Ex-VW-Mitarbeiter Heinrich Plagge in Brasilien verstorben

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Der frühere Gewerkschafter bei VW do Brasil, Heinrich Plagge, ist am 6. März in Brasilien gestorben
Der frühere Gewerkschafter bei VW do Brasil, Heinrich Plagge, ist am 6. März in Brasilien gestorben

Brasília. Am 6. März ist in Brasilien der Gewerkschafter und bekannte Diktaturgegner Heinrich Plagge nach langer Krankheit verstorben. Plagge, ein aktiver Gewerkschafter, arbeitete Ende der 1960er bis Anfang der 1970er Jahre bei Volkswagen do Brasil im Werk in São Bernardo do Campo. Er war einer der Opfer der Kooperation zwischen VW und der damaligen Militärdiktatur.

Am 8. August 1972 war Plagge in das Büro des VW-Managers Ruy Luiz Giometti gerufen worden, wo neben Giometti zwei Unbekannte auf ihn warteten und ihn für verhaftet erklärten. Sie brachten ihn in das Folterzentrum der sogenannten Abteilung für Politische und Soziale Ordnung (DOPS), von wo aus er nach 30 Tagen schwerer Folter in das Gefängnis Tiradentes verlegt wurde. Am 6. Dezember 1972 kam er frei, am 22. Dezember 1972, 16 Tage nach seiner Entlassung, erhielt er die Kündigung durch Volkswagen. Plagge fand danach keine feste Anstellung mehr, musste sich mit Gelegenheitsjobs durchschlagen, bis er am 2. September 1974 erneut verhaftet wurde. Diesmal musste er bis zum 3. Juni 1975, auf seine Freilassung warten. Die staatliche Amnestiekommission beurteilte in ihrer Entscheidung vom 23. September 2008 die 1972 durch Volkswagen vorgenommene Entlassung als "politisch motiviert".

Heinrich Plagge sagte im vergangenen Jahr vor der Bundesstaatsanwaltschaft von São Paulo im Fall der Frage der Kollaboration von Volkswagen do Brasil mit der brasilianischen zivil-militärischen Diktatur gegen VW aus und beschrieb seinen Fall. Auch seine Frau Neide Rosa Plagge trat bei dieser Gelegenheit als Zeugin auf und berichtete, wie an jenem 8. August 1972 am Nachmittag ein höherer VW-Mitarbeiter zu ihr nach Haus kam und ihr mitteilte, ihr Mann habe kurzfristig für die Firma auf Dienstreise gehen müssen, daher habe er keine Zeit mehr gehabt, ihr dies mitzuteilen. Erst Monate später habe sie erfahren, wo ihr Mann war. Diese Aussage belegt nicht nur, dass hochrangige Mitarbeiter bei VW Kenntnis von der Verhaftung Plagges hatten, sondern ist ein sehr starkes Indiz für den Versuch des höheren Managements, die Taten der Militärdiktatur zu verschleiern.

Die Aussage von Plagges Ehefrau kommt zu der des Ex-VW-Metallarbeiters Lúcio Bellentani hinzu, der bei VW im Beisein des betriebseigenen Werkschutzes verhaftet und von dort ins Folterzentrum DOPS verschleppt wurde. Die Anfang November vergangenen Jahres in São Paulo anlässlich der Veröffentlichung des Berichts des Bielefelder Historikers Christopher Kopper von VW vertretene Einzeltäterthese ließ sich spätestens seit diesen Aussagen nicht mehr halten. Das höhere Management von VW do Brasil, das aus deutschen Staatsbürgern bestand, die aus Deutschland entsandt wurden und somit Wolfsburg direkt in São Paulo vertraten, wusste Bescheid.

Plagge wurde 79 Jahre alt. Eine Entschuldigung seitens Volkswagen hat er nicht mehr erlebt.