Nicaragua / Politik

Nicaragua: Wenig Hoffnung auf eine Lösung des Konflikts

Opposition und Sandinisten mobilisieren Anhänger auf die Straßen. Gewaltsame Zusammenstöße halten an. Regierung Ortega lehnt vorgezogene Wahlen ab

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Tausende beteiligten sich am Gedenkmarsch "El Repligue", zu dem die FSLN aufgerufen hatte
Tausende beteiligten sich am Gedenkmarsch "El Repligue", zu dem die FSLN aufgerufen hatte

Managua. Während die Opposition, angeführt vom Unternehmerverband, für Ende der Woche zu großen Demonstrationen unter dem Motto "Gemeinsam sind wir ein Vulkan", zum Generalstreik und einem Fahrzeugkorso gegen die Regierung von Präsident Daniel Ortega aufgerufen hatte, mobilisierte die regierende Sandinistische Nationale Befreiungsfront (FSLN) ihre Anhänger zum Gedenkmarsch "El Repligue". Dieser findet jedes Jahr zur Erinnerung an den strategischen Rückzug der Sandinisten nach Masaya während des Befreiungskampfes statt, als die Zivilbevölkerung vor Angriffen des Diktators Anastasio Somoza geschützt werden konnte.

Bei einem ersten Generalstreik im Juni musste der Erfolg für viele Teile des Landes eher noch herbeigeschrieben werden, in dieser Woche scheint die Beteiligung daran zumindest in Städten wie León deutlich größer gewesen zu sein. Der "Replique" unter Beteiligung von Präsident Ortega war in diesem Jahr aus Sicherheitsgründen als Autokonvoi organisiert worden, um Zusammenstößen zwischen Bevölkerungsgruppen aus dem Weg zu gehen. Auch an dieser Aktion beteiligte sich tausende Menschen.

Die gewaltsamen Zusammenstöße hielten indes auch in der vergangenen Woche an. Im Anschluss an den sandinistischen Protestmarsch nach Masaya gab es dort im Stadtteil Monimbo Kämpfe um den Abbau von Barrikaden, bei denen zwei Menschen starben. Verletzte gab es bei Auseinandersetzungen um das Gelände der Universität UNAN in Managua. Vier Polizisten und ein Lehrer wurden beim Überfall einer gewalttätigen Oppositionsgruppe auf die Gemeinde Morrito getötet und weitere Personen verletzt und entführt.

Die veröffentlichten Zahlen über die Toten in diesem Konflikt steigen Woche für Woche und aktuell ist keine Lösung in Sicht. Allerdings sind auch die Unterschiede zu der Anzahl der Toten und die Hintergründe zwischen den Angaben verschiedener Organisationen sehr groß. Der Vorwurf, dass diese Zahlen vor allem zur Mobilisierung der eigenen Anhänger genutzt werden, scheint nicht ganz unberechtigt zu sein. Der Blog Nicaragua y mas berichtete etwa über die Untersuchung "Monopol des Todes" von Heinrich Hendrix, in der nicht nur die Differenzen zwischen den verschiedenen von Menschenrechtsorganisationen geführten Listen aufzeigt werden, sondern auch dargestellt wird, in wie vielen Fällen ein korrekter Nachweis über den Tod im Zusammenhang mit Protestaktionen vorliegt. Bei durchschnittlich 53 Prozent fehlte der direkte Nachweis, dass es sich eindeutig um Opfer der Proteste handelt. Dieser Prozentsatz verteilt sich auf 3 Prozent wiederholte Namen, 20 Prozent Aufnahme von Todesfällen, die nicht direkt mit Protesten in Zusammenhang stehen und 30 Prozent für die Aufnahme von Fällen mit unvollständigen, ungenauen oder nicht vorhandenen Daten.

Laut einem Bericht der Wahrheitskommission sind die Straßensperren (Tranques) für wesentlich mehr Tote und Menschenrechtsverletzungen als andere Protestaktionen verantwortlich.

Zu den bei Auseinandersetzungen, Verteidigung und Räumung der Barrieren erschossenen Personen kommen die vielen Fälle von Folter, Demütigung, Vergewaltigung, sexueller Gewalt seitens Regierungsgegnern, über die bisher kaum berichtet wurde. Aufgrund dieser Problematik räumt die Polizei inzwischen immer mehr Straßensperren, wobei von Augenzeugen berichtet wird, dass die Räumung aufgrund der starken bewaffneten Gegenwehr am ehesten einer "Gefechtssituation" entspricht. In den Formulierungen der Opposition heißt es über geräumte Barrikaden in der Regel, "nachdem sie von den Protestierenden verlassen wurden", die von ihnen eingesetzte Gewalt kommt dagegen nicht vor.

Obwohl von allen Seiten immer wieder betont wird, dass eine Lösung des Konflikts nur durch einen Dialog erreicht werden kann, wird dieser immer wieder einseitig durch die Opposition oder die Kirchenhierarchie abgebrochen und damit der Konflikt verlängert.

Luis Almagro, der Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), schlug angesichts der nur schwer erträglichen Situation vor, konzentriert an konkreteren Inhalten zu arbeiten und auch Fragestellungen wie Rückgabe der Campusflächen der Universitäten, die von den Regierungsgegnern übernommen worden waren, im Dialogprozess zu klären. Schon Mitte der Woche hatte er die Regierung aufgefordert, die Wahlen vorzuziehen, damit der Konflikt an der Wahlurne und nicht mit Waffen gelöst werde.

Eine bedingungslose Vorverlegung der Wahlen lehnt die Regierung Ortega aktuell noch ab. Aber wie von ihr schon mehrfach erklärt wurde, solle die Frage der Demokratisierung dann behandelt werden, wenn die Probleme der Unsicherheit und der Gewalt nachweislich angegangen und gelöst worden sind.