Chancen für den Wahlsieg, sollte die Wirtschaft weiter schwächeln.

Laut Fernández befindet sich Argentinien bereits in einem "verdeckten Zahlungsausfall" (Default). Es gebe seitens des IWF "eine Entscheidung, Macri zu stützen und nicht Argentinien", erklärte er. Auf einem Treffen mit dem IWF kündigte Fernández an, im Falle eines Wahlsiegs dennoch nicht von dem Abkommen abzusehen, sondern es "umzuformulieren", ohne die Bevölkerung weiter zu belasten, um die Wirtschaft zu stabilisieren und so die Schulden bezahlen zu können.